Eine Landwirtin bringt Kartoffeln zum mobilen Dorfladen.
Der mobile Dorfladen hält so nah an ihren Feldern, dass die Landwirtin ihre Kartoffeln zu Fuß mit einem Karren vorbeibringen kann.
© Rebecca Piron

Mobiler Dorfladen: So können Sie punkten!

In einem Modellprojekt will das Fraunhofer Institut herausfinden, wie mobile Dorfläden für Betreiber rentabel sein können - der Schlüssel soll die Digitalisierung sein. Der Modell-Dorfladen erfreut sich bereits großer Beliebtheit. Das gilt jedoch (noch) nicht für die digitalen Optionen.

„So klein ist der nur?“ Ein Junge im Grundschulalter steuert mit seinem Fahrrad den mobilen Dorfladen an. Was er da sieht, hatte er sich wohl anders vorgestellt. Sein Großvater und seine kleine Schwester laufen ein ganzes Stück hinter ihm her. „Dann geh doch erst mal rein und guck, was es da alles gibt“, rät der Großvater, während er auf seinen Enkel aufschließt. Gesagt, getan – die folgende halbe Stunde ist der Großvater damit beschäftigt den Jungen wieder von dem Lkw loszueisen.

Mobiler Dorfladen unterwegs von Dorf zu Dorf (c)Martin Schmid
KOMMUNAL war zu seinem ersten Jubiläum den ganzen Tag mit dem mobilen Dorfladen unterwegs - 13 Orte haben wir dabei angesteuert. (c)Martin Schmid

Wie wird ein mobiler Dorfladen rentabel?

Der mobile Dorfladen, den der kommunale Zweckverband Steinwald Allianz mithilfe der Fraunhofer Arbeitsgruppe Supply Chain Services auf die Beine gestellt hat, ist Teil eines Modellprojekts, das erforschen soll, wie digitale Mittel das Leben im ländlichen Raum verbessern können. So ist auch der Lkw mit einigen Apps ausgestattet. Montags bis freitags fährt er von morgens bis abends durch die kleinen Ortschaften im Steinwald, um Nahversorgungslücken zu schließen. Verglichen mit vielen anderen mobilen Dorfläden hält er - auch abgesehen von den Apps - einige Besonderheiten bereit. So handelt es sich um einen großen Lkw mit einem Verkaufsraum von 17 Quadratmetern - anders als der kleine Junge annimmt, eine seltene Größe für einen mobilen Dorfladen. Bis zu 470 verschiedene Produkte fährt er täglich von Ort zu Ort. Was den Kunden besonders gut gefällt: Viele Produkte sind lokal eingekauft und haben Bio-Qualität. Einige Lebensmittel wie Mohnöl und Mohnmehl sucht man zudem in einem normalen Supermarkt vergeblich.

Verkäuferin Gisela Gmeiner an der Kasse des mobilen Dorfladens
Verkäuferin Gisela Gmeiner an der Kasse des mobilen Dorfladens.

