Interview Politiker
Auffällig ist der überdurchschnittlich große Vertrauensrückgang beim Bundesverfassungsgericht, den Gerichten generell und beim Medium Fernsehen.
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Umfrage

Forsa: Misstrauen gegen Institutionen wächst

Das Vertrauen in Gerichte und Medien hat während der Corona-Pandemie besonders stark gelitten. Die Kommunalpolitik hält sich im guten Mittelfeld. Auffällig im Vertrauens-Ranking sind aber auch die großen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen, stellt Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek fest.

Unter den politischen Institutionen weisen nur die Europäische Union, die politischen Parteien und der Bundespräsident ein ähnliches Vertrauensniveau auf wie zur Jahreswende 2020/21. Das höchste Vertrauen unter den politischen Institutionen genießt mit 75 Prozent weiterhin der Bundespräsident. Mit großem Abstand folgen die politischen Institutionen der Exekutive und Legislative auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, zu denen jeweils die Hälfte oder etwas mehr Bundesbürger großes Vertrauen haben.

Das Vertrauen in Bürgermeister

Zu den Bürgermeistern und Oberbürgermeistern haben mit 55 Prozent ähnlich viele Bürger Vertrauen wie zum Bundeskanzler, der Bundesregierung und den Landesregierungen. Zu ihrer Gemeindevertretung und der Gemeinde- oder Stadtverwaltung ist das Vertrauen vergleichbar mit dem Bundestag bei Werten knapp über 50 Prozent. Während fast alle politischen Institutionen innerhalb des letzten Jahres an Vertrauen verloren haben, ist der Vertrauensrückgang in die Institution „Bundeskanzler“ mit minus 18 Prozentpunkten am größten.

Misstrauen und Vertrauen

Geringer geworden ist zum Jahreswechsel 2021/22 allerdings auch das Vertrauen der Bundesbürger zu den meisten staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen. Einen Vertrauenszuwachs können lediglich die Bundeswehr und die Ärzte verzeichnen. Die Ärzte sind mit einem Vertrauenswert von 87 Prozent auch die Gruppe, die unter den gesellschaftlichen und staatlichen Institutionen – neben der Polizei und den Universitäten– das größte Vertrauen genießt. Dahinter folgen das Bundesverfassungsgericht, die Gerichte allgemein und die Meinungsforschungsinstitute. Etwas mehr als die Hälfte der Bundesbürger hat aktuell zum Medium Radio und zur Bundeswehr großes Vertrauen. Zur Presse hat weniger als die Hälfte der Bundesbürger großes Vertrauen, zum Medium Fernsehen nicht einmal ein Drittel.

Grafik Vertraue zu Ärzten und zum Fernsehen

Auffällig ist der überdurchschnittlich große Vertrauensrückgang beim Bundesverfassungsgericht, den Gerichten generell und beim Medium Fernsehen. Die weiterhin sehr hohen Vertrauenswerte für Ärzte und Universitäten sprechen dafür, dass gerade in Zeiten der Corona-Pandemie das Vertrauen in die Wissenschaft und ihre Erkenntnisse – anders als viele Berichte über Corona-Leugner und die Kritiker der Corona-Maßnahmen häufig suggerieren – in der breiten Bevölkerung nicht nur nicht gelitten hat, sondern weiter ungebrochen ist. Eine Ausnahme bilden lediglich die AfDAnhänger, von denen zu fast allen politischen und gesellschaftlichen Institutionen nur eine Minderheit Vertrauen hat.

 Tiefstand für große Kirchen

Unter den weltanschaulichen Institutionen ist das Vertrauen der Bürger in die beiden ehemals großen Kirchen zur Jahreswende 2021/22 auf einen neuen Tiefstand gesunken. Nur noch 12 Prozent haben zur katholischen Kirche und 33 Prozent zur evangelischen Kirche großes Vertrauen. Bemerkenswert ist, dass das Vertrauen in die evangelische Kirche seit 2018 in ähnlich starkem Maße gesunken ist wie das Vertrauen in die katholische Kirche.

Vertrauen in politische Institutionen



Deutliche Unterschiede beim Vertrauen zu fast allen Institutionen ergeben sich zwischen Ost- und Westdeutschen. Diese Diskrepanz ist besonders ausgeprägt bei den politischen, staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen. So liegt das Vertrauen der Ostdeutschen im Durchschnitt aller abgefragten politischen Institutionen fast 10 Prozentpunkte unter dem der Westdeutschen. Das geringere Vertrauen der Ostdeutschen in alle politischen und gesellschaftlichen Institutionen ist allerdings nicht nur darauf zurückzuführen, dass die Wähleranteile der AfD in den neuen Bundesländern höher sind als in den alten Bundesländern. Vielmehr zeigt sich auch unter den Ostdeutschen ohne AfD-Präferenz ein geringeres Vertrauen in die zentralen Institutionen aus Politik und Gesellschaft als bei den Westdeutschen, die keine Sympathie für die AfD hegen.

Diese auch mehr als 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch festzustellenden Unterschiede in den Einstellungen der Bürger in beiden Teilen Deutschlands, die sich in den letzten Jahren sogar teilweise noch verstärkt haben, erfordern daher weiterhin eine differenzierte Analyse von Befragungsergebnissen nach Ost und West und eine anhaltende Beschäftigung mit den Unterschieden in den politischen Einstellungen und Mentalitäten.