Mobilität hängt in Deutschland weiter stark vom Auto ab - Radfahren ist nur für eine kleine Minderheit attraktiv, zeigt eine neue Umfrage. Auch der ÖPNV ist nicht mehrheitsfähig
Mobilität hängt in Deutschland weiter stark vom Auto ab - Radfahren ist nur für eine kleine Minderheit attraktiv, zeigt eine neue Umfrage. Auch der ÖPNV ist nicht mehrheitsfähig
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Forsa-Aktuell

Mobilität: Auto laut Umfrage weiter unverzichtbar - schlechte Bewertung für den ÖPNV

Gerade mal jeder Vierte Deutsche benutzt mehr oder weniger häufig ein Fahrrad oder ein E-Bike. Das ist ein Ergebnis der jüngsten Forsa-Umfrage zur Mobilität. Das Auto bleibt demnach unverzichtbares Fortbewegungsmittel. Vor allem in ländlichen Regionen werden häufig sogar zwei Fahrzeuge benötigt. Der ÖPNV schneidet ebenfalls sehr schlecht ab, einzig in den Großstädten nutzt ihn mehr als ein Drittel der Bürger. Unterm Strich gibt die Studie spannende Hinweise für alle Verkehrsplaner in den Kommunen.

Die Mobilität ist in Deutschland weiter stark abhängig vom Auto. Das ergibt eine neue Forsa-Umfrage. Zwei von drei Deutschen nutzen das Auto regelmässig. Je kleiner der Ort ist, desto mehr Autos sind in einem Haushalt vorhanden. Lediglich in Großstädten mit mehr als einer halben Million Einwohner kann sich rund ein Drittel der Befragten vorstellen, komplett auf ein Auto zu verzichten. Interessant ist, dass sich die Werte auch durch die Corona-Pandemie der vergangenen beiden Jahre kaum verändert hat. Spannend ist derweil, dass das Fahrrad weiterhin nur eine kleine Gruppe in Deutschland nutzt. Die Mehrheit der Bürger fährt praktisch nie mit dem Rad, wie die Umfrage ergab. Und das, obwohl der Wert seit der Corona-Pandemie zumindest etwas angestiegen ist. Immerhin jeder fünfte gab in der Umfrage an, seit der Pandemie häufiger Rad zu fahren. Und trotzdem bleiben die Werte der regelmässigen Radfahrer im Keller. Die Gründe geben dabei wichtige Hinweise auch für Verkehrsplaner in den Kommunen. 

Fahrrad ist für die große Mehrheit kein attraktives Fortbewegungsmittel 

Gerade mal jeder Vierte Deutsche nutzt mehr oder weniger regelmässig das Fahrrad als Fortbewegungsmittel. Jeder Neunte Deutsche fährt nach eigenen Angaben regelmässig mit dem Rad oder dem E-Bike. Die große Mehrheit von fast 60 Prozent nutzt das Rad hingegen sehr selten oder nie. Einzig in der Gruppe der unter 30-Jährigen nutzt immerhin jeder Dritte das Rad mehr oder weniger regelmässig. In dieser Gruppe ist die Zahl der Nutzer des ÖPNV ebenfalls deutlich höher. Als Grund zeichnet sich ab, dass viele sehr junge Menschen, die noch zur Schule gehen oder eine Ausbildung oder ein Studium machen, sich kein Auto leisten können oder wollen. 

Zu denken geben sollte Verkehrsplanern jedoch auch, warum die große Mehrheit nicht auf das Fahrrad umsteigt. Denn Forsa hat auch gefragt, ob sich die Bürger bei anderen Rahmenbedingungen - etwa mehr Radwegen, größerer Verkehrssicherheit etc. vorstellen könnten, das Fahrrad häufiger zu nutzen. Die Zahlen sind ernüchternd. Die Mehrheit der Deutschen sagt, sie würde auch künftig ungerne das Rad häufiger nutzen. Vor allem Frauen sind mehrheitlich keine begeisterten Radler. Und in kleinen Orten mit weniger als 5000 Einwohnern sagen sogar 60 Prozent aller Befragten, dass für sie ein Umstieg aufs Rad oder auch das E-Bike keine Option sei. In Großstädten mit über 500.000 Einwohnern liegt dieser Wert bei 54 Prozent. In den mittelgroßen Städten um 49 Prozent. 

Wir brauchen eine ideologiefreie Verkehrspolitik

Alexander Otto, Stiftung Lebendige Stadt

Schaut man auf die Altersklassen, so gibt es für Radfans immerhin bei den Jüngeren ein wenig Hoffnung. Bei den unter 45 Jährigen geben überdurchschnittlich viele Menschen an, bei entsprechenden Rahmenbedingungen gerne häufiger das Rad oder das E-Bike nutzen zu wollen.

Die Gründe, warum nicht mehr mit dem Fahrrad gefahren wird, sind ebenfalls eindeutig. Als Hauptgrund nennt die Mehrheit der Befragten das Wetter, gefolgt von "Die Entfernungen sind zu groß" und immerhin 39 Prozent nennen auch fehlende Radwege als einen Grund. Es folgen die Aussagen, dass "andere Verkehrsmittel schneller und komfortabler" sind. Die eigene Fitness oder Gesundheit geben hingegen "nur" 17 Prozent als Grund an.

