Sondersitzung im Bundestag - dort wurde der größte Schulden-Plan in der Geschichte beschlossen - dieser soll die Infrastruktur verbessern - doch was kommt bei den Kommunen an?
Sondersitzung im Bundestag - dort wurde der größte Schulden-Plan in der Geschichte beschlossen - dieser soll die Infrastruktur verbessern - doch was kommt bei den Kommunen an?
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Grundgesetzänderung

Milliardenpaket des Bundes - Rettungsanker oder Luftnummer für Kommunen?

Die geplanten Investitionen der neuen Bundesregierung versprechen auf den ersten Blick goldene Zeiten: Ein Finanzpaket in Höhe von 500 Milliarden Euro für Infrastruktur, Verteidigung, Bildung, Gesundheit und Bevölkerungsschutz soll Deutschland zukunftsfähig machen. Doch gerade bei Städten und Gemeinden wächst die Skepsis, ob das Paket hält, was es verspricht. KOMMUNAL hat genauer hingeschaut.

Die geplanten Bundesmittel können die angespannte Finanzlage vieler Kommunen grundsätzlich entlasten. Die Vorteile für die Kommunen heben die Verantwortlichen daher auch gerne hervor. 

Das sind die Vorteile des Milliardenpakets für Kommunen:

 

  • Infrastruktur: Ein bedeutender Teil der Mittel ist für Straßen, Schienen und Wasserwege vorgesehen. Das könnte Verkehrsengpässe beseitigen und die Mobilität gerade in ländlichen Gebieten verbessern.

  • Energieversorgung: Förderung nachhaltiger Energien könnte Kommunen dabei unterstützen, eigene Klimaziele zu erreichen und gleichzeitig für eine bezahlbare und sichere Energieversorgung sorgen.

  • Bildung und Digitalisierung: Investitionen in Schulen, digitale Infrastruktur und Forschung versprechen eine Modernisierung von Bildungseinrichtungen, die viele Städte und Gemeinden aus eigenen Mitteln kaum stemmen könnten.

  • Gesundheit und Pflege: Finanzielle Unterstützung für die Modernisierung von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen könnte gerade in ländlichen Regionen die medizinische Versorgung sichern.

  • Bevölkerungsschutz: Mittel für Katastrophenschutz und Feuerwehr verbessern die kommunale Handlungsfähigkeit in Krisenfällen.

Es lauern im Milliardenpaket aber auch Risiken:

  • Zu geringe Mittel: Lediglich 100 Milliarden Euro sind über zwölf Jahre explizit für Länder und Kommunen vorgesehen – gerade einmal ein Fünftel der Gesamtsumme. Dabei verantworten Städte und Gemeinden rund 65 Prozent aller der öffentlichen Sachinvestitionen. Der vorhandene Investitionsstau von rund 186 Milliarden Euro in Deutschlands Kommunen wird dadurch kaum abgebaut.

  • Hohe Bürokratie: Viele Kommunen befürchten bürokratische Hürden und lange Antragsverfahren. Dies könnte die dringend benötigten Investitionen ausbremsen.

  • Kofinanzierungspflichten: Gerade finanziell schwächere Kommunen könnten durch eine erforderliche Eigenbeteiligung benachteiligt werden, da sie oft keine ausreichenden Mittel haben, um Gelder abzurufen.

  • Fehlende Planungssicherheit: Klare Konzepte zur Umsetzung auf kommunaler Ebene fehlen noch. Dadurch besteht die Gefahr, dass Mittel nicht zielgerichtet und zeitnah eingesetzt werden können.

Das sind die Forderungen der Kommunen:

 

Das größte Schulden-Paket der Bundesrepublik seit Bestehen wird in den Kommunen nicht ausreichend ankommen. Aus Sicht der Kommunen ist daher eine tiefergreifende Finanzreform nötig. Wenn zwei von drei öffentlichen Sachinvestitionen in den Kommunen getätigt werden kann es nicht sein, dass diese nur maximal 20 Prozent der Summe bekommen - und das auch nur "von Gnaden" der jeweiligen Bundesländer. Kommunenvertreter fordern schon seit längerem einen höheren Anteil etwa an der Umsatzsteuer, um die Kommunen direkt zu finanzieren und weniger über Förderprogramme. 

Und auch die Frage, wie das Geld sinnvoll verwendet werden kann, stößt auf Skepsis. David Stadelmann etwa, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Bayreuth, warnt, dass Deutschland das Geld gar nicht sinnvoll und wachstumsbefördernd ausgeben könne. „Deutschland hat derart große strukturelle Probleme mit langwierigen Genehmigungsverfahren, Bürokratie und fehlenden Kapazitäten, dass es sehr schwer ist, Geld vernünftig und effizient auszugeben", so der Fachmann. Und weiter: „Ohne Strukturreformen, die einen echten Gewinn staatlicher Effizienz ermöglichen, halte ich – abgesehen von einem kurzen konjunkturellen Strohfeuer – ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum durch die zusätzlichen Schulden für unmöglich. Stattdessen werden zukünftige Generationen das Geld zurückzahlen müssen, ohne von den angekündigten Investitionen zu profitieren", so der Fachmann gegenüber dem Magazin NIUS. 

Gegenüber der "Zeit" warnt die Wirtschaftsweise Veronika Grimm vor einer Krise für die Währung Euro: „Wir manövrieren uns, wenn wir so weitermachen, in den Vorabend einer Euro-Krise. Wenn man da nahe genug dran ist, ist es sehr, sehr schwer, sie aufzuhalten“, so die Ökonomin. 

Besonders pikant: Das Grundgesetz soll geändert werden - Kommunen fürchten Klagewelle 

Der Bundestag plant, "Klimaneutralität bis zum Jahr 2045" ins Grundgesetz zu schreiben. Klingt erst einmal nach hehren Zielen und Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Doch Staatsrechtler warnen: Diese scheinbar harmlose Ergänzung könnte gravierende Folgen für Kommunen haben.

Denn was passiert, wenn "Klimaneutralität" verfassungsrechtlich verankert wird? Könnte dann nicht jeder neue Straßenbau, jede Ortsumgehung oder sogar der Ausbau kommunaler Infrastruktur juristisch zum Erliegen kommen? Staatsrechtler befürchten genau das – eine regelrechte Klagewelle von Umweltschutzorganisationen und Bürgerinitiativen, die sich künftig direkt auf das Grundgesetz berufen könnten.

Für Bürgermeister, Gemeinderäte und Planer heißt das konkret: langwierige Prozesse, steigende Kosten, Unsicherheit bei Planung und Finanzierung. Nicht zuletzt droht eine Blockade der kommunalen Entwicklung, wenn selbst kleine Projekte plötzlich im Fokus grundgesetzlicher Debatten stehen.

Prof. Josef Franz Lindner von der Uni Augsburg warnt: „Die Aufnahme von ‚Klimaneutralität 2045‘ in den Text des Grundgesetzes ist eine verfassungsrechtliche Hoch-Risiko-Aktion“, so der Verfassungsrechtler. Es sei durchaus realistisch, „dass das Bundesverfassungsgericht auf Klagen von NGO die ‘Klimaneutralität 2045‘ als verbindlichen verfassungsrechtlichen Handlungsauftrag an den Staat interpretiert," sagte er der Bild-Zeitung.