Kunden und regionale Erzeuger sind zufrieden mit dem mobilen Dorfladen

Heute hat der Dorfladen Jubiläum. Zwei Mitarbeiter des Fraunhofer Instituts fahren mit. Für die Kunden haben sie Kuchen, ein Gewinnspiel und einen Fragebogen zur Verbesserung der Services dabei. Denn mittlerweile läuft das Modellprojekt seit einem Jahr. „Die Erzeuger der Region freuen sich über den Dorfladen“, sagt Martin Schmid, Vorsitzender der Steinwald Allianz. „Sie können ihre Produkte einfach beim Dorfladen vorbeibringen, teils fährt der Lkw sogar bei den Höfen vorbei, wenn sie auf der Strecke liegen.“ Dann werden die Produkte ohne Aufwand für die Produzenten im ganzen Kreis verkauft. Eine Bäuerin, die regelmäßig Gemüse anliefert, kommt mit einem Karren voller roter und normaler Kartoffeln vorbei: „Für mich ist das unheimlich praktisch. Ich muss nur den Karren ein paar Hundert Meter weit ziehen, brauche kein Auto und verbrauche keinen Sprit. Und die Nachfrage steigt zusehends.“ Denn die Stammkunden werden immer mehr. In vielen Ortschaften warten sie bereits, als der mobile Dorfladen seine übliche Standposition ansteuert. Einige nutzen die Zeit, um soziale Kontakte zu pflegen. In Oberwappenöst bildet sich am Jubiläumstag eine große Gruppe vor dem Dorfladen, die über die Wegwerfgesellschaft und zu billige Lebensmittel philosophiert. „Ich finde es toll, dass man so ein ökologisch sinnvolles Angebot bekommt“, sagt eine Kundin. „Selbst, wenn hier nochmal ein Supermarkt aufmachen sollte, werde ich weiter hier einkaufen.“ Auch einige Bürgermeister kommen zum Jubiläum des Dorfladens. „Ich bin begeistert, wie sich das Projekt entwickelt hat“, sagt Josef Hecht, Zweiter Bürgermeister von Immenreuth. „Ich würde es gut finden, wenn das Konzept noch weiter ausgebaut wird. Wenn der Dorfladen zum Beispiel auch Lotto-Annahmestelle wäre oder Medikamente verteilen könnte.“

Zweiter Bürgermeister Josef Hecht (v.l.), Geschäftsleiter Thomas Kaufmann, Fahrer Karl-Heinz Meier, Stammkunde Albert Wolf, Verkäuferin Anja Zölch, Steinwald Allianz-Vorsitzender Martin Schmidt, Christian Brunner und Mirjam Opitz vom Fraunhofer Institut und Verkäuferin Gisela Gmeiner vor dem mobilen Dorfladen.
Immenreuths Zweiter Bürgermeister Josef Hecht (v.l.), Geschäftsleiter Thomas Kaufmann, Fahrer Karl-Heinz Meier, Stammkunde Albert Wolf, Verkäuferin Anja Zölch, Steinwald Allianz-Vorsitzender Martin Schmid, Christian Brunner und Mirjam Opitz vom Fraunhofer Institut und Verkäuferin Gisela Gmeiner vor dem mobilen Dorfladen.

So würde der mobile Dorfladen vielleicht sogar in einer Gegend angenommen werden, in der die Supermärkte noch in Hülle und Fülle vorhanden sind. Doch das ist im Steinwald nicht mehr der Fall - und genau deshalb ist das Modellprojekt für die Gegend so wichtig. Eine Gegend, wie sie schöner kaum sein könnte: Berge, Bäche, Wälder und Felder. Hier im Steinwald liegt der Landkreis Tirschenreuth, der mit 26 kreisangehörigen Gemeinden gerade einmal auf 72.000 Einwohner kommt. Genau in dieser Beschaulichkeit liegt jedoch auch der Grund für die schlechte Nahversorgung. Die kleinen, seit längerem schrumpfenden Gemeinden, mit teils weniger als 100 Haushalten, sind für Supermarkt- und Discounter-Ketten unattraktiv.

Der Online-Shop läuft schlecht an

Viele ländliche Regionen leiden unter diesem Schicksal. Gleichzeitig leben dort besonders viele ältere Menschen, die häufig nicht mobil genug sind, zwei Orte weiter einzukaufen. Zum Jubiläum des Dorfladens kommen die meisten Kunden zu Fuß, einige mit dem Rollator. Nicht nur im Steinwald versuchen die Menschen die Versorgungslücken selbst zu schließen. Meist sind die selbst aufgebauten Läden jedoch nicht rentabel. Mit dem mobilen Dorfladen in Tirschenreuth, der Teil des Projekts „Digitale Dörfer“ ist, will das Fraunhofer Institut erforschen, wie die Digitalisierung dabei helfen kann, dieses Nahversorgungsmodell profitabel zu machen. Denn die Steinwald Allianz soll den Laden auch weiterbetreiben können, wenn die Kooperation mit dem Fraunhofer Institut nach drei Jahren beendet ist. Gerade bei den digitalen Elementen haben sich im ersten Jahr jedoch einige Hürden gezeigt. „Wir haben unterschätzt, dass Digitalisierung nicht nur bedeutet Technologie bereit zu stellen, sondern auch die Menschen ranzuführen und mitzunehmen“, sagt Mirjam Opitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Fraunhofer. Teil des mobilen Dorfladens ist ein Online-Shop. Kunden können dort einkaufen, direkt per Paypal zahlen und das bestellte fertig zusammengepackt im Dorfladen abholen. Der Online-Shop ist mit dem Warenwirtschaftssystem vernetzt. Alle 15 Minuten findet ein Abgleich statt, so dass der Online-Shop immer auf dem neusten Stand ist. Gleichzeitig zeigt die App dem Fahrer des Dorfladens sofort an, wenn über den Online-Shop eine Bestellung eingegangen ist. Der Fahrer kann den Einkauf sofort über die App kommissionieren. Das Problem: Der Webshop ist seit April online verfügbar - und wurde bisher genau einmal genutzt.

Mirjam Opitz und Christian Brunner vom Fraunhofer Institut verteilen Kuchen und erklären wie das Gewinnspiel funktioniert.
Mirjam Opitz und Christian Brunner vom Fraunhofer Institut verteilen Kuchen, erklären das Gewinnspiel, bitten die Kunden aber auch um Kritik und Verbesserungsvorschläge..

Neue Ideen für den Webshop sind bereits gefunden

„Ich habe schon einige Ideen, wie man den Online-Shop attraktiver machen kann“, sagt Schmid. Und auch bei Fraunhofer arbeitet man auf Hochtouren an der Problemlösung. „Wir überarbeiten im Moment die Nutzerfreundlichkeit“, erzählt Opitz. „Sobald der neu gestaltete Shop online ist, werden wir wieder mit dem Dorfladen mitfahren und den Kunden mit Tablets zeigen, wie sie ihn nutzen können.“ Auch auf der Jubiläumsrunde spricht sie einige Kunden auf den Online-Shop an, findet jedoch niemanden, der ihn schon einmal besucht hat. Ein weiteres Problem könnte die Bezahloption sein. Der Einkauf auf Rechnung kann nicht angeboten werden. „Sonst müssten wir ein Mahnwesen installieren“, erklärt Schmid. Bisher ist das Zahlen per Paypal die einzige Option. Dass die größtenteils älteren Kunden dort ein Konto haben, ist jedoch unwahrscheinlich. Deshalb soll in Zukunft auch die Zahlung per EC-Karte angeboten werden. „Und auch die letzte Meile könnte ein wichtiger Faktor sein“, sagt Schmid. Derzeit liegt der Vorteil in einer Online-Bestellung darin, dass die Kunden sicher bekommen, was sie haben möchten. „Gerade bei den Orten, die als letzte angesteuert werden, fehlt bereits einiges im Sortiment“, erklärt Schmid. Und tatsächlich kommt eine Frau auf der Jubiläumsrunde in der letzten Ortschaft nur wegen der Dinkelbrötchen, um festzustellen, dass sie bereits ausverkauft sind. Die Bestellungen direkt zum Kunden zu bringen und im Zweifel an einem vereinbarten Ort abzustellen, könnte ein weiteres Argument sein, den Online-Shop zu nutzen. „Das ist besonders für Menschen interessant, die stark in ihrer Mobilität eingeschränkt sind oder die arbeiten, während der Dorfladen in ihrem Ort hält“, sagt Schmid.

Als der Dorfladen abends wieder Richtung Garage steuert, hat er viele Tirschenreuther mit den nötigen Lebensmitteln versorgt. Martin Schmid ist stolz und zufrieden mit seinem Projekt. Ob sich der Dorfladen nach Ende der Kooperation mit dem Fraunhofer Institut selbst tragen wird oder ob die beteiligten Kommunen bereit sein werden, die anfallenden Kosten zu tragen, bleibt abzuwarten. „Ich bin aber vorsichtig optimistisch“, verrät Schmid. Wenn die digitalen Mittel einmal besser ausgebaut sind, könne das einen wichtigen Schub geben, glaubt er.

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