Die Landtagswahlen in Sachsen wurden vor allem durch regionale Personen entschieden - hier im Bild: Ministerpräsident Kretschmer mit BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann
Die Landtagswahlen in Sachsen wurden vor allem durch regionale Personen entschieden - hier im Bild: Ministerpräsident Kretschmer mit BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann
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Ampel-Albtraum mit Handbremse

Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Welchen Einfluss regionale Besonderheiten hatten

Wahlen werden regional entschieden - bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen war das auf den ersten Blick aber nicht zu erkennen. Zu sehr spielten mit Themen wie dem Ukraine-Krieg und der Asylpolitik bundespolitische Bereiche eine wichtige Rolle bei der Wahlentscheidung vieler Bürger. Und doch haben gleich zwei Parteien den Sprung in den Landtag in Sachsen nur geschafft, weil ihre Kandidaten regional stark verankert waren. In Thüringen könnte eine bisherige Bürgermeisterin zur Königsmacherin werden.

Matthias Berger ist einer der Gewinner der Landtagswahlen in Sachsen. Der parteilose Oberbürgermeister von Grimma trat für die Freien Wähler in seiner Heimatstadt als Direktkandidat an. Mit rund 37 Proent holte er im Wahlkreis Leipzig Land 3 die mit Abstand meisten Stimmen. Durchaus beachtenswert, denn schaut man auf die Zweitstimmen im gleichen Wahlkreis, so lag die AfD deutlich vorn, die Freien Wähler holten nur ein Drittel der Stimmen, die ihr Direktkandidat erhielt. Das Besondere an dem Ergebnis: Ohne Matthias Berger wären die Freien Wähler im Landtag gar nicht vertreten, denn sie verfehlten die 5 Prozent Hürde deutlich.

Eine andere Partei profitierte von ihrer regionalen Verwurzelung gleich doppelt. Die Linkspartei wäre in Sachsen eigentlich im hohen Bogen aus dem Landtag geflogen. Mit 4,5 Prozent reichte es für die frühere SED und PDS erstmals in einem ostdeutschen Bundesland nicht mehr für den Einzug in einen Landtag. Doch in den Wahlbezirken Leipzig 1 und Leipzig 4 konnten die jeweiligen Direktkandidaten der Linkspartei ihr Direktmandat gewinnen. Und das sächsische Wahlsystem sagt: "Gewinnt eine Partei mindestens zwei Direktmandate, ist die 5 Prozent-Hürde außer Kraft gesetzt." So haben Nam Duy Ngyen (Wahlkreis Leipzig 1 mit knapp 40 Prozent der Stimmen gewonnen) und Juliane Nagel (Leipzig 4 mit rund 36 Prozent der Stimmen gewonnen) gleich vier weiteren Linken den Einzug in den Landtag gesichert. Denn insgesamt ziehen aufgrund der nicht vorhandenen 5-Prozent-Hürde gleich sechs Abgeordnete der Linken in den Landtag in Dresden ein. 

Die drei regionalen Erfolge haben die amtierende Koalition unmöglich gemacht 

Fluch und Segen zugleich für die Linkspartei. Denn nur, weil sie und Matthis Berger von den Freien Wählern über die Direktmandate den Einzug in den Landtag geschafft haben, kann die amtierende Koalition aus CDU, SPD und Grünen nicht mehr weiterregieren.

Zwar schafften die Grünen mit 5,1 Prozent hauchdünn den Wiedereinzug in den Landtag und auch die SPD kam mit 7,3 Prozent wieder in den Landtag: Aber zusammen haben die drei Parteien nur 57 von 120 Sitzen - für eine Mehrheit hätten sie 61 Sitze benötigt. Hätten es Linkspartei und Freie Wähler nicht geschafft, hätte die amtierende Koalition eben genau diese 61 Sitze erreicht. 

Im Ergebnis sorgt das dafür, dass eine realistische Koaltionsregierung für die CDU nur gemeinsam mit dem BSW und der SPD möglich scheint. Der Erfolg der Linkspartei macht somit vermutlich die Regierungsbeteiligung der von der Linkspartei abgespalteten BSW nötig.

