Bürgermeister Claus-Dieter Tobaben
Claus-Dieter Tababen ist Landwirt und ehrenamtlicher Bürgermeister von Faulenrost.
© Benjamin Lassiwe

Bürgermeisterporträt

"Wir sind ländlichster ländlicher Raum"

Claus-Dieter Tobaben ist Landwirt und ehrenamtlicher Bürgermeister im mecklenburgischen Faulenrost. Knapp 700 Einwohner verteilen sich auf fünf Ortsteile. Unser Bürgermeister des Monats!

Über dem Schreibtisch von Claus-Dieter Tobaben hängt ein großes Ölgemälde. Es zeigt den Mecklenburger Heimatdichter Fritz Reuter. Der plattdeutsche Schriftsteller verbrachte Teile seines Lebens in Faulenrost, gelegen im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte. „In jeder Amtsstube muss der Präsident hängen“, sagt Bürgermeister Claus-Dieter Tobaben scherzhaft. In Faulenrost ist das der niederdeutsche Heimatschriftsteller: Fritz Reuter wohnte im heutigen Ortsteil Genzin beim Gutspächter Rust und lernte im Ortsteil Rittermannshagen seine spätere Gattin, das Dienstmädchen des Pfarrers, kennen. „Und der alte Fritzing, der hat sich auch mal einen Kleinen genehmigt und wenn er dann abends im Dunkeln durchs Moor getapert ist, dann sind ihm so die Gedanken zu seiner „Urgeschicht von Mecklenborg“ gekommen, von Fröschen und Störchen...“, erzählt der Bürgermeister. Heute muss in Faulenrost niemand mehr im Dunkeln durchs Moor gehen.

Aber eines hat sich seit den Zeiten von Fritz Reuter nicht verändert: „Wir sind ländlichster ländlicher Raum“, sagt Claus-Dieter Tobaben. Knapp 700 Einwohner verteilen sich in Faulenrost auf fünf verschiedene Ortsteile. Deswegen sei die kommunale Selbstverwaltung und die Sicherstellung der Daseinsvorsorge in Faulenrost eine sehr große Herausforderung: „Pro Einwohner haben wir sehr hohe Kosten für die Infrastruktur.“ Immerhin: Seit sieben, acht Jahren wächst die Bevölkerung in Faulenrost wieder. Die Menschen haben Sehnsucht nach einem Leben auf dem Lande. „Wir haben jetzt gerade für 700.000 Euro unsere Kita modernisiert“, berichtet Tobaben. „Denn die Kita ist bis zur Oberkante ausgelastet.“

Und wie geht das, bei 700 Einwohnern 700.000 Euro auszugeben? „Alleine schaffen wir das nicht“, sagt Tobaben. „Alleine sind wir kaum in der Lage, uns selbst zu tragen: Als kleine Kommune werden wir in Mecklenburg doch sehr an der kurzen Leine gehalten, was die finanziellen Mittel betrifft.“ Investitionen sind oft nur mit Fördermitteln möglich: Die Kita in Faulenrost wurde zu 75 Prozent aus ELER-Mitteln bezahlt. Und vom Eigenanteil der Kommune übernahm das Land knapp 90 Prozent. „Sonst hätten wir es allein nicht stemmen können“, sagt der Bürgermeister. „Da sind wir auch dankbar für, aber da mussten wir auch ganz schön kämpfen.“ Vor allem musste der Bedarf festgestellt werden. An Anmeldungen mangelt es nicht.

Anwohnerbeiträge für Straßen

Auch die Straßen hat die Gemeinde mustergültig saniert. „Wir haben seit 2003 ein Bodenordnungsverfahren laufen“, sagt Tobaben. „Darüber haben wir besonders gute Finanzierungsmöglichkeiten für die Gemeindestraßen.“ Am Horizont freilich taucht deswegen ein neues Problem auf: Denn die Anlieger an den Ortsstraßen müssen die Ausbaubeiträge erst dann bezahlen, wenn das Bodenordnungsverfahren abgeschlossen ist. Jedenfalls in vier Ortsteilen. Als im Ortsteil Schwabendorf die Baumaßnahmen anstanden, wurden vom Land Mecklenburg-Vorpommern die Anwohnerbeiträge abgeschafft. „Wir kommen jetzt irgendwann an den Tag X, wo das Bodenordnungsverfahren abgeschlossen ist“, erläutert Tobaben. „Dann werden wir in vier Ortslagen die Beiträge erheben und in Schwabendorf eben nicht.“

Fischräucherei im Ort

Dass das zu einem Problem für das Klima im Ort werden kann, ahnt der Bürgermeister schon. „Das wird noch sehr interessant, zumal manche Anlieger mit fünfstelligen Beträgen rechnen müssen.“ Künftig soll die Kommune vom Land statt der Anwohnerbeiträge eine Infrastrukturpauschale erhalten: „Ich glaube, wir kriegen da so etwa 7.000 Euro im Jahr“, sagt Tobaben. Da wird bis zur nächsten Sanierung einer Straße in Faulenrost wohl etwas Zeit vergehen. „Wir sind eigentlich recht froh, dass wir die wichtigsten Straßen saniert haben.“ Andere Infrastruktur indes gibt es in Faulenrost nicht mehr: Der letzte Laden in der Kommune schloss vor fünf Jahren, auch eine Arztpraxis oder einen Geldautomaten sucht man vergebens. Nur ein örtlicher Fischer sorgt mit einer Fischräucherei und einer Gaststätte dafür, dass Faulenrost in der Region bekannt ist. Selbst aus Schwerin kommen Menschen in das Dorf, um am Wochenende Fisch zu essen.

Bürgermeister



„Was wir haben, ist eine lebendige Nachbarschaft“, sagt Tobaben. „Wer nach Faulenrost zuzieht, wird von den Nachbarn eingeladen, man macht Dinge gemeinsam – auch zum Wohle des Ortes.“ Als etwa kürzlich in einem Ortsteil ein Spielplatz saniert werden musste, war es selbstverständlich, dass die Nachbarn beim Bau anpackten – und für das durch den Arbeitseinsatz gesparte Geld aus dem begrenzten Budget der Gemeinde ein paar Spielgeräte mehr gekauft werden konnten. „Und jetzt identifizieren sich auch alle damit“, sagt der Bürgermeister. „Da muss nicht der Gemeindearbeiter den Rasen mähen, da sagen die Leute: Das machen wir selbst.“

„Wer nach Faulenrost zuzieht, wird von den Nachbarn eingeladen, man macht Dinge gemeinsam – auch zum Wohle des Ortes.“

Claus-Dieter Tobaben, Bürgermeister



Tobaben ist mit 23 Jahren nach Faulenrost zugezogen: Der aus Buxtehude stammende Landwirt übernahm nach der Wende einen Betrieb im Ort. „In unserer alten Heimat hatte das aus Platzgründen keine Zukunft.“ Heute bewirtschaftet er 400 Hektar, mit Ackerbau, Marktfruchtbau und Rinderhaltung. „Kein Großbetrieb, eher ein Familienbetrieb“, sagt er. Wie der Landwirt Bürgermeister wurde? „Ich bin schon immer ein Mensch gewesen, der sich eingemischt und engagiert hat.“ Zum Beispiel im Kirchenvorstand oder der Kreissynode, wo er versucht, als Stimme der Landwirte in die evangelische Nordkirche hineinzuwirken. Politisch trat Tobaben 2003 als Einzelbewerber für die Gemeindevertretung an, später wurde er Mitglied der CDU. Bei den lezten Bürgermeisterwahlen wurde er trotz einer Gegenkandidatin mit 75 Prozent der Stimmen wiedergewählt.

Verwaltet wird die Gemeinde Faulenrost indes vom Amt Malchin. „Wir haben eine gut funktionierende Verwaltung, auch wenn wir wie überall das Problem haben, jungen Nachwuchs zu finden“, sagt Tobaben. „Malchin brauchen wir, denn wir brauchen eine gute Verwaltung – um gemeinsam Ideen zu entwickeln, um sich auszutauschen.“ Der ehrenamtliche Bürgermeister fühlt sich vom Amt ernst genommen – auch wenn es zu Anfang durchaus für Aufsehen sorgte, wenn er sagte: „Wenn Sie in dieser Angelegenheit nach Schwerin wollen, dann komme ich mit“, schmunzelt er. „Bürgermeister müssen auch unpopuläre Entscheidungen treffen.“ Er selbst könne sich zu den meisten Menschen im Dorf in die Küche setzen und wie einst Fritz Reuter Plattdeutsch mit ihnen reden. „Und das verbindet dann.“