Feuerwehr kämpft gegen Flammen
Die Gefahrenabwehrplanung über die Belange der Feuerwehr hinaus ist in NRW eine freiwillige Aufgabe der Gemeinden.
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So können Kommunen Gefahren abwehren

10. Januar 2021
Nur wenige Gemeinden verfügen über eine umfassende Gefahrenabwehrplanung. Wie ein integriertes Gefahrenabwehrsystem Gemeinden und Behörden unterstützen kann, beschreiben die zwei KOMMUNAL-Gastautoren Moritz Watermann und Benjamin Käser.

Als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie begann, aktivierten viele Gemeinden ihre Pandemiepläne. Doch in wie vielen Gemeinden existieren solche Pläne überhaupt? Eine Umfrage des Magazins KOMMUNAL Ende März 2020 kommt zu dem Ergebnis, dass nur 20 Prozent der Gemeinden in Deutschland Pläne für Seuchenfälle erstellt haben. Von diesen 20 Prozent sind wiederum in nur 24 Prozent der Fälle die Pläne weitgehend anwendbar. Es scheint demnach nicht nur an der Quantität, sondern auch an der Qualität von Plänen in Bezug auf die Anwendbarkeit zu mangeln. Aber sind Gefahrenabwehrpläne überhaupt notwendig? Ja, lautet hier die knappe Antwort, die im Folgenden ausführlicher begründet wird.

In NRW existiert keine eindeutige gesetzliche Regelung für die Gefahrenabwehr

Während zur Zuständigkeit der kreisfreien Städte der Katastrophenschutz und damit auch die Erstellung von Plänen für Großeinsatzlagen und Katastrophen gehört, gestaltet sich die Frage nach der Zuständigkeit der kreisangehörigen Gemeinden schwieriger. Eine eindeutige gesetzliche Regelung für die kommunale Gefahrenabwehrplanung existiert in NRW nicht. Die Gefahrenabwehrplanung über die Belange der Feuerwehr hinaus ist demnach eine freiwillige Aufgabe der Gemeinden. Nicht nur mit Blick auf die Corona-Pandemie, sondern auch im Rückblick auf vergangene Ereignisse zeigt sich jedoch, dass auch kreisangehörige Gemeinden durch unterschiedliche Ereignisse im Bereich der Gefahrenabwehr gefordert werden.

Was heißt Gefahrenabwehrplanung?

Beispiele sind hier Ereignisse unterhalb der Schwelle zur Katastrophe, wie die verheerenden Starkregenereignisse im Sommer 2016, aber auch Katastrophen wie die Elbeflut 2002. Der Schutz von kommunalen Funktionen und kritischen Infrastrukturen, die Optimierung von Abläufen im Krisenfall sowie die Behandlung von generellen und ortsspezifischen Risiken wird durch die Gefahrenabwehrplanung gewährleistet. So wird nicht nur die Bevölkerung, sondern auch das Vertrauen in die kommunalen Institutionen geschützt. Die Gefahr einer Überforderung von Entscheidungsträgern wird reduziert und die Suche nach einem Verantwortlichen nach der Krise im besten Fall überflüssig.

Gefahrenabwehrplanung verfolgt verschiedene Ziele: Zunächst soll das Risiko eines Schadensereignisses minimiert werden (Risikomanagement). Weiterhin sollen kritische Infrastrukturen und Funktionen, beispielsweise Strom- und Wasserversorgung, geschützt werden (Kontinuitätsmanagement). Schließlich sollen vor dem Eintritt einer Krise Verfahrensabläufe und Schwellenwerte dokumentiert werden und das Personal in der Lage sein, adäquat auf die Situation zu reagieren (Krisenmanagement).

Moritz Watermann
Moritz Watermann

Kontinuitäts-, Krisen- und Risikomanagement sind demnach Kernelemente der (kommunalen) Gefahrenabwehrplanung. Werden diese getrennt voneinander durchgeführt besteht die Gefahr, dass Synergieeffekte und Informationen verloren gehen. Im integrierten Gefahrenabwehrsystem werden Kontinuitäts-, Krisen- und Risikomanagement daher verknüpft.

Umfrage bei Städten und Gemeinen in NRW

Vor dessen Entwicklung wurde eine Umfrage durchgeführt, für die alle kreisangehörigen Städte und Gemeinden in NRW postalisch kontaktiert wurden. 49 Gemeinden nahmen daraufhin an der Umfrage teil. Im Bereich des Krisenmanagements zeigten sich die Gemeinden überwiegend gut aufgestellt. 78 Prozent der teilnehmenden Gemeinden haben Regelungen für die wichtigsten Aspekte eines Krisenstabes erstellt.

Beim Risikomanagement zeigt sich hingegen Verbesserungspotential. Zwar haben auch hier mit 59 Prozent die Mehrheit der Gemeinden Pläne für konkrete Krisen und Großschadensereignisse erstellt. Betrachtet man die Häufigkeit, mit der Pläne für konkrete Ereignisse erstellt wurden, differenziert sich das Bild jedoch. So haben zum Beispiel 50 Prozent der Gemeinden Pläne für Extremwetter erstellt, für Seuchen hingegen nur 27 Prozent und für andere Ereignisse noch weniger. Auch wenn nicht für jedes denkbare Ereignis eine Risikoanalyse und entsprechende Planung durchgeführt werden muss, ist es sinnvoll, Planungen für einige Schlüsselereignisse zu erstellen.

In diesen Bereichen Regelungen erstellt

Im Bereich des Kontinuitätsmanagements haben mit 64 Prozent mehr als die Hälfte der teilnehmenden Gemeinden Regelungen zur Sicherstellung wichtiger Funktionen getroffen. Diese konzentrieren sich jedoch auf die Feuerwehr (51 Prozent) und den Rettungsdienst (33 Prozent). Für andere Funktionen, wie zum Beispiel Kinderbetreuung, wurden hingegen nur in 10 Prozent der teilnehmenden Gemeinden Regelungen erstellt. Die Kaskadeneffekte, die ein Ausfall der Kinderbetreuung mit sich bringt, haben sich zu Beginn der Corona-Pandemie gezeigt. Damals mussten mit großem Zeitdruck systemrelevante Berufe identifiziert werden, für die eine Not-Kinderbetreuung angeboten wurde.

Als Grundlage für das integrierte Gefahrenabwehrsystem wurden die Normen DIN EN ISO 22301 bzw. 22313 (Kontinuitätsmanagement), DIN ISO 31000 (Risikomanagement) und DIN CEN/TS 17091 (Krisenmanagement) gewählt. Die in den drei Normen beschriebenen Vorgehensweisen wurden in Flussdiagramme übertragen und miteinander verglichen. In der Zusammenführung der Vorgehensweisen wurden redundante Schritte zusammengefasst und die restlichen Schritte nach zeitlichen Gesichtspunkten verknüpft.

Ausgangspunkte des integrierten Gefahrenabwehrsystems bilden zum einen das Risikomanagement, bestehend aus der Risikoidentifikation, -analyse und -bewertung sowie der anschließenden Risikobehandlung, zum anderen die Business Impact Analyse, die im Bevölkerungsschutz auch unter dem Begriff „Kritikalitätsanalyse“ geläufig ist. Aus der Business Impact Analyse und der Risikoanalyse ergibt sich, welche Infrastrukturen und Funktionen in der Gemeinde kritisch sind und durch welche Ereignisse diese bedroht werden. Zur besseren Verknüpfung der Erkenntnisse bietet sich eine Vulnerabilitätsanalyse an.

Strategien zur Gefahrenabwehr

Auf Basis der Erkenntnisse aus Business Impact Analyse und Risikoanalyse werden im Anschluss Strategien zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit festgelegt. Mögliche Strategien sind der Schutz der kritischen Infrastrukturen und Funktionen (z.B. indem Stