Es fehlen Freiwillige
Pflichtfeuerwehr – Ein unvermeidbares Übel?
Feuerwehrleute tun wichtige Arbeit und einen unverzichtbaren Dienst an der Gemeinschaft. Doch nicht jeder ist dafür geeignet, Feuer zu löschen, Gaslecks zu finden, Unfallopfer zu bergen oder Bäume von Straßen zu räumen. Und nicht jeder schafft es sich die nötige Zeit zu nehmen. Freiwillige Feuerwehren in ganz Deutschland leiden darunter. Mitgliederschwund bedeutet im schlimmsten Fall, dass eine Kommune den Brandschutz nicht mehr gewährleisten kann. Der letzte Ausweg ist eine Pflichtfeuerwehr. Doch die ist sehr umstritten.
Fehlt Pflichtfeuerwehrleuten die Motivation?
In Hessen haben in den letzten Jahren mehrere Kommunen an einer Pflichtfeuerwehr überlegt. Der dortige Feuerwehrverband hat sich allerdings deutlich gegen diesen Schritt ausgesprochen: Pflichtfeuerwehrleute brächten nicht die nötige Motivation mit und seien der Aufgabe häufig nicht gewachsen. Sicherheit könne so nicht gewährleistet werden. In Schleswig-Holstein dagegen gibt es vier Kommunen, die eine Pflichtfeuerwehr eingerichtet haben. Das Ostseebad Grömitz kam in diesem Jahr unter großer medialer Aufmerksamkeit als letzte hinzu. In den Medien äußerten Betroffene Unmut über ihren Pflichtdienst und Experten warnten vor Feuerwehrleuten mit wenig Einsatzbereitschaft. Doch welche Alternative blieb der Gemeinde Grömitz? „Bei meinem Amtsantritt 2011 hatten wir unter 150 Feuerwehrleute. Der Feuerwehrbedarfsplan sah mindestens 208 vor“, erzählt Grömitz‘ Bürgermeister Mark Burmeister. „Eine Ortswehr lag bei weniger als der Hälfte der vorgeschriebenen Truppenstärke.“
Um mehr Bürger für den Feuerwehrdienst zu begeistern, sind die Ortswehren und der Bürgermeister aktiv geworden. Es gab regelmäßige Feuerwehrübungsabende in Neubaugebieten, auf Veranstaltungen wurde Werbung gemacht und Feuerwehrleute und Bürgermeister führten hunderte Einzelgespräche. Darüber hinaus veranstaltet Grömitz schon seit 2009 den Tag der Feuerwehr. Wehren aus ganz Norddeutschland treffen sich dann auf der Strandpromenade. „Wir konnten einige neue Freiwillige mobilisieren“, so Burmeister. „Aber unterm Strich war es trotzdem nie genug.“ 2017 begann die Gemeindevertretung dann über eine Pflichtfeuerwehr nachzudenken. „Wir haben uns mit Kommunen in Kontakt gesetzt, die bereits eine Pflichtfeuerwehr haben“, erzählt Burmeister. Neben Grömitz sind das in Schleswig-Holstein List, Burg und Friedrichstadt. „Uns wurde schnell klar, dass wir eine Pflichtfeuerwehr neben der bestehenden Freiwilligen Feuerwehr aufbauen werden“, sagt Burmeister. Kommunen in Schleswig-Holstein können sich entscheiden, ob sie die Freiwillige Feuerwehr in eine Pflichtfeuerwehr überführen oder ob sie eine Pflichtfeuerwehr neben der bestehenden Freiwilligen Feuerwehr installieren. Den Entscheidungsprozess hat die Kommune mit dem Innenministerium, dem Kreis und dem Landesfeuerwehrverband abgestimmt. Im Dezember 2018 stimmte die Gemeindevertretung dann geschlossen der Einrichtung von sechs Pflichtfeuerwehren zu.
Wenige geeignete Kandidaten
Die Auswahl der potentiellen Kandidaten zeigte dem Bürgermeister ein größeres Problem: In manchen Dorfschaften ließen sich kaum geeignete Bürger finden. „Das Gesetz sieht vor, dass wir jeden verpflichten können, der zwischen 18 und 60 Jahre alt ist“, erklärt Burmeister. „Wir haben aber verschiedene Gruppen ausgeklammert. Zum Beispiel Alleinerziehende, weil der Dienst für sie eine zu hohe zeitliche Belastung bedeutet.“ In diesem Frühjahr wurden dann nur 35 Grömitzer zu Anhörungsverfahren einberufen. Nach den Gesprächen befanden Feuerwehr und Bürgermeister 14 von ihnen für tauglich. Sie bekamen die entsprechenden Bescheide zugesandt. Die Hälfte von ihnen hat Einspruch eingelegt, die Verfahren laufen teils noch. Die andere Hälfte macht derzeit ihre einjährige Truppenausbildung.
„Eine Pflichtfeuerwehr einzurichten ist für keine Kommune schön“, sagt Burmeister. „Pflichtfeuerwehrdienst ist ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und das will man natürlich vermeiden. Aber den Brandschutz zu gewährleisten ist unsere Pflicht und unser Wunsch.“ Eine Entwicklung in dem langen Prozess hat den Bürgermeister allerdings gefreut: „Durch die mediale Aufmerksamkeit, die die Pflichtfeuerwehr bekommen hat, haben viele Grömitzer erst verstanden, wie ernst die Situation ist. Im letzten Jahr kamen fast 50 Bürger auf uns zu und boten sich als Freiwillige Feuerwehrleute an. Die wollten einfach helfen.“ Jetzt ist die Feuerwehr fast wieder bei der Truppenstärke, die sie laut Bedarfsplan benötigt. In trockenen Tüchern ist die Situation deshalb aber noch nicht. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige nicht durchhalten werden“, sagt Burmeister. „Oft merken Freiwillige während ihrer Truppenausbildung, dass sie die Arbeit nicht schaffen und hören wieder auf. Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie sich das im nächsten Jahr entwickelt.“