Bürgermeister von Dormagen Erik Lierenfeld
Engagiert: Erik Lierenfeld, Bürgermeister von Dormagen
© Benjamin Lassiwe

Porträt Erik Lierenfeld

Bürgermeister zwischen Köln und Düsseldorf

Er ist 34 Jahre alt und seit fast sieben Jahren Bürgermeister von Dormagen. Überregional bekannt wurde Erik Lierenfeld, weil er Morddrohungen gegen seine Person öffentlich machte. 86 Fälle von Drohungen und Beleidungen gegen ihn zählt die Staatsanwaltschaft inzwischen. Unser Bürgermeister des Monats: Erik Lierenfeld aus Dormagen am Rhein

Wer auf der Dachterrasse des Rathauses von Dormagen steht, sieht am Horizont zwei Fernsehtürme: Auf der einen Seite den von Düsseldorf, auf der anderen – neben den Türmen des Doms – den Fernsehturm von Köln. Und wer in der Stadt im Rhein-Kreis Neuss in eine Kneipe geht, hat oft die Wahl zwischen Kölsch und Alt. Bürgermeister Erik Lierenfeld, der die Geschicke der als Chemiestandort bekanntgewordenen Stadt nun in der zweiten Wahlperiode lenkt, entscheidet sich allerdings recht oft fürs Pils. „Dormagen ist der Mittelpunkt des Rheinlands“, sagt Lierenfeld. „Man kann Düsseldorf und Köln von hier aus in ähnlicher Zeit erreichen.“ Und ein bisschen sei die Stadt wie NRW in einem Brennglas: „Bei uns wird Karneval gefeiert und das Schützenfest“, sagt Lierenfeld. „Wir haben Kleingärten wie im Ruhrgebiet, wir haben einen Waldtierpark und sogar ein eigenes freies Theater.“

Neue Unternehmen in Dormagen

Stolz ist Lierenfeld auf sein Engagement in Sachen Gewerbesteuern: Seit er Bürgermeister von Dormagen ist, hat er weder die Gewerbesteuer noch andere Abgabensätze erhöhen müssen. „Wir haben es aber gleichzeitig geschafft, unseren Haushalt auszugleichen.“ Und auch eine Ausgleichsrücklage von immerhin 20 Millionen Euro konnte die Stadt Dormagen aufbauen. Wie das ging? „Wir haben mit den Unternehmen hier sehr eng zusammengearbeitet“, sagt Lierenfeld. „Wir haben ihnen gezeigt, welche Vorteile sich daraus ergeben, dass man seine Steuern hier vor Ort bezahlt – zum Beispiel, dass es in Dormagen eine gute Infrastruktur gibt, die so finanziert werden konnte.“

Gleichzeitig habe es die Stadt geschafft, neue Unternehmen anzusiedeln, die sehr erfolgreich wirtschafteten. „Mein Erfolg ist, dass wir eine sehr gute solide Basis für eine gut funktionierende Wirtschaft geschaffen haben.“ Während Dormagen früher von der Chemieindustrie abhängig gewesen sei – ein Bonmot lautete sogar: „Wenn Bayer hustet, bekommt Dormagen die Grippe“ – sei die Stadt mittlerweile vielfältig aufgestellt. Einer der Rohstoffe für die Herstellung des Personalausweises wird ebenso in Dormagen hergestellt, wie es Wachstücher oder einen eigenen Gin aus Dormagen gibt.

Und dennoch: Auch Lierenfeld stimmt in die Kritik vieler seiner Amtskollegen ein. „Ich glaube schon, dass die Kommunen in NRW unterfinanziert sind“, sagt der Bürgermeister.

Wohnungspreise wie in Köln oder Düsseldorf

Zu den Herausforderungen, vor denen die Stadt Dormagen derzeit steht, gehört daneben auch die Wohnraumpolitik. In den nächsten zehn bis 15 Jahren werde sich die Bevölkerung der Stadt um 10 bis 15 Prozent erhöhen, sagen Demographen. „Wir haben jetzt schon Wohnungspreise auf dem Niveau von Köln oder Düsseldorf“, sagt Lierenfeld. „Dagegen möchte ich vorgehen.“ Allerdings nicht mit Enteignungsphantasien, wie es manche Berliner Initiativen planen: In Dormagen wird stattdessen die Gründung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft geplant. „Wir haben bisher nur private Genossenschaften vor Ort, aber noch keine städtische Gesellschaft“, sagt Lierenfeld. Die soll nun entstehen: Er hoffe, pro Jahr 100 städtische Wohnungen neu bauen zu können. Die Stadt gebe derzeit 500.000 Euro pro Jahr für Spielplätze aus, es gebe eine hervorragende Kinderbetreuung. „Das machen wir doch aber nicht, damit Familien am Ende sagen: Ich kann mir das Wohnen hier nicht mehr leisten“, sagt Lierenfeld. Deswegen die Wohnungsbaugesellschaft – die freilich nicht nur preiswerte Wohnungen errichten soll. „Wir planen auch das Penthouse, das dann teuer verkauft wird – um die übrigen Wohnungen zu finanzieren.“

Ich hoffe, pro Jahr 100 städtische Wohnungen neu bauen zu können."

Erik Lierenfeld, Bürgermeister von Dormagen



Lierenfeld selbst ist gebürtiger Dormagener. Nach dem Abitur wählte er ein Studium der Verwaltungswissenschaften, arbeitete im Jobcenter in Neuss. „Damals habe ich gemerkt, dass mir Verwaltung Spaß macht, weil man schnell entscheiden kann“, sagte Lierenfeld. Mit 22, 23 Jahren kam er in den Stadtrat, wurde stellvertretender Bürgermeister. Und 2014 wurde er dann im ersten Wahlgang Bürgermeister. „Das erscheint mir immer noch etwas unwirklich“, sagt Lierenfeld.

Denn als Kind habe auch er den Dormagener Bürgermeister immer mit großen Augen angeschaut. „Das war damals für mich schon so ein „Boah, der Bürgemeister“.“ Heute erklärt Lierenfeld selbst Kindern, was ein Bürgermeister macht. „Zu Hause ist ja auch einer Chef“, sagt Lierenfeld. „Meistens antworten die Kinder dann: Mama – und ich sage dann: Ich bin so ein bisschen der Papa der Stadt.“ Er höre den Menschen zu, er schlichte Streit, er unterstütze Menschen. „So erkläre ich es den Kindern“, sagt Lierenfeld. Wobei ihm persönlich wichtig bleibe, dass das Amt des Bürgermeisters immer ein Amt auf Zeit sei. Es gehe nicht um die Person Erik Lierenfeld, es gehe um den Bürgermeister.

Dormagen



Freilich, nicht immer ist das Bürgermeisteramt ein einfaches Geschäft. Als Bürgermeister musste Lierenfeld erst die Flüchtlingswelle und dann die Corona-Krise bewältigen. Und das war nicht immer einfach: Lierenfeld bekam Morddrohungen - Drohanrufe, Briefe, e-Mails, teils mehrere am Tag. „Wenn man Morddrohungen bekommt dafür, dass man seinen Job macht, dann macht das etwas mit einem“, sagt Lierenfeld. „Das hat mich schon beeinflusst, ich habe mich dann anders verhalten – zumindest kurzfristig.“ Er sei zwar noch durch die Fußgängerzone gegangen – aber anders als früher, vorsichtiger. Auch die gewohnten Wege vermied der Bürgermeister manchmal, „und in gewisse Bereiche bin ich im Dunkeln nicht mehr gegangen.“

Ermittlungen wegen Drohungen und Hassmails

Mittel- und langfristig dürften solche Drohungen aber nicht dazu führen, dass ein Bürgermeister sein Verhalten insgesamt ändere, betont Lierenfeld. „Aber das ist schon ein sehr schwieriger Grat, weil das auch Auswirkungen aufs direkte Umfeld hat, auf Familie und Freunde und man nicht nur selbst davon betroffen ist.“ In Dormagen ging der Bürgermeister gegen die Morddrohungen vor. Wie erfolgreich das war, weiß er nicht: Die Ermittlungen laufen noch. Was er anderen Bürgermeistern rät, die von Gewaltandrohungen betroffen sind? „Darüber sprechen“, sagt Lierenfeld. „Das ist ganz wichtig.“ Zudem sollten alle, die sich kommunalpolitisch engagierten, ihr Umfeld darauf vorbereiten, dass so etwas passieren könne. Die Polizei und die Sicherheitsbehörden, auch die Mitarbeiter im Rathaus, sollten so schnell wie möglich informiert werden. „Und dann muss man es aushalten“, sagt Lierenfeld. „Das ist wie ein Heuschreckenschwarm, der kommt, sich niederlässt und dann irgendwann wieder weiterzieht.“

Kraft schöpft Lierenfeld auch in solchen Situationen aus seiner Verwurzelung in der katholischen Kirche. „Der Glaube ist für mich etwas Essentielles“, sagt Lierenfeld. Als Jugendlicher engagierte er sich auf Freizeiten der evangelischen Kirche, als Erwachsener ließ er sich firmen. „Ich finde es auch gut und wichtig, dass man das als Bürgermeister auch zeigt“, sagt Lierenfeld. Auf der Fronleichnamsprozession lief er deswegen mit seiner Amtskette mit. „Ich glaube schon, dass die Gemeinschaft und die Grundwerte da Dinge sind, die stimmen“, sagt Lierenfeld. „Ein Bürgermeister darf und kann auch gläubig sein – ich darf den Glauben nur bei meinen Entscheidungen nicht in den Vordergrund stellen.“

Fotocredits: FOTOS / Benjamin Lassiwe