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Koalitionsvertrag

Kommunen nicht am Katzentisch!

Was der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP für die Kommunen verspricht. Ein Gastbeitrag von Gerd Landsberg vom Deutschen Städte- und Gemeindebund.

Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen. Deshalb ist es gut, dass sich die Ampelkoalition so schnell auf einen Koalitionsvertrag verständigt hat und wir noch vor Weihnachten eine neue Regierung haben werden. Der Koalitionsvertrag ist – wie zu erwarten – recht umfangreich ausgefallen. Es werden viele richtige Ziele beschrieben, die konkrete Umsetzung – insbesondere die nachhaltige Finanzierung – ist teilweise vage. Es bleibt zu hoffen, dass die Ampel die Leistungsfähigkeit unseres Staates und der Wirtschaft nicht überschätzt hat. Insbesondere im Sozialbereich ist eine Reform mit dem Ziel „Finanzierung des Sozialstaats dauerhaft sichern, Überforderung vermeiden“ kaum erkennbar.

Kommunen wollen klares Bekenntnis

Im Gegenteil: Die geplante Einführung einer Kindergrundsicherung, das Bürgergeld (Ersatz für Hartz-IV), die Rentengarantie, die fehlende Positionierung, dass in einer älterwerdenden Gesellschaft auch eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit kein Tabu sein darf, sind Indizien dafür, dass der Sozialbereich weiter ausgedehnt werden wird. In diesem Zusammenhang fehlt bedauerlicherweise auch ein wirklich klares Bekenntnis zum Grundsatz: Wer bestellt, bezahlt.

Für die Kommunen ist positiv zu bewerten, dass sich der Koalitionsvertrag zum Ziel von Zukunftsinvestitionen bekennt und dabei auch den hohen kommunalen Investitionsbedarf berücksichtigt und Kommunen bei notwendigen Anpassungen für Klimaresilienz unterstützen wird. Gut ist auch, dass sich der Bund zur dauerhaften Mitfinanzierung der Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich bekenn

Anzuerkennen ist weiterhin, dass man sich zur Stärkung der Daseinsvorsorge in ländlichen Räumen bekennt. Dazu gehört auch die Schaffung des Amtes eines Staatsministers für gleichwertige Lebensverhältnisse und die neuen Länder.

Gutes Signal:  Altschulden klären

Der Koalitionsvertrag erkennt an, dass wir in Deutschland leistungsstarke und handlungsfähige Kommunen brauchen. Deshalb ist es ein gutes Signal, dass die Altschuldenproblematik der Kommunen gemeinsam mit den Ländern nachhaltig gelöst werden soll. Seit Jahren fordert der DStGB, den Förderdschungel zu entwirren und somit den Zugang zu Fördermitteln auch für kleinere Verwaltungseinheiten zu vereinfachen. Vor diesem Hintergrund ist zu begrüßen, dass hier eine neue Förderstruktur die Übersichtlichkeit und damit auch die Umsetzbarkeit erleichtern soll. Die Eigenverantwortung und damit die kommunale Selbstverwaltung wird so deutlich gestärkt.

Eigenanteile verringern

Ein gutes Signal ist darüber hinaus, dass bei finanzschwachen Kommunen die Eigenanteile reduziert oder durch andere Leistungen ersetzt werden können. Auch das Bekenntnis zu schnelleren Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren, die Digitalisierung der Verwaltung sowie die Stärkung des öffentlichen Wohnungsbaus sind wichtige Ziele. Positiv ist die Ankündigung, die dringend notwendige Finanzierung des Onlinezugangsgesetzes über das Jahr 2022 sicherzustellen. Die ehrgeizigen Ziele beim Ausbau der alternativen Energien deutlich zu beschleunigen, so dass bis zum Jahr 2030 Wind und Sonne 80 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland decken, sind richtig.

Es bleibt aber im Hinblick auf die großen Widerstände in der Bevölkerung abzuwarten, ob die Umsetzung tatsächlich gelingt. Unverzichtbar sind zuverlässige und belastbare Planungsperspektiven auch für die Stadtwerke und kommunalen Unternehmen, die eine zentrale Rolle bei der Energiewende spielen. Erfreulicherweise bekennt sich der Koalitionsvertrag auch zur notwendigen Neuaufstellung des zivilen Bevölkerungsschutzes.

Verbessertes Ehrenamtskonzept

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz soll neu ausgerichtet werden und unter Berücksichtigung der föderalen Kompetenzverteilung personell und materiell zu einer Zentralstelle entwickelt werden. Hier erwarten wir, dass das BBK auch einen eigenen Haushaltstitel bekommt. Auch die Freiwilligenstruktur soll richtigerweise durch ein verbessertes Ehrenamtskonzept gefördert werden. Wie vom DStGB gefordert ist eine nationale, aber auch europäische Resilienzstrategie vorgesehen, zu der auch die entsprechenden Notfallreserven gehören.

Bei der Bewertung des Koalitionsvertrags gilt es auch zu bedenken, dass ein Koalitionsvertrag „nur“ eine politische Vereinbarung darstellt, welche Ziele man in der Legislaturperiode erreichen will. Niemand kann wissen, welche nationalen oder internationalen Herausforderungen auf Deutschland zukommen, die man jetzt noch gar nicht vorhersehen kann. Das gilt zum Beispiel für die Entwicklung der Flüchtlingssituation in Europa und in der Welt, neue mögliche Hindernisse bei der Umsetzung der Energiewende und die politische Entwicklung der EU.

Kommunen nicht an den Katzentisch

Man kann nur hoffen, dass die Ampelkoalitionäre das bisher gezeigte gegenseitige Vertrauen dann auch in der konkreten Regierungsarbeit zu schnellen, vernünftigen und abgestimmten Entscheidungen führt. Der Erfolg der Ampelkoalition wird maßgeblich davon abhängen, ob das Leben der Menschen in den Städten und Gemeinden besser wird und die kommunale Daseinsvorsorge den Erwartungen der Menschen entspricht. Wir erwarten, dass entsprechend der Ankündigung im Koalitionsvertrag die Kommunen  nicht an den Katzentisch verwiesen werden, sondern ihren entscheidenden Beitrag zur Neugestaltung unseres Landes leisten können.