große Rathäuser (hier Baden-Baden) sind ein Auslaufmodell: Das Rathaus der Zukunft ist klein, digital und mobil - Tiny Rathaus als Zukunftsmodell
große Rathäuser (hier Baden-Baden) sind ein Auslaufmodell: Das Rathaus der Zukunft ist klein, digital und mobil - Tiny Rathaus als Zukunftsmodell
© imago

Digitalisierung

Rathaus von Morgen: Die Rollende Stadt im Tiny-Format

Rollende Rathäuser können analoge und digitale Welt zusammenbringen. „Eine Stadt probiert es aus und liefert die Blaupause für andere Kommunen“, meint Franz-Reinhard Habbel.

In vielen deutschen Städten und Gemeinden finden wir ein altehrwürdiges Rathaus. Diese Gebäude verkörpern nicht zuletzt den Stolz ihrer Bürgerinnen und Bürger, zeugen von der wirtschaftlichen Kraft der Kommune. Wir alle kennen das Rathaus in München, Berlin, Brilon, Bremen oder Paderborn. Es sind historische Gebäude mit großer Tradition, aber auch mit Weitsicht, wie sich ein Gemeinwesen entwickelt. Heute werden neue Rathäuser, bis auf bemerkenswerte Ausnahmen, weitgehend als Funktionsbauten errichtet. Sie prägen nicht mehr das Stadtbild, sind selten Anziehungspunkte für offene Kommunikation. Architektonische Wettbewerbe sind heute bei kommunalen Bauten rückläufig. Die Zahl der Wettbewerbe für Rathäuser liegt bei jährlich ca. 15. Effizienz rückt in den Vordergrund, selten werden neue Rathäuser heute als Ort der Begegnung oder Stolz der Bürgerschaft gesehen.

Das Rathaus der Zukunft

Die Covid19-Pandemie hat nicht nur die mobile Arbeit verstärkt, das Rathaus als solches stellt sich neu auf. Es kommt zu den Menschen. Um Feedback von Bürgern zu erhalten, mehr Teilhabe zu ermöglichen, gibt es die ersten Tiny Rathäuser. Die Akteure wollen mit der Bevölkerung auf Augenhöhe kommunizieren und probieren neue Raumstrukturen aus. Es braucht Räume für Gesprächskultur und Handlungsmut. Erste Tests wurden in Schleswig-Holstein gemacht, in dem ein Bürowagen auf einer öffentlichen Fläche mitten in der Stadt temporär aufgestellt wird. „Einfach mal ausprobieren“, heißt die Devise. Raum, Funktion und Kultur verstehen sich als Motoren der Veränderung. So entwickelte eine Akteursgruppe mit der Stadt Kiel ein partizipatives Werkzeug für eine zukunftsorientierte Stadtverwaltung. Mit dem Tiny Rathaus wird ein mobiler Raum zwischen Stadtgesellschaft und Stadtverwaltung geschaffen, um gemeinsam neue Wege, Lösungen und Angebote für eine komplexe Welt zu finden. Dort können Dinge ausprobiert und auch Fehler gemacht werden. Um Erfahrungen zu sammeln, gehen die Akteure auch in kleinere Städte. Von Juni bis Oktober ist der Bauwagen in verschiedenen Kommunen in der Region auf der Straße zu finden.

Das digitale Rathaus der Zukunft

Auch wenn Deutschland beim E-Government noch erheblichen Nachholbedarf hat, werden sich perspektivisch immer mehr Verwaltungsdienstleistungen digital abwickeln lassen. Das ist richtig und sinnvoll, wer will schon eine Wartemarke ziehen und in einem Zimmer auf seinen Aufruf warten. Die Zeit wird kommen, wo alle Leistungen der Verwaltung (vielleicht bis auf die Eheschließung und Ehescheidung wie in Estland) digital ablaufen. Um so wichtiger ist es, reale Orte der Begegnung zu schaffen, um die Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern bei der Gestaltung und Entwicklung der Städte und Gemeinden auf neuen Wegen zu intensivieren. Das Rollende Rathaus kann einen wichtigen Beitrag zu einer offenen und mobilen Gesellschaft leisten und die lokale Demokratie stärken.