Auch der ÖPNV schneidet bei der Mobilität schlecht ab - aber aus ganz anderen Gründen

Auch Bus und Bahn sind in Deutschland weiterhin nicht mehrheitsfähig. Zwei von Drei Deutschen nutzen den ÖPNV selten oder nie. Nur jeder Sechste gab in der Umfrage an, den ÖPNV mehr oder weniger regelmässig zu nutzen. Auffallend aber wohl wenig erstaunlich ist hier, dass die Werte in den Großstädten deutlich höher liegen als auf dem Land.  

Die Gründe für die schlechten Nutzungswerte des ÖPNV liegen aber vor allem in der Qualität. Forsa hat die Befragten gebeten, für verschiedene Aspekte des ÖPNV Schulnoten von 1-6 (sehr gut bis ungenügend) zu verteilen. Besonders deutlich sind die Schulnoten in kleineren Orten mit unter 5000 Einwohnern ausgefallen. Die Taktung erhielt die Schulnote 5, Service und Erreichbarkeit wurden immerhin mit einer vier beurteilt. Deutlich besser die Werte in den Großstädten mit mehr als 500.000 Einwohnern. Hier bekommt die Taktung die Gesamtnote befriedigend, Service und Erreichbarkeit werden mit "gut" benotet. Zwei von Drei Befragten kritisieren aber auch die Preise für den ÖPNV. 65 Prozent nennen eine höhere Taktung von Bussen und Bahnen und 59 Prozent bessere Anschlussverbindungen als Voraussetzung dafür, dass sie auf den ÖPNV umsteigen würden. 

Für den Auftraggeber der Studie, der Stiftung Lebenswerte Stadt, ein klarer Fingerzeig, dass die Mobilitätswende nicht nur aus Sicht der Großstädte geplant werden darf. "Wenn Oberzentren und Innenstädte auch weiterhin ihre Versorgungsfunktion für Menschen aus kleineren Orten und dem ländlichen Raum erfüllen sollen, müssen sie entweder mit dem Auto erreichbar bleiben oder muss das ÖPNV-Angebot im Umland massiv ausgebaut werden. Wir brauchen eine ideologiefreie Verkehrspolitik, die Stadt und ländlichen Raum differenziert betrachtet und pragmatische Lösungen schafft“, so Alexander Otto, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung „Lebendige Stadt“.

Der Ausbau mit schnellen Ladesäulen könnte zum Treiber werden, wenn sich die Elektromobilität durchsetzen soll

Ergebnis der Forsa-Studie

Dazu passt auch die Frage, was Kommunalpolitik aus Sicht der Bürger stärker fördern sollte. Während ein Ausbau des ÖPNV und auch mehr Radwege ebenso befürwortet werden wie mehr Park und Ride Parkplätze und ein Ausbau der Elektromobilität, stoßen "autofreie Innenstädte" und Tempo 30 in Innenstädten auf mehrheitliche Ablehnung. Besonders schlecht schneiden Maßnahmen wie "die Einführung einer City-Maut für Innenstädte" sowie die Forderung "Verringerung von Parkmöglichkeiten" ab. Diese Maßnahmen stoßen in allen Altersgruppen und allen Ortsgrößen auf starke Ablehnung. Wobei Bewohner von Großstädten für diese Maßnahmen etwas aufgeschlossener sind, als in kleinen Orten. 

Elektroautos sind für die Mobilität in kleinen Gemeinden eine große Chance 

Auffallend in der Umfrage ist noch der Teil zum Thema E-Autos. Fast die Hälfte der Deutschen kann sich inzwischen einen Umstieg auf ein reines Elektroauto vorstellen. Männer sind dabei deutlich interessierter als Frauen. In den "westdeutschen" Bundesländern ist die Aufgeschlossenheit gegenüber der Elektromobilität zudem deutlich größer, als in Mitteldeutschland. Besonders interessant: Menschen in kleinen Orten sind der E-Mobilität gegenüber aufgeschlossener als Menschen in Großstädten. Und für viele ist das E-Auto aktuell auch als Zweitwagen interessant. Der Hautgrund dafür ist die "Reichweitensorge" vieler Menschen. 62 Prozent der Befragten nennen die Reichweite als Grund, der sie am Kauf eines Elektroautos hindern. Auch die hohen Anschaffungskosten und die aus Sicht vieler Bürger unzureichenden Lademöglichkeiten sind Gründe, warum viele Bürger noch nicht umsteigen. 

Auf die Frage: "Können sie sich vorstellen, dass ihr nächstes Auto ein E-Auto wird" antworten in kleinen Kommunen mit weniger als 5000 Einwohnern immerhin 47 Prozent mit Ja. In den Großstädten liegt der Wert nur bei 30 Prozent. Bei Befragten, in deren Haushalt es mehr als ein Auto gibt, liegt der Wert mit 53 Prozent noch etwas höher, ein klarer Fingerzeig auf das Elektroauto als Zweitfahrzeug. Diejenigen, die ihr Auto nach eigenen Angaben sehr häufig nutzen, sind ebenfalls häufiger bereit, auf Elektromobilität umzusteigen. 

Für Kommunen noch spannend: Der Ausbau vor allem mit schnellen Ladesäulen könnte zum Treiber werden, wenn sich die Elektromobilität durchsetzen soll. Fragt Forsa nach den wichtigsten Gründen gegen den Kauf eines Elektroautos, so antworten 59 Prozent mit "unzureichende Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum" und 52 Prozent klagen über "zu lange Ladezeiten". Hauptgrund bleibt aber die aus Sicht vieler Bürger zu geringe Reichweite mit 69 Prozent.