Forderung nach Umfrage
Mehr Frauen in Deutschlands Rathäuser
30 Jahre Deutsche Einheit hat die EAF Berlin zum Anlass genommen, um Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Deutschland zu fragen: Wie bewerten Sie den Stand der Deutschen Einheit? Was sind heute die größten Herausforderungen, vor denen Sie stehen? Und wie ist das Geschlechterverhältnis an der Spitze der Rathäuser?
Die Ergebnisse der Umfrage
Zu diesen Fragen hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der EAF Berlin und in Partnerschaft mit KOMMUNAL im September 2020 eine repräsentative Befragung unter insgesamt 1.100 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Gemeinden mit mindestens 1.000 Einwohnern durchgeführt. Zum Stand der Deutschen Einheit herrscht insgesamt große Übereinstimmung: Nahezu alle Bürgermeister in Ost und West (96 Prozent) sind der Ansicht, dass wir alles in allem stolz darauf sein können, was bei der Wiedervereinigung bislang erreicht wurde. Sie sind sich aber auch überwiegend (74 Prozent) darin einig, dass es auch heute noch spezifisch ostdeutsche Probleme gibt, die diskutiert und gelöst werden müssen.
Die aktuell größten Probleme der Städte und Gemeinden sind fehlende finanzielle Ressourcen (54 Prozent), im Osten Deutschlands ist dies noch stärker ausgeprägt als im Westen. Die Corona-Pandemie ist für jede fünfte westdeutsche Gemeinde eins der größten aktuellen Probleme, das trifft nur auf knapp jede zehnte ostdeutsche Gemeinde zu. Während Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Osten stärker über Bürokratie und Überregulierung (19 Prozent) klagen, liegt im Westen eins der größten Probleme in den fehlenden Kinderbetreuungsplätzen (18 Prozent). Die Ergebnisse zeigen, dass der Bedarf auch in den alten Bundesländern höher liegt und das Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz ist – welche nicht zuletzt in der Corona-Pandemie unterschätzt und häufig ignoriert wurde.
Bezüglich des Anteils von Frauen und Männern unter den Bürgermeistern kommt die Studie zu einem besorgniserregenden Ergebnis: Nicht einmal jedes zehnte Rathaus wird von einer Frau regiert. Ihr Anteil liegt bei lediglich neun Prozent – dies entspricht dem Wert unserer Studie aus dem Jahr 2014. Die Ursachen dürften auch darin liegen, dass die Bedingungen für Frauen im Amt schwieriger sind als für Männer. So zeigen die Erfahrungen der Bürgermeisterinnen, dass sie im Zuge ihrer Kandidatur stärker mit Widerständen konfrontiert werden (50 Prozent der Frauen, 37 Prozent der Männer) und Vorbehalte aufgrund ihres Geschlechts (27 Prozent) erleben. Hinzu kommt, dass die Bürgermeisterinnen in höherem Maße Beleidigungen und Bedrohungen (76 Prozent / 67 Prozent) bis hin zu sexueller Belästigung (13 Prozent) ausgesetzt sind.
Handlungsauftrag an die Politik
Es bleibt deshalb ein wichtiger Handlungsauftrag der Politik und dkommunalpolitisch engagierte Frauen zu stärken, politische Rahmenbedingungen sowie Parteistrukturen und -kulturen so zu verändern, dass Frauen und Männer gleichermaßen ihr Potenzial, ihre Perspektiven und ihren Gestaltungswillen einbringen können. Letztendlich ist dies auch eine Frage der Nachwuchssicherung. Denn für die Bürgermeister steht fest: Jeder Dritte (33 Prozent) wird bei der nächsten Wahl nicht noch einmal kandidieren, das trifft sowohl auf Ost- als auch auf Westdeutschland zu, auf Frauen wie auf Männer. Gründe dafür liegen ganz überwiegend (76 Prozent) im fortgeschrittenen Alter der Amtsinhaber. Es deutet sich hier ein Generationenwechsel an, der auch neue Chancen für vielfältige Perspektiven in Deutschlands Rathäusern eröffnet.
Handlungsempfehlungen für Bürgermeisterinnen
Die EAF Berlin ist ein unabhängiges und gemeinnütziges Beratungs- und Forschungsinstitut zur Förderung von Chancengleichheit und Vielfalt. Sie setzt sich für mehr Frauen in der Kommunalpolitik ein - vor allem in deren Führungspositionen.Besonders wichtig ist für die EAF Berlin die Netzwerkbildung unter den Bürgermeisterinnen. Denn diese haben eine wichtige Vorbildfunktion. Die Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft führte 2014 den ersten bundesweiten Kongress für Bürgermeisterinnen durch und war beziehungsweise ist aktuell „Patin“ für Netzwerke in Bayern, NRW und Schleswig-Holstein. Auch im EU-geförderten Projekt „Mayoress - Bürgermeisterinnen in Europa“ entwickelt die EAF Berlin derzeit konkrete Handlungsempfehlungen.
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