Öffentlicher Nahverkehr in der Simulation
Das erste 3D-Modell der unterirdischen Haltestelle Offenbach-Marktplatz
© Julian Schwarze/HfG Offenbach

Verkehrswende

Der öffentliche Nahverkehr der Zukunft

Die Zukunft der Mobilität soll umweltfreundlich, leistungsstark, barrierefrei und öffentlich sein. Daran arbeitet die Stadt Offenbach am Main zusammen mit der Hochschule für Gestaltung (HfG). Projektkoordinator Kai Vöckler zeigt sich davon überzeugt, dass Funktionalität und Leistungsfähigkeit nicht allein über Erfolg oder Misserfolg der Mobilität der Zukunft entscheiden wird. Deshalb nimmt dieses Forschungsprojekt speziell die gestalterischen Elemente der Verkehrswende ins Visier.

In Offenbach am Main hat man die Zukunft fest im Blick: ein kommunales, intermodales Mobilitätssystem soll den klimaschädlichen und Ressourcen verschwendenden Individualverkehr in absehbarer Zeit weitgehend überflüssig machen. Ziel ist es, Fußwege, Radwege, Öffentlicher Nahverkehr und Pkw-Sharing ineinander zu verzahnen. Das Ergebnis soll ein möglichst reibungslos fließender, umweltfreundlicher und barrierefreier Verkehrsstrom sein.

Um diese Vision umzusetzen, kooperieren die Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenburg und die Stadt. 45 Kommunen hatten sich mit Strategiepapieren um einen Platz unter jenen 14 Kommunen beworben, die für die dreijährige Projektphase II - Planung, Umsetzung und Erprobung - ausgewählt wurden. Offenbach setzte sich durch. Für beide Projektphasen stehen der Stadt nun knapp 1 Millionen Euro zur Verfügung.  Gefördert wird das Projekt über die MobilitätsWerkStadt 2025 des Bundesforschungsministeriums. Die dabei gesammelten Erfahrungen sollen anderen Kommunen zugutekommen.

Zu wenig im Fokus: das System-Design

Die organisatorische und die planerische Ebene haben natürlich alle Kommunen im Blick, die Ernst machen wollen mit der Wende im Verkehrssektor. Weniger beachtet werden hingegen die Aspekte Architektur und Design, sagt Kai Vöckler. Zu Unrecht, findet er.  Der Stiftungsprofessor an der HfG Offenbach ist Projektkoordinator von "InterMoDe - Gestaltung des kommunalen intermodalen Mobilitätssystems".

Der Experte betont: "Es ist nicht nebensächlich, wie sich der Kunde, die Kundin im öffentlichen Raum fühlt. Wer sich am Bahngleis auf einem Holzstuhl niederlässt, fühlt sich mehr wertgeschätzt, als wenn er oder sie auf einem Eisengeflecht oder auf einem schäbigen Plastiksitz Platz nehmen muss. Die Automobilbranche hat längst begriffen: Entscheidend für den Kauf ist nicht die Motorleistung, sondern der Wohlfühlfaktor und  Identifikationscharakter." Eine Erkenntnis, die viele kommunale Entscheidungsträger so noch gar nicht auf dem Schirm hätten.  

Offenbach: alle Stakeholder an einem Tisch

"Wir waren uns schnell einig, dass schon frühzeitig, also in ersten Projektphase, alle relevanten Stakeholder - etwa Deutsche Bahn, der Regionalverband, kommunale Betriebe, Wirtschaft, die IHK sowie Bürgerinitiativen - mit an den Tisch gehören", sagt  Kai Vöckler.

Forschungsprojekt Offenbach: Hier sitzen alle an einem Tisch

Den Verkehr richtig takten

Ob es gelingen kann, immer mehr Menschen aus dem Auto und in gemeinschaftlich genutzte Verkehrsangebote zu bekommen, wird sich laut Kai Vöckler auch an den sogenannten Verknüpfungspunkten entscheiden: Wer beim Umstieg von einem Verkehrsmittel auf ein anderes lange Wartezeiten in Kauf nehmen muss, sich in den bereitgestellten Informationen zur Weiterfahrt nicht zurechtfindet oder den Überblick über seine Wahlmöglichkeiten verliert - dürfte sich dann doch eher für die Nutzung des eigenen PKW entscheiden.

Und noch etwas ist wichtig für Kommunen bei der Planung: "Die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum dürfte ein mitentscheidender Faktor für das Gelingen der Verkehrswende sein", erklärt der Urban-Design-Experte. "Menschen müssen bereits vor ihrem Hause das Gefühl bekommen, Teil einer neuen Mobilität zu sein, die zu ihm spricht. Für eine solche Entwicklung müssen Kommunen das Rad aber nicht neu erfinden", unterstreicht er und verweist auf weltweite Projekte, in denen dies bereits umgesetzt sei. Amsterdam sei dafür ein gutes Beispiel.  

Für alle Kommunen nutzbar: Leitfaden 

Weiter geht das Forschungsprojekt jetzt erst einmal mit der Erstellung einer Verkehrssystemdatenbank, die für Offenbach intermodale Schnittstellen ausweist. In einem zweiten Schritt werden dann auf der Grundlage von Geoinformationskartierungen Mobilitätsszenarien entwickelt und in einem Virtual-Reality-Lab in 2D und 3D visualisiert, getestet und ausgewertet. Praxispartner und Zivilgesellschaft erhalten anschließend die Möglichkeit, das Verkehrssystem in Reallaboren zu testen.

Der Prozess soll im Sommer 2024 in Gestaltungsleitlinien für ein intermodales Mobilitätssystem münden, die von allen deutschen Kommunen zum Aufbau eines umweltfreundlichen, barrierefreien und leistungsstarken öffentlichen Verkehrssystems genutzt werden können. Das Ziel: Ein Verkehrssystem, so Vöckler, das Nutzerinnen und Nutzern das Gefühl gebe, auf einer "Welle zu surfen".
 

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