Ampel-Bruch
Neuwahlen: Das erwarten jetzt die Kommunen
Aktualisiert am 13.11.2024
Aller Voraussicht nach wird es am 23. Februar 2025 vorgezogene Neuwahlen in Deutschland geben. Die reguläre Bundestagswahl war für 28. September nächsten Jahres geplant. Ein Neustart steht also bevor. KOMMUNAL hat nachgefragt, welche Erwartungen an die Neuwahlen geknüpft werden.
Landkreistags-Präsident: "Kommunen brauchen größeren Anteil an der Umsatzsteuer"
Der Präsident des Deutschen Landkreistages und Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, Achim Brötel, begrüßte die nun doch früheren Neuwahlen." Angesichts der riesigen Herausforderungen, vor denen wir in vielen Bereichen stehen, ist jetzt eine schnelle Rückkehr auf ein stabiles und solides Fundament dringend erforderlich", sagte er. Berlin müsse endlich bereit sein, sich endlich ehrlich zu machen. Wie bisher könne es nicht weitergehen. "Schon jetzt ist doch vieles von dem, was der Bundesgesetzgeber in den letzten Jahren beschlossen hat, in dieser Form überhaupt nicht mehr leistbar - nicht personell und auch nicht finanziell. Die Kreisfinanzen sind bundesweit im freien Fall." Es müsse jetzt schnell gelingen, die kommunalen Finanzen auch durch konsequentes und überfälliges Handeln des Bundes wieder auf ein solides Fundament zu stellen. "Dazu brauchen wir dann aber zwingend einen größeren Anteil der kommunalen Ebene an der Umsatzsteuer. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass ist ein Modell, das so einfach nicht funktioniert“, mahnt der Präsident des Landkreistages, der die ungelösten Probleme der Kommunen als Landrat sehr genau kennt.
Ortsbürgermeisterin: Wir brauchen mehr Planungssicherheit
"Bei Neuwahlen zählt nicht der Wahltermin für mich, sondern das Ergebnis", sagt Elfi Schmitt-Sieben, Ortsbürgermeisterin von Vendersheim in Rheinland-Pfalz. "Wir brauchen eine Regierung, die auch den Mut hat, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Ich hoffe darauf, dass wir mehr Planungssicherheit bekommen, dass nicht wöchentlich neue Schnellschüsse passieren und dass wir nicht ständig neue Aufgaben ohne die nötige Finanzausstattung aufgebürdet bekommen. Allerdings kann ich nicht sagen, dass ich mir das von einer neuen Regierung verspreche."
Berghegger: Investitionspaket für Kommunen
"Die politischen Veränderungen in Berlin und den USA bedeuten einen Umbruch. Gerade das Aus der Ampel-Koalition sorgt für Ungewissheit in politisch schwierigen Zeiten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Andre Berghegger. "Unsere Städte und Gemeinden können maßgeblich dazu beitragen, einen Neustart für unser Land und eine Aufbruchstimmung zu erzeugen." Dazu bräuchte es aber ein klares Bekenntnis und die staatspolitische Verantwortung aller demokratischen politischen Kräfte in Berlin, dass sie die Kommunen stärken wollen, so Berghegger in der Rheinischen Post. "Wir erwarten vom Bund, dass er jetzt die Weichen stellt, um die Kommunen besser auszustatten und deutlich mehr Investitionen zu ermöglichen." Dazu brauche man noch in diesem Jahr einen breiten politischen Konsens für ein Investitionspaket über mehrere Jahre.
Ehren-Geschäftsführer des DStGB: Schuldenbremse reformieren
Das Ampel-Aus sollte für eine Reform der Schuldenbremse genutzt werden, fordert Gerd Landsberg, Ehren-Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. "Notwendig ist eine ehrliche, zukunftsweisende Agenda 2030", sagte Landsberg. Zu dem notwendigen Reformpaket gehört ein Investitionspakt für die Kommunen, ohne komplizierte Förderbestimmungen. Es geht um Schulen, Kitas, Verkehrswege, Klimaschutz –, und Klimaanpassungsmaßnahmen." Weitere Großprojekte wären eine Föderalismusreform, mit fairer Steuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, der Festschreibung der Konnexität zwischen Bund und Kommunen, auch im Hinblick auf bereits bestehende Gesetze, wenn das Leistungsniveau zu lasten der Städte und Gemeinden erhöht wird. Eine neue Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz und Klimaanpassung sollte in Artikel 91a verankert werden, schlägt Landsberg vor.
Unverzichtbar bleibe auch ein Neustart in der Migration. Das sollte durch ein neues Migrationsgesetzbuch mit der klaren Zielsetzung: steuern, ordnen und begrenzen, auf den Weg gebracht werden. Eine Sozialreform müsse den ständigen ungebremsten Aufwuchs der Kosten bremsen. Auch sei eine Steuerreform, die das System vereinfacht, transparent gestaltet, Steuerschlupflöcher und die Zahl der unterschiedlichen Umsatzsteuersätze deutlich reduziert, notwendig. "In einem Kraftakt brauchen wir einen echten Schub für die Digitalisierung der Verwaltungen aller staatlichen Ebenen und die Förderung von entsprechenden Innovationen", so Landsberg.
IW-Direktor: Notlagenklausel für Schuldenbremse ziehen
Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, fordert: Was Deutschland bis zum Jahresende benötige, seien Instrumente, die die Wirtschaft kurzfristig stabilisieren. "Die Vorschläge des Bundeskanzlers, darunter die überfällige Reform der Netzentgelte, eine Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten auf Investitionen und ein – freilich ordnungspolitisch sauberes – Paket für die angeschlagene Autoindustrie, sind richtig", so der IW-Direktor.
Die Wiederwahl von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen habe die sicherheitspolitischen Dringlichkeiten noch erhöht: "Deutschland muss mehr für die Ukraine und die eigene Verteidigungsfähigkeit tun", forderte Hüther. "Dafür muss das Bundeswehr-Sondervermögen noch in dieser Legislaturperiode deutlich – etwa auf 300 Milliarden Euro – aufgestockt werden, schon weil zu befürchten ist, dass im nächsten Deutschen Bundestag eine Sperrminorität populistischer Parteien bestehen könnte. Dann wäre Deutschland sicherheitspolitisch handlungsunfähig." Die Ukrainehilfe jetzt angesichts der Wiederwahl von Donald Trump deutlich aufzustocken – um 20 Milliarden Euro – rechtfertige allemal, wie es die Bundesregierung selbst vorgesehen hatte, die Notlagenklausel der Schuldenbremse zu ziehen, meint Hüther.