Grundstücksgrenze -  oft Fall für eine Schiedsperson
Nicht selten gibt es Streit an der Gartengrenze - in vielen Fällen helfen Schiedspersonen bei der Schlichtung.
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Schlichter in Kommunen

Ein Schiedsmann berichtet: "Die Menschen werden nervöser"

"Ich habe den Eindruck, die Leute sind nervöser als sonst angesichts der ganzen Weltlage und werden dünnhäutiger". Das sagt Schiedsmann Ewald Wörmann. Er ist seit elf Jahren ehrenamtlicher Schiedsmann in seiner Gemeinde. Wenn auch Ihre Kommune auf der Suche nach neuen Schiedsleuten ist, sollten Sie ihnen den Bericht von Ewald Wörmann nicht vorenthalten. Eindrucksvoll erklärt er, welche Fähigkeiten man mitbringen sollte und in welchen spannenden Fällen er schon tätig wurde.

Herr Wörmann, wie oft sind Sie als Schiedsmann schlichtend im Einsatz?

Normalerweise betreue ich fünf bis sechs Fälle pro Jahr, das ist gut zu bewältigen. Klar braucht es Zeit, um zu recherchieren, zu schreiben und die Schlichtung zu organisieren, aber das kann man sich ja einteilen. In letzter Zeit haben die Anfragen aber deutlich zugenommen. In diesem Jahr habe ich bereits die sechste Schlichtung und aktuell laufen drei Fälle parallel. Ich habe den Eindruck, die Leute sind nervöser als sonst angesichts der ganzen Weltlage und werden dünnhäutiger.

Wie sind Sie zu diesem besonderen Ehrenamt gekommen?

Ich bin pensionierter Polizeibeamter und seit 12 Jahren im Ruhestand. Kurz nach Pensionierung wurde ich gefragt, ob ich nicht Schiedsmann werden möchte in meinem Bezirk. Das hat mich damals gereizt und passte ja auch zu meiner beruflichen Erfahrung. Schließlich habe ich 20 Jahre lang Schichtdienst in der Düsseldorfer Innenstadt gemacht. Da lernt man, mit den Leuten zu reden. Mittlerweile bin ich vom Rat zum dritten Mal gewählt worden und es wird wohl meine letzte Periode sein. Immerhin werde ich schon 74.

Schiedsmann Ewald Wörmann
Seit elf Jahren als Schiedsmann aktiv: Ewald Wörmann

Was sollte man Ihrer Erfahrung nach mitbringen, um als Schiedsperson erfolgreich zu sein?

Das Wichtigste ist eine sehr gute Kommunikationsfähigkeit. Man hat ja ständig mit Menschen zu tun und oft sind da viele Emotionen im Spiel. Da braucht es eine gute Menschenkenntnis. Außerdem ist auch ein gewisses rechtliches Hintergrundwissen nötig. Das kann man sich aber auch aneignen in Extra-Schulungen.

Wie gelangt ein Fall zu Ihnen?

Meist geschieht das durch Vermittlung. Manchmal meldet sich das Gericht, häufig vermitteln auch Rechtsanwälte, die in Kleinigkeiten nicht tätig werden wollen und die Klienten dann an uns verweisen. Heutzutage sind viele Leute ja rechtsschutzversichert und rufen gleich nach dem Anwalt. Deshalb sind diese sehr häufig schon früh involviert auch bei kleineren Fällen. Ob ich einen Fall dann übernehme, entscheide ich von Fall zu Fall.

In welchen Fällen darf eine Schiedsperson überhaupt tätig werden?

Als Schiedsperson ist man für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zuständig, insbesondere nachbarrechtliche Auseinandersetzungen. Nicht zuständig sind wir für Angelegenheiten der Familiengerichte und der Arbeitsgerichte. Außerdem kann man für bestimmte strafrechtliche Delikte im Einsatz sein, aber da bin ich sehr vorsichtig. Grundsätzlich ist es unsere Aufgabe, die Gerichte von Bagatellen zu entlasten.

In was für Fällen haben Sie bereits vermittelt?

Der Klassiker ist der Nachbarschaftsstreit. Sehr häufig geht es da um den Grenzbewuchs, um Hecken, die nicht geschnitten werden, Äste, die ins Nachbargrundstück ragen oder Bäume, die Schatten werfen und Laub. Gerade erst hatte ich auch einen Fall, bei dem ein Nachbar eine Überwachungskamera installiert und damit den Nachbarsgarten beobachtet hat. Das konnte ich regeln und mittlerweile hat er sie wieder abmontiert. Immer wieder geht es auch um Beleidigungen. Im besten Fall unterschreiben die Gegner am Ende der Schlichtung, dass sie sich in Zukunft aus dem Weg gehen. Aber es gibt auch kuriose Fälle.

Haben Sie ein Beispiel?

Ich erinnere mich noch an einen Fall aus meinen ersten Jahren. Ein Ehepaar ist mit seinem kleinen Hund spazieren gegangen, der dann direkt vor der Haustüre eines Nachbarn sein Geschäft verrichtet hat. Als die Eheleute einfach weitergegangen sind, ist der Hausbesitzer wütend herausgekommen, hat laut gerufen „Ihr habt da was vergessen“ und dem Paar die Hinterlassenschaft des Hundes hinterhergeworfen. Das Paar hat das stinkende Wurfgeschoss mit dem Regenschirm abgewehrt und anschließend geklagt, weil der Schirm verschmutzt war.

Wie ging das Ganze aus?

Im Schlichtungsverfahren haben wir uns damals darauf geeinigt, dass der Hausbesitzer die Kosten für die Reinigung des Schirms übernimmt und 100 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung spendet. Damit war die Sache erledigt.

Wie läuft ein Schlichtungsverfahren grundsätzlich ab?

Zu Beginn schaue ich mir erstmal die Sachlage an. Wenn es um eine Grenzbewachsung geht, komme ich oft auch vorbei und verschaffe mir vor Ort einen Eindruck. Je nach Fall muss ich dann auch noch recherchieren und die genaue Besitz- und Rechtslage klären. Außerdem versuche ich ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Stimmung ist auf beiden Seiten. In Folge wird ein Antrag auf ein Schlichtungsverfahren gestellt und beantrage ich bei der Kommune einen Raum für den Schlichtungstermin. Wenn dieser feststeht, geht eine Postsendung an beide Parteien, den Kläger und den Gegner, raus, in der diese zum Termin vorgeladen werden. Der Gegner hat im Vorfeld des Termins natürlich die Möglichkeit, sich direkt mit mir in Verbindung zu setzen. Das tun auch die meisten.

Und wenn er nicht zur Teilnahme am Schlichtungsverfahren bereit ist?

Dann wird eine Erfolglosigkeitsbescheinigung ausgestellt, mit der sich der Kläger direkt ans Gericht wenden kann.

Was geschieht beim Schlichtungstermin?

Ich treffe mich mit dem Kläger und dem Gegner in einem großen Raum, einer sitzt rechts, einer links, ich in der Mitte. Dann wird vorgetragen, was vorgeworfen wird und ich versuche, einen Ausgleich zu finden. Dabei kann es schon auch mal laut werden, das ist auch ok. Aber ich bin peinlich darauf bedacht, dass es nicht zu Beleidigungen kommt. Letztlich muss bei der Vermittlung jede Seite etwas nachgeben, dann findet sich meist eine Lösung. Am Ende treffe ich ja keine Entscheidung für oder gegen jemanden, sondern gibt es im besten Fall einen Vergleich, mit dem beide Seiten zufrieden sind.

Sie sind nun schon in der dritten Amtszeit. Was reizt Sie an Ihrem Ehrenamt?

Die finanziellen Gründe sind es sicher nicht, das Schiedsamt ist ja ein Ehrenamt und man bekommt nur eine Aufwandsentschädigung. Mich macht die Vermittlung zwischen den Menschen sehr zufrieden. Ich konnte einen Großteil meiner Fälle mit einer Schlichtung abschließen bzw. zumindest so, dass jemand auf eine Anzeige verzichtet hat. Allerdings frage ich mich schon immer wieder: Warum sprechen die nicht einfach miteinander, wenn es ein Problem gibt? Aber diese Gabe ist vielen nicht gegeben