Alle Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen 

Die Ergebnisse in der Übersicht: Die CDU bleibt stärkste Kraft, erhält 42 Sitze im neuen Landtag, das Wahlergebnis liegt mit 32 Prozent faktisch gleich auf wie vor vier Jahren. Die AfD nur knapp dahinter mit 41 Stizen, sie gewann 3 Prozent hinzu auf knapp 31 Prozent. Es folgt das BSW, das sich erst Anfang des Jahres gegründet hat mit 12 Prozent (15 Sitze) und die SPD mit nur leichten Verlusten auf 7,3 Prozent (9 Sitze). Die 5,1 Prozent für die Grünen genügen für 6 Sitze, das sind aber nur noch halb so viele wie bisher. Noch stärker nur die Verluste für die Linken auf 6 Sitze (bisher 14), die Freien Wähler bleiben dieses Mal sogar unter 3 Prozent und ziehen nur mit einem Direktkandidaten in den Landtag ein. 

Die meisten Direktmandate - mehr als die Hälfte - holte die AfD, gefolgt von der CDU. Die SPD ging bei Direktmandaten leer aus.

Wem die CDU ihre Ergebnisse verdankt, wer die AfD gewählt hat

Auffallend ist, wie stark die AfD in Sachsen bei Jungwählern abgeschnitten hat. Unter den Erstwählern hat die AfD mehr als doppelt so viele Stimmen bekommen, wie die CDU. Die CDU verdankt ihre Wahlergebnis derweil vor allem den Wählern über 60 Jahren. Zusätzlich wählten Männer in Sachsen deutlich häufiger die AfD als Frauen (36 zu 26 Prozent). Bei den unter 30 jährigen erreichte die AfD rund 30 Prozent, bei den über 60 jährigen lag sie knapp darunter. Die CDU kam bei den unter 30-Jährigen auf nur 15 Prozent und somit nur auf wenige Stimmen mehr als Linke und BSW (12 beziehungsweise 10 Prozent) - das BSW konnte mit steigendem Alter zulegen, erreichte bei den über 60 Jährigen etwa die Werte der CDU bei jungen Wählern unter 30.

Thüringen hat deutlich anders gewählt - auch wegen des anderen Wahlverfahrens

In Thüringen spielen die Erststimmen, anders als in Sachsen, keine Rolle beim Ergebnis. Denn dort gibt es keine Möglichkeit über gewonnene Direktmandate die 5 Prozent Hürde auszuhebeln. Entsprechend standen die regionalen Ergebnisse in diesem jedoch deutlich kleineren Bundesland auch weniger im Fokus. Und trotzdem finden sich auch hier bekannte Namen aus der Kommunalpolitik, die nun zum Königsmacher einer möglichen Koalition werden könnten.

Doch der Reihe nach: Gut 2 Millionen Menschen waren in Thüringen zur Wahl aufgerufen. Ähnlich wie in Sachsen haben die Menschen auch hier davon rege Gebrauch gemacht. Mit fast 75 Prozent Wahlbeteiligung fiel das Interesse an der Wahl in beiden Bundesländern überdurchschnittlich hoch aus. 

Das Ergebnis des anderen Wahlsystems: Nicht sieben, sondern nur fünf Fraktionen sitzen im neuen Thüringer Landtag. 88 Sitze waren zu vergeben, wer eine Regierung, für die 45 Sitze nötig ist, bilden wird, ist noch nicht ganz klar. Denn die amtierende Regierung wurde abgewählt - der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow kommt mit seiner Linkspartei nur noch auf 12 statt bisher 29 Sitze. Mit Abstand stärkste Kraft wurde die AfD um ihren Spitzenkandidaten Höcke. Sie erhalten 32 Sitze im Landtag, gefolgt von der CDU, die auf 23 Sitze kommt.

Eine Oberbürgermeisterin dürfte zur Königsmacherin werden 

Auch in Thüringen schaffte das BSW, das erst seit wenigen Monaten existiert, auf Anhieb den Sprung in den Landtag, kommt auf 15 Sitze. An ihrer Spitze die langjährige Oberbürgermeisterin von Eisenach, Katja Wolf. Sie saß Ende der 90er Jahre bis zum Jahr 2012 schon einmal im Thüringer Landtag. Dann wurde sie im Jahr 2012 zur Oberbürgermeisterin von Eisenach gewählt- damals noch auf Ticket der Linkspartei beziehungsweise der PDS. Zwei Mal wurde sie als Oberbürgermeisterin wiedergewählt, machte sich als Pragmatikerein in der 42.000 Einwohner Stadt einen Namen. Im Frühjahr diesen Jahres wechselte sie dann von der Linkspartei zum BSW und wurde ihre Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin für die Landtagswahlen. 

Daher trat sie bei den Neuwahlen zum Oberbürgermeisteramt im Juni diesen Jahres in Eisenach auch nicht erneut als Bürgermeisterin an. Schon im ersten Wahlgang setzte sich dann der CDU-Kandidat Christoph Ihling bei den Bürgermeisterwahlen klar durch, musste aber noch in eine Stichwahl mit dem SPD-Kandidaten Jonny Kraft. Die Stichwahl in Eisenach gewann Ihlig dann deutlich mit fast 60 Prozent er Stimmen. 

Pikant für die ehemalige Bürgermeisterin: Sie konnte am Sonntag ihr Diektmandat im Wartburgkreis 2/Eisenach nicht gewinnen, lag satte 15 Prozentpunkte hinter der CDU Kandidatin Ulrike Jary. Als Spitzenkandidatin zieht sie aber dennoch in den Landtag ein. Der Wahlkreis ist allerdings etwas größer als ihre bisherige Stadt Eisenach. Dort gibt es 33.000 Wahlberechtigte - der Wahlkreis hat rund 46.000 Wahlberechtigte. 

Da neben dem BSW als drittstärkste Kraft nur noch die Linken (12 statt bisher 29 Sitze) und die SPD (sechs statt bisher acht Sitze) den Sprung in den Landtag schafften, ist eine Koalitionsbildung schwierig. Alle Parteien lehnen eine Koalition mit dem Wahlsieger AfD ab. Abseits der AfD ist aber nur eine Mehrheit aus CDU, BSW und Linken denkbar. Die Linke müsste also mit ihrer Abspaltung, dem BSW, die sich aus Protest gegen politische Inhalte der Linkspartei gegründet hatten, koalieren.

Die CDU ist dem BSW um die frühere Oberbürgermeisterin durchaus aufgeschlossen gegenüber. Doch eigentlich gibt es einen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU mit den Linken. Diese gelten mit ihrem bisherigen Ministerpräsideten Ramelow aber als sehr "pragmatisch", so dass der Beschluss auf Bundesebene für Thüringen aufgehoben werden könnte. 

Das heißestes Gerücht: Ein weiterer Übertritt zum BSW würde neue Koalitionen ermöglichen

Rein theoretisch ist in Thüringen aber noch eine Koalition nicht ganz ausgeschlossen. Bei der Linkspartei gibt es immer noch zahlreiche Übertritte zum BSW. Und so hält sich seit Montag früh ein Gerücht, wonach ein für die Linkspartei gewählter Abgeordneter darüber nachdenkt, der BSW Fraktion beizutreten - das wäre der Todesstoß für eine Regierungsbeteiliung der Linkspartei. Denn dann wäre eine Koaliton aus CDU (23 Abgeordnete) dem dann von 15 auf 16 Abgeordnete erstarktem BSW und der SPD (sechs Mandate) hauchdünn möglich. Zusammen käme eine solche Koalition auf 45 von 88 Sitzen und somit auf eine Stimme Mehrheit.

Spannend: Welche prominenten Politiker ihr Direktmandat verpasst haben

Auffallen in Thüringen ist auch, dass einige bekannte Politiker es in ihrem eigenen Wahlkreis nicht geschafft haben, Direktmandate zu erzielen. 

Am pikantesten ist die Wahlniederlage des gefeierten Wahlsiegers Björn Höcke in seinem Wahlkreis. Die CDU gewann den Wahlkreis in Osttühringen. Den Wahlkreis Greiz 2 hatte die AfD eigentlich extra handverlesen für Höcke ausgewählt, damit er sicher in den Landtag einziehen kann. Die AfD bekam insgesamt 31 Direktmandate, hat aber 32 Sitze im Landtag. Somit kann Höcke als einziger Kandidat über die Liste einziehen. Das aber auch nur, weil die AfD in den Wahlkreisen Wartburgkreis 1 und Wartburgkreis 2 keine Direktkandidaten aufgestellt hatte. Dort stand also kein AfD-Kandidat auf der Liste, somit konnte auch keiner direkt gewählt werden. 

Wie die Bild-Zeitung berichtet, hat Höcke im Vorfeld der Wahl zwei Parteifreunden die nötige Unterschrift für deren Kandidatur in den WAhlkreisen verweigert. Ein vermeintlicher Formfehler, der Höcke beim Einzug in den Landtag genützt haben dürfte. Da er auf Platz 1 der Thüringer Landesliste gesetzt war, steht ihm der freie Sitz zu. Im Wartburgkreis I. (36,4 Prozent) und Wartburgkreis II. (33,6 Prozent) bekam die AfD die meisten Zweitstimmen.

Ganz allein steht Höcke mit seinem Verlust aber nicht. Auch andere prominente Kandidaten haben ihr Direktmandat nicht gewonnen. Von den Spitzenkandidaten hat nur Ministerpräsident Ramelow sein Direktmandat im Wahlkreis Erfurt 3 gewonnen. 

Auch CDU-Landeschef und potentieller neuer Ministerpräsident Mario Vogt musste sich im Saale-Holzland-Kreis der AfD Kandidatin Wiebke Muhsal knapp geschlagen geben (37,5 zu 38,9 Prozent). 

Und wie beschrieben, schaffte auch die bisherige Oberbürgermeisterin von Eisenach und Spitzenkandidatin des BSW, Katja Wolf es nicht, in ihrem Wahlkreis ein Direktmandat zu erlangen. 

Auch amtierende Minister scheiterten an der Direktkandidatur- so Innenminister Georg Maier von der SPD im Wahlkreis Gotha (12 Prozent der Stimmen) Auch der langjähirge Waltershäuser Bürgermeister und Vorsitzende des Thüringer Gemeinde- und Städtebundes, Michael Brychcy von der CDU unterlag knapp dem AfD Kandidaten in seinem Wahlkreis. 

Landwirtschafts- und Infrastrukturministerin Susanna Karawansskij (Linkspartei) blieb in Sonneberg unter 10 Prozent. In Erfurt scheiterte Mgrations- und Justizministerin Doreen Denstädte mit nur 1,8 Prozent der Stimmen. SPD-Finanzministerin Heike Taubert holte im Wahlkreis Greiz 2 nur gut 8 Prozent. 

Sensationelles Ergebnis für Deutschlands dienstälteste ehemalige Landrätin - gutes Ergebnis für Kandidaten, der unter Kinderporno-Verdacht steht 

Im Saale-Holzland-Kreis bekam der unter KinderpornografieVerdacht stehende Kandidat der Linkspartei, Markus Gleichmann, knapp 13 Prozent der Stimmen. Der Abgeordnete hat sich weiterhin nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Auffallend gut das Ergebnis für Martina Schweinsburg. Sie war bis Anfang des Jahres deutschlands dienstälteste Landrätin und die erste, die in Deutschland auf die Bezahlkarte für Flüchtlinge setzte. KOMMUNAL hatte ausführlich darüber berichtet. 

Martina Schweinsburger, die bei der jüngsten Landratswahl nicht erneut antrat, erhielt als Direktkandidatin fast 47 Prozent der Stimmen für die CDU und wurde direkt in den Landtag gewählt. 

Der frühere CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring hingegen unterlag im Weimarer Land/Saalfeld-Rudolstadt der dortigen AfD-Kandidatin.