BÜrgermeister Horst Kratzer
Der Bürgermeister der Gemeinde Postbauer-Heng, Horst Kratzer, will auf nachhaltige Mobilität setzen.
© Benjamin Lassiwe

Bürgermeisteramt

Teure Lastenräder - doch keiner wollte sie nutzen

230.000 Euro wollte seine Gemeinde für Lastenräder ausgeben – doch die Bürger waren dagegen. „Weil wir es falsch kommuniziert haben“, sagt Horst Kratzer, Bürgermeister von Postbauer-Heng in der Oberpfalz. Doch aus Niederlagen kann man lernen, meint er.

Wer im Rathaus von Postbauer-Heng in der Oberpfalz einen Cappuccino trinkt, findet das Stadtwappen auf den Milchschaum gestreut. Denn die 8.000-Einwohner-Gemeinde in der Nähe von Nürnberg tritt selbstbewusst auf. „Wir sind eine Mischung aus einer ländlich geprägten und einer vorstädtischen Gemeinde“, sagt Bürgermeister Horst Kratzer.

Ärzte und Fachärzte in Postbauer-Heng



Der 61-Jährige, der schon in seiner dritten Amtsperiode Bürgermeister der Marktgemeinde ist, stammt selbst aus Heng, einem der Ortsteile der Kommune. Und als Kind spielte er noch auf der sprichwörtlichen „Grünen Wiese“, wo heute das Rathaus ist. Denn als Postbauer-Heng 1971 nach einer Gebietsreform aus den Gemeinden Postbauer und Heng hervorging, entstand mitten zwischen den Dörfern ein modernes Ortszentrum. Während Kommunen anderswo über ein Ausbluten ihrer Infrastruktur klagen, geht es Postbauer-Heng im Großen und Ganzen gut. „Wir haben 13 Ärzte und Fachärzte und viele Fachrichtungen hier vor Ort vertreten“, so Kretzer.



Doch der Wandel ist auch hier spürbar. Etwa in der Jugendarbeit mit den Streetworkern. Im ländlichen Raum ist das noch immer etwas Besonderes, sagt Kratzer. „Früher haben sich die Eltern um ihre Kinder gekümmert – aber das weiß-blau gezeichnete Idyll hat man nicht mehr, das Familiengefüge löst sich zunehmend auf.“ Oft würden heute beide Elternteile arbeiten: „Die Jugendlichen brauchen Orte, wo sie hinkönnen.“ Weswegen es in Postbauer-Heng seit etwa 10 Jahren einen Jugendtreff gibt. „Wir freuen uns, dass hier so viele Jugendliche leben – aber die muss man auch betreuen“, meint Kratzer. Postbauer-Heng sei zudem die erste Gemeinde im Landkreis gewesen, die Familienstützpunkte eingerichtet hat: Familien erhalten hier Hilfe bei Erziehungs- oder Partnerschaftsproblemen, „und auch mal bei der Frage, wie man die Schwiegermutter am besten auf Abstand hält“, sagt Kratzer. Das Ziel: Den Menschen helfen, bevor die Probleme anfangen ihnen über den Kopf zu wachsen.

Modellprojekt zu Lastenrädern

Doch nicht alles hat im Ort immer geklappt: Im Amtszimmer des Bürgermeisters steht ein Modell eines Lastenfahrrads auf der Fensterbank. „Unsere Gemeinde hatte sich an einem Modellprojekt zur Lastenradförderung beteiligt – und als einzige Kommune in der Oberpfalz den Zuschlag bekommen“, erinnert sich der Bürgermeister. „Wir wollten in allen Ortsteilen eine Ausleihstation für ein Lastenfahrrad einrichten.“ Die Bürger sollten den Weg zum Supermarkt im Ortszentrum mit dem Lastenrad zurücklegen können - „bei uns wird ansonsten für fast jeden Einkauf das Auto genommen, egal wie kurz die Strecke ist.“ Doch bei der Bevölkerung stieß das Projekt auf Ablehnung.

Viele verstanden nicht, warum zehn Ausleihstationen mit Lastenrädern 230.000 Euro kosten sollten. „Wir haben daraus gelernt, dass wir zu wenig kommuniziert haben“, sagt Kratzer. Mit der Niederlage geht er offen um – doch entmutigt hat sie ihn nicht, im Gegenteil. Die Kommune will weiter auf nachhaltige Mobilität setzen: Derzeit untersuche das Potsdamer Hasso-Plattner-Institut im Rahmen eines Modellprojekts den Mobilitätsbedarf der Gemeinde. Die Verwaltung selbst hat sich inzwischen als Dienstfahrzeug ein Elektroauto angeschafft.

Bürgermeister war bei der Polizei

Selbst war Horst Kratzer indes viele Jahre lang auf einem völlig anderen Feld aktiv: Der Bürgermeister ist eigentlich Polizist. 30 Jahre lang war er bei der bayerischen Polizei, machte Streifendienst in München, Grenzfahndung an der deutschfranzösischen Grenze und sorgte für Sicherheit bei den 1.Mai-Krawallen in Berlin. In die Politik indes kam er schon früh: Seit dem Jahr 1984 sitzt er im Gemeinderat. Seine 600. Ratssitzung feierte er erst kürzlich. Von 2002 bis 2008 war er zweiter Bürgermeister, seit 2008 leitet er die Geschicke des Marktes.

Gemeinde Postbauer-Heng Bahnhof
Der Bahnhof von Postbauer-Weg. In der Marktgemeinde leben 8000 Menschen in zehn Ortsteilen.



Was Kratzer so an der Kommunalpolitik fasziniert? „Mir macht wahnsinnig Spaß, dass man Dinge bewegen kann, dass man seine Ideen immer gleich einbringen kann.“ Für die Zukunft plant er etwa kleine Seniorenwohnanlagen in den dörflichen Ortsteilen: Alte Menschen, denen ihr Haus zu groß geworden ist, sollen dort wohnen können, wo sie ihr Leben lang gelebt haben, „das Wirtshaus und die Kirche im Blick“, während die nachfolgenden Generationen die alten Häuser übernehmen sollen. Denn auch in Postbauer-Heng braucht es Wohnraum für junge Familien. Und auch über ein Windrad wird in der Gemeinde gerade nachgedacht. „Denn in der dritten Amtsperiode kann man manche Themen auch lockerer angehen“, meint Kratzer, der sich mit Ablauf der Legislaturperiode als dann 65-Jähriger nicht mehr zur Wahl stellen will.

Was er heute jungen Bürgermeistern rät? Ein guter Austausch, ein guter Kontakt mit dem Gemeinderat sei wichtig. Und die Ansprechbarkeit für die Bevölkerung. „Es soll Rathauschefs geben, die nicht mehr zu den Hauptversammlungen der Vereine gehen. Aber das ist wichtig: Ich muss als Bürgermeister doch wissen, was da besprochen wird und welche Probleme sich da auftun."



 

Fotocredits: Benjamin Lassiwe