Gängelung von Autofahrern oder mehr Sicherheit? Kommunen bekommen mehr Rechte beim Thema Tempo 30
Gängelung von Autofahrern oder mehr Sicherheit? Kommunen bekommen mehr Rechte beim Thema Tempo 30
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Neue StVO

Mehr Spielraum für Kommunen bei Tempo 30

Mit dem heutigen 11. Oktober tritt eine Änderung der Straßenverkehrsordnung in Kraft. Sie soll Kommunen mehr Möglichkeiten eröffnen, Tempo 30 Zonen auszuweiten. Kritiker fürchten, dass sich künftig mehr Verkehr in die Wohngebiete verlagert und so mehr Belastungen verursacht.

Sie war lange umstritten - im September hatte die Bundesregierung dann aber den Weg für die neue Straßenverkehrsordnung doch frei gemacht. Wichtigster Punkt für Kommunen darin: Sie müssen als Leitlinie für Tempobeschränkungen künftig nicht mehr nur die Flüssigkeit und die Sicherheit des Verkehrs beachten.Nach der neuen Verordnung kann daneben Klima- und Umweltschutz sowie Gesundheit als Maßstab herangezogen werden. So können Kommunen leichter Tempo-30-Zonen oder Busspuren einführen. Einfacher wird es zudem, Anwohner-Parkzonen mit Bezahlpflicht einzuführen. Dies ging bisher nur, wenn es Engpässe beim Parken gab. Jetzt ist es bereits möglich, wenn diese absehbar sind.

Reizthema Tempo 30 

Die Einrichtung von Tempo-30-Zonen ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Sie können etwa im unmittelbaren Umfeld von Kitas, Schulen, Pflegeheimen oder Krankenhäusern eingerichtet werden. Die Möglichkeiten werden nun ausgeweitet auf das Umfeld von Spielplätzen und Zebrastreifen und auf "hochfrequentierte Schulwege" - also nicht nur direkt vor Schulen, sondern auch auf dem Weg dahin darf der Verkehr auf Tempo 30 abgebremst werden. Zwei Tempo-30-Zonen sollen künftig auch leichter verbunden werden dürfen (sogenannter Lückenschluss). Bisher durften sie maximal 300 Meter auseinander liegen, künftig können es bis zu 500 Meter sein.

Kritik an den Tempo 30 Zonen 

Der ADAC konstatiert: "Auf Hauptverkehrsstraßen ist Tempo 30 in der Regel nicht sinnvoll". Die Automobilexperten prognostizieren mit vermehrten Tempo-30-Zonen eine signifikante Zunahme der Verkehrsbelastung durch Erhöhung der Reisezeiten! Auch die Industrie- und Handelskammern laufen gegen den Vorschlag Sturm, bei der IHK Leipzig etwa heißt es: "Im Moment ist es so, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit im Leipziger Stadtgebiet bei 27,6 km/h liegt." Eine Absenkung der Spitzengeschwindigkeit würde den Durchschnitt signifikant senken. "Das heißt, unsere Handwerker sitzen länger im Auto und sind später beim Kunden. In einer derzeitigen Situation, in der die Kosten für Arbeitszeit und Material drastisch durch die Decke gehen, sind unsere Betriebe nicht mehr bereit, das hinzunehmen.

Experten argumentieren zudem, dass dort wo es stockt, es auch mehr Umweltbelastungen gibt. Auch das Argument, mit einer Tempodrosselung lasse sich der Lärm reduzieren und das Klima schonen, trage auf Dauer nicht, so die Kritiker. Spätestens mit mehr Elektroautos sei auch das Emissionsthema und das Thema Lärmschutz ohnehin erledigt.

Durch das Einführen von Tempo 30 in vielen Wohngebieten habe man es geschafft, den Verkehr umzuleiten und Hauptverkehrsrouten zu bündeln. Falle der Vorteil der schnelleren Fahrt auf den Hauptstraßen weg, würden viele Autofahrer wieder den kürzesten Weg nutzen – und auch wieder Wohnsiedlungen durchqueren. Außerdem müsste man in allen Städten die Ampelanlagen komplett anpassen - was wieder Zeit und Geld koste.

Initiative aus 500 Kommunen hatte für mehr Freiheit geworben 

Tempolimits gehören in die Hände der Kommunen. Und zwar für alle Straßen. Das forderte zuvor lange Zeit die Initiative "Lebenswerte Städte und Gemeinden", der sich gut 500 Kommunen angeschlossen hatten. Ihnen ging es vor allem um die Hoheit über die Bundesstraßen. Mitglieder sind vor allem größere Städte wie Aachen, Freiburg, Ulm, Münster, Hannover und Augsburg. Ihr Sprecher Thomas Dienberg argumentiert: "Natürlich brauchen wir für eine Strecke x bei konstant Tempo 30 etwas länger als bei Tempo 50. Die Realität wird damit aber nur ungenau abgebildet." Kreuzende Verkehre, Ampelschaltungen, parkende Fahrzeuge, das Wetter, Unfälle und Baustellen und vor allem die Zahl der Fahrzeuge selbst und die Belastung der Verkehrswege seien die tatsächlichen Gründe für signifikant verlängerte Reisezeiten.