Grafik Experte fordert Abschaffung der Gewerbesteuer
Die Corona-Krise sollte Anstoß für Reformen genutzt werden.
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Reformen gefordert

Experte fordert: Gewerbesteuer abschaffen

Die Corona-Pandemie deckt auf, wie notwendig eine Reform der Schuldenbremse, eine Tilgung der kommunalen Altschulden und eine ausgewogene Steuerverteilung sind. Zukunftsfähigkeit und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse stehen sonst auf dem Spiel, warnt KOMMUNAL-Gastautor Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft. Der Autor spricht sich in dem Gastkommentar auch dafür aus, die Gewerbesteuer abzuschaffen.

Der Impfstoff  lässt die Menschen auf ein baldiges Überwinden der akuten Corona-Krise hoffen. Für viele Unternehmen, denen die Geschäftstätigkeit im Lockdown verboten wurde, könnte die Zeit nicht reichen. Rücklagen und Eigenmittel, die im vergangenen Jahr noch Schlimmeres abwenden konnten, sind weitgehend aufgebraucht.

Hilfszahlungen - bürokratische Anträge, zu später Auszahlungen

Ob die Hilfszahlungen rechtzeitig und in ausreichender Höhe ankommen, werden die kommenden Monate zeigen. Im gesamten Jahr 2020 sind an den Einzelhandel 91 Millionen Euro Hilfen ausgezahlt worden, gleichzeitig hat der Lockdown aber einen Umsatzverlust von 36 Milliarden Euro verursacht, davon Fixkosten in Höhe von 18 bis 20 Milliarden Euro.

Bürokratische Anträge und verspätete Auszahlungen trüben das Bild des eigentlich guten Krisenmanagements der Politik. Denn ohne die schnellen und umfangreichen Wirtschaftshilfen des Staates wäre alles viel schlimmer gekommen. Dass dabei nicht jeder Hilfseuro zielgenau ankommt, liegt in der Natur der Sache. Ein Blick zu den europäischen Nachbarn zeigt, dass ein Rückgang von 5 Prozent der Wirtschaftsleistung, wie es Deutschland im Jahr 2020 zu verkraften hatte, vergleichsweise gering ist.

Staatsdefizit steigt massiv

Die höheren Staatsausgaben treffen krisenbedingt auf einbrechende Steuereinnahmen, so dass das rosarote Bild der öff entlichen Überschüsse aus den vergangenen Jahren auf einen Schlag dahin ist. Sechs Jahre in Folge hatte der Staat mehr eingenommen als ausgegeben. Im Jahr 2020 türmte sich dagegen ein Staatsdefizit von rund 200 Milliarden Euro auf, in diesem Jahr wird das Minus voraussichtlich mehr als 150 Milliarden Euro betragen.

Zusätzliche Staatsschulden kein Grund zur Panik

Die Staatsschuldenquote steigt in der Folge auf schätzungsweise 73 Prozent. Das ist mehr als nach den Maastricht-Kriterien eigentlich erlaubt ist und gleichzeitig knapp 10 Prozentpunkte weniger als nach der Finanzkrise vor gut zehn Jahren. Die zusätzlichen Schulden sind daher kein Grund zur Panik. Das Aussetzen der Schuldenbremse für diese beiden Jahre war folgerichtig, um nicht zu sagen alternativlos. Auch wenn die Schuldenbremse auf Notsituationen wie eine Pandemie eingestellt ist, so gibt es für die Rückkehr in die Normalität keine Übergangszeit. Nach Ende der Ausnahmesituation gilt die Schuldenregel unmittelbar wieder.

Dass ab 2022 wieder die Schuldenbremse eingehalten werden soll, ist allerdings diskussionswürdig und ohne einen radikalen Sparkurs oder höhere Steuern auch nicht sehr realistisch. Erfahrungsgemäß wird als erstes bei den öff entlichen Investitionen gespart – was sich Deutschland nicht leisten kann: Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung sind ein Schlüssel für zukünftigen Wohlstand. Ebenso wären Steuererhöhungen mit Blick auf die wirtschaftliche Dynamik kontraproduktiv. Wirtschaftliche Dynamik ist aber Voraussetzung dafür, aus der gestiegenen Verschuldung wieder herauszuwachsen.

Lösung für Altschulden finden

In diesem Zusammenhang sollte die Politik auch eine Lösung für die kommunalen Altschulden finden. Denn ohne Investitionen auf der kleinsten Ebene lässt sich das Land nicht modernisieren. Die Situation der Kommunen ist dabei sehr unterschiedlich, daran ändert die Krise nichts. Selbst in den Jahren der Haushaltsüberschüsse waren vielen Städten und Gemeinden ob sehr hoher Kassenkredite die Hände gebunden. Fehler der Vergangenheit, die zu den hohen Schulden vielerorts geführt haben, sollten benannt werden, aber einem Befreiungsschlag nicht entgegenstehen. Die Hessenkasse kann als Vorbild dienen – zweifelsfrei stehen die Länder bei den Altschulden der Kommunen zuallererst in der Verantwortung.

Die Corona-Krise liefert den Beweis, dass die Gewerbesteuer die falsche Steuer für Städte und Gemeinden ist.“

Tobias Hentze, Institut der deutschen Wirtschaft

Wenn es der Politik gelingen sollte, dieses dicke Brett zu bohren, sollte sie gleich dranbleiben. Denn wenn es noch eines Belegs bedarf, dass die Gewerbesteuer die falsche Steuer für Städte und Gemeinden ist, dann liefert die Corona-Krise genau diesen. Und das aus zwei Gründen: Nach dem Grundsatz „Wer Chancen will, muss Risiken akzeptieren“ sollte erstens nur derjenige die Einnahmen einer derart krisenanfälligen und damit volatilen Steuer für sich verbuchen, der Einbußen verkraften kann.

Gewerbesteuer bricht stark ein

Der Einbruch der Gewerbesteuer als wichtigste kommunale Einnahmequelle fiel im Jahr 2020 mehr als doppelt so stark aus wie bei den Steuereinnahmen insgesamt. Abgesehen von der fiskalisch wenig bedeutsamen Luftverkehrsteuer war der Einbruch bei den Unternehmensteuern am größten.

Während jedoch die Körperschaftsteuer für Bund und Länder vor der Krise jeweils nur rund 5 Prozent der Steuereinnahmen ausmachte, war die Gewerbesteuer (netto) für die Kommunen mit einem Anteil von knapp 40 Prozent an den gesamten kommunalen Steuereinnahmen ungleich wichtiger. Die Erstattung des Ausfalls im Jahr 2020 durch den Bund war demzufolge erforderlich, um Verwerfungen auf kommunaler Ebene zu verhindern. Der Ruf nach einer Kompensation zeigt gleichzeitig, dass viele Kommunen ansonsten überfordert sind.

Körperschaftssteuer statt Gewerbesteuer

Der zweite Grund liegt in der ungleichen Verteilung der Gewerbesteuereinnahmen. Selbst die Erstattung ebenjener lässt die armen Kommunen arm zurück, denn sie hatten auch vor der Krise kaum Einnahmen daraus. Zielführender wäre eine einwohnerbasierte Leistung an die Kommunen für ihren Einsatz in der Pandemie gewesen. Zukünftig sollte die Gewerbesteuer in der nationalen Körperschaftsteuer aufgehen und die Kommunen sollten dafür einen höheren Anteil an der verhältnismäßig stabilen Umsatzsteuer erhalten.

Dass die Umsatzsteuer im Jahr 2020 ebenfalls stark eingebrochen ist, lag weitgehend an der Steuersatzsenkung und ist nicht im Wesen der Umsatzsteuer begründet. Es ist verwunderlich, dass sich die finanzschwächeren Kommunen nicht gegen die aktuelle Steuerverteilung auflehnen, mit der es schwierig bleiben wird, gleichwertige Lebensverhältnisse sicherzustellen.

Dr. Tobias Hentze, geboren 1982 in Düsseldorf; Studium und Promotion im Fach Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und der Universität Duisburg-Essen, seit 2014 im Institut der deutschen Wirtschaft, Senior Economist für Finanz- und Steuerpolitik.