Wildtiere in der Stadt - Was können Kommunen gegen die Tauben machen?
Viele Menschen ekeln sich vor den Vögeln
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Nicht Streicheln, nicht füttern!

Sie sind der Stadtfeind Nummer eins – die Ratten der Lüfte. Zumindest gefühlt werden es immer mehr Tauben. Und das trotz Fütterungsverboten und zahlreichen anderen Maßnahmen. Was tun gegen Wildtiere in Deutschlands Städten? KOMMUNAL auf der Suche nach Antworten in deutschen Kommunen.

Bei zahlreichen Wildtieren gehört es eigentlich schon zur Allgemeinbildung, dass deren Fütterung unerwünscht ist. Die Stadttauben zum Beispiel, die zu hunderttausenden Deutschlands Städte bevölkern, und deren Kot schon zu unermesslichen Schäden auf Fensterbrettern, Denkmälern oder Parkbänken geführt hat. Immer wieder werden Konzepte erprobt, wie Städte der Taubenplage Herr werden können: In Frankfurt am Main beispielsweise hat eine Bürgerinitiative Taubenschläge aufgestellt. Legen die Tiere darin Eier, werden sie durch Gipseier ersetzt. Solch ein Vorgehen empfiehlt im Übrigen auch der Deutsche Tierschutzbund. „Unser Eindruck ist, dass Versuche, die Tauben zu vergrämen oder mit Falken und anderen Greifvögeln zu bekämpfen, die Situation nicht nachhaltig entschärft“, sagt der Referent für Artenschutz dieser bundesweiten Organisation, James Brückner. An manchen Brennpunkten könne man mit baulichen Maßnahmen agieren, und dem Federvieh das Leben schwer machen.

„Am sinnvollsten sind aber betreute Taubenschläge“, sagt Brückner. Wie in Frankfurt würden die Tiere dort durchgehend mit artgerechtem Futter versorgt. Dadurch gebe es in den Städten dann gesündere Vögel, die auch nicht überall nach Nahrung suchten. „Man kontrolliert den Aufenthalt der Tiere besser und hat den Kot an einer Stelle“, schildert er den Vorteil städtischer Taubenhäuser. Und man könne die Eier der Vögel problemlos gegen Attrapppen austauschen. „Natürlich muss die Kommune dafür etwas Geld in die Hand nehmen“, erklärt der Tierschützer.. „Aber der Erfolg macht sich schnell bezahlt.“ Oft sind Ehrenamtliche bereit sein, die Taubenhäuser zu betreuen. „Wichtig ist allerdings, dass man sich vorher genau Gedanken darüber macht, wo so ein Taubenhaus auch Sinn macht“, so der Experte.

Wilde Tiere: Wie sollten Kommunen damit umgehen?

Kommunale Verwaltungen haben im Umgang mit wilden Tieren in der Stadt aus Sicht des Tierschützers hingegen in erster Linie die Aufgabe, den Bürger aufzuklären. Denn oft könne man nur Ärger mit Waschbären, Mardern, Wildschweinen und Füchsen vermeiden, wenn man nachhaltig Dinge vermeidet. „Da gehört natürlich das Füttern dazu“, sagt Brückner. „Das sollte man auch unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes vermeiden – denn es macht die Tiere krank und sorgt dafür, dass manche Tiere unter Umständen auch aufdringlich werden.“ Neben Faltblättern könnten aber auch Informationsveranstaltungen eine gute Idee sein, etwa für Gartenbesitzer. Denn gegen Wildschweinschäden im Gemüsebeet helfen keine Versicherungen. Hier seien die Grundstückseigentümer selbst in der Pflicht, ihren Garten wildschweinsicher zu machen. „Die Städte und Gemeinden können das ihren Bürgern nicht abnehmen. Aber sie können sie dabei unterstützen und beraten.“ Die Menschen benötigten zum Beispiel in den Ordnungsämtern Ansprechpartner, die kompetent sind und ihnen erklären können, dass man vor manchen Tieren auch keine Angst haben muss. Und vor allem müssten sie um Nachhaltigkeit werben, ist Brückner überzeugt. „Den Marder, der meinen Dachboden unsicher macht, den kann ich wegfangen – das bringt aber nichts, wenn ich nicht anschließend mein Haus mardersicher mache.“ Denn sonst ist schon nach wenigen Wochen schlicht ein neuer Artgenosse auf dem Dachboden aktiv.

Wildtiere in der Stadt? Kann man da wirklich was gegen machen?

Doch es gibt auch deutlich exotischere Tiere, die sich inzwischen in Deutschlands Städten breit machen. In Berlin etwa könnte bald der „Sumpfkrebsburger“ auf den Speisekarten der örtlichen Schnellimbisse stehen. Und das aus heimischer Produktion: Denn der amerikanische Sumpfkrebs, ein bislang nur Freunden eines gepflegten Heimaquariums bekanntes Krustentier, besiedelt die Gewässer der deutschen Hauptstadt. Im Tiergarten ebenso wie dem Park der Bundesgartenschau von 1985, dem Britzer Garten im Stadtbezirk Neukölln, fühlen sich die Scherentiere heimisch. Doch weil sie da nicht hingehören, werden sie von einem Fischereibetrieb gezielt gejagt.

Bekannter als der Sumpfkrebs ist den zuständigen Behörden in Deutschlands Kommunen der Waschbär. Einst aus Pelztierfarmen entkommen, besiedelt er heute Deutschlands Städte. Anfang der 2000er Jahre wurde einmal eine wissenschaftliche Studie über das Vorkommen in Kassel durchgeführt. Das erschreckende Ergebnis: Auf einer drei Quadratkilometer großen Fläche fand man 150 Tiere. Zerstörte Gärten, aber auch Gebäudeschäden zeugen von ihrem Werk. Viel gegen die Tiere unternehmen kann man nicht: Dachböden abdichten, Stromdrähte legen, aber vor allem kein Futter anbieten. „Dass sich wilde Tiere im urbanen Raum vermehren, hängt immer mit dem Nahrungsangebot zusammen“, sagt Hans-Jürgen Zschuppe. Der Berliner ist Stadtjäger: Er darf auch in befriedeten Bezirken zur Jagd auf Wildschweine gehen, etwa wenn eine Rotte Sauen einen Garten umgräbt. „Tiere finden im urbanen Raum ein hervorragendes Nahrungsangebot – nicht umsonst gilt Berlin ja auch als Hauptstadt der Füchse.“ Gegen die Wildtiere ist dagegen kaum ein Kraut gewachsen. „In einer Stadt kann keine Jagd im üblichen Sinne durchgeführt werden“, sagt Zschuppe. „Das klassische Ziel der Bestandsreduzierung ist kaum möglich.“

Tiere in der Stadt: Ist Jagen sinnvoll?

Denn Städte verfügten heutzutage über große Parks, weitläufige Friedhofsanlagen, zahlreiche in die Stadt hineinführende Bahnstrecken und Rückzugsgebiete rund um Wasserflächen. Was einerseits den Lebensstandard der Menschen anheben und die Frischluftzufuhr einer Stadt verbessern soll, nutzt andererseits auch Vierbeinern und Geflügel. In den grünen Lungen einer Stadt finden sich Wildtiere immer zurecht. Die Stadt Kassel hat den Kampf gegen die Waschbären dann auch mehr oder weniger aufgegeben. Eine nachhaltige Bejagung der Tiere sei „technisch schwierig“, heißt es in einer städtischen Broschüre. „Zudem werden Verluste durch eine Bejagung durch eine erhöhte Reproduktion gut ausgeglichen.“ Deshalb könne eine Bejagung sogar kontraproduktiv sein. „Es wird also auch künftig eine beträchtliche Anzahl von Waschbären in jedem Fall in unserer Stadt ihr Auskommen finden.“

Es kommt vor allem auf die Bürger an...

Tatsächlich kommt es beim Umgang mit den Tieren wohl in erster Linie auf das Verhalten der Bürger an. Stadtjäger Zschuppe etwa erinnert an den Zustand der öffentlichen Grünanlagen an einem ganz normalen Sommerwochenende: Grillabfälle und Picknickreste in Hülle und Fülle sind ein Eldorado für alles, was vier Beine hat, von der Ratte bis zum Fuchs. „Müllvermeidung spielt ganz sicher eine wichtige Rolle“, meint der Jäger. „Auch Wildschweine wissen mittlerweile sehr genau, wo die Pizzeria ist.“ Essbare Abfälle gehörten in keinem Fall in der Landschaft entsorgt, schon um sich vor der immer weiter nach Europa vordringenden Afrikanischen Schweinepest zu schützen.

In Kassel gibt es deswegen mittlerweile abschließbare Mülltonnen, um zu vermeiden, dass sich die Pelztiere selbst bedienen. Gelbe Säcke sollten am Besten in verschließbaren Boxen an den Straßenrand gestellt werden, empfiehlt die Stadt in ihrer Broschüre. Und hochwertige Lebensmittelreste sollten auch nicht mehr auf den Kompost geworfen werden. Haustiere sollten nicht mehr im Garten gefüttert und Katzenklappen des Nachts verschlossen werden.