
Regenbogenfahne soll weg
Hasswelle: Darum tritt Neubrandenburgs Oberbürgermeister zurück
Die Zukunft Neubrandenburgs liegt ihm am Herzen. Doch er kann offensichtlich nicht mehr, im Mai 2025 will Silvio Witt als Oberbürgermeister aufhören. Der führende Kommunalpolitiker kündigte diesen Schritt an, nachdem die Stadtvertretung, also das Stadtparlament, mehrheitlich beschlossen hatte, die Regenbogenfahne am Bahnhof nicht mehr zu hissen. Die Flagge steht für Toleranz, Vielfalt und Weltoffenheit. Unbekannte hatten sie in der Vergangenheit gegen eine Fahne mit Hakenkreuz ausgetauscht - und das mehrmals.
Regenbogenfahne durch Flagge mit Hakenkreuz ersetzt
Der Vorschlag, die Regenbogenfahne am Bahnhof zu entfernen, wurde bei der Sitzung am 9. Oktober mit den Stimmen der AfD-Fraktion, Stimmen der Mitglieder des BSW, der Fraktion Projekt NB und der Bürger für Neubrandenburg angenommen. Der Antragsteller Tim Großmüller (Stabile Bürger für Neubrandenburg) begründete den Vorstoß mit den Straftaten. Es sollten grundsätzlich nur Bundes-, Landesflagge gehisst werden, oder andere landestypische Flaggen, hieß es. Großmüller forderte laut NDR zudem, das Stadtwappen nicht mehr in Verbindung mit der Regenbogenflagge zu nutzen. Die neue Stadtvertretung hatte sich nach Wahlen erst in der Sitzung davor konstituiert. Bei den Kommunalwahlen im Juni 2024 in Neubrandenburg hatte die rechtspopulistische AfD die meisten Stimmen geholt.
Verbale Gewalt als Rückzugsgrund für Oberbürgermeister
Bei einer Veranstaltung der Körber-Stiftung in Berlin hat sich der Neubrandenburger Oberbürgermeister jetzt ausführlicher zu den Gründen geäußert, warum er sein Amt nicht wie geplant bis 2029 ausüben will. Witt, der seine Homosexualität offen lebt, sagte, es werde auch im politischen Alltag immer schwerer. Verbale und moralische Grenzen verschwänden. Ein Schlüsselerlebnis sei für ihn gewesen, dass seine Mutter ihm morgens eine Whatsapp-Nachricht geschickt habe: "Heute ist es nicht so schlimm, was in der Zeitung steht." Wenn er aufhört, war er zehn Jahre im Amt.
Bankkaufmann, Zeitungsredakteur, Oberbürgermeister
2015 wurde der gebürtige Neustrelitzer ins Amt gewählt. In schwierigen Zeiten erwies sich seine Vita als hilfreich: Er ist quasi ein Mann vom Fach. Nach dem Abitur machte Witt bei der Sparkasse Mecklenburg-Strelitz eine Ausbildung zum Bankkaufmann, danach studierte er internationales Handelsmanagement. Der Diplom-Betriebswirt arbeitete schließlich als Zeitungsredakteur. Zuletzt betrieb er eine Kommunikationsagentur. Keine schlechten Voraussetzungen für einen Oberbürgermeister.
Am Freitag demonstrierten rund 200 Menschen friedlich am Bahnhof – mit zahlreichen Regenbogenfahnen.
Weitere Oberbürgermeisterin gibt auf
Erst kürzlich kündigte die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, Jutta Steinruck, an, sie wolle keine zweite Amtszeit mehr. Mit ihrer Begründung spricht sie vielen Kommunalpolitikern aus dem Herzen. Ihre Kritik geht an Bund und Länder. Ein Grund, nicht mehr für weitere acht Jahre zu kandidieren, sind auch Hass, Drohungen und Hetze im Netz und auf der Straße. Ihren angekündigten Rückzug will sie als Hilferuf verstanden wissen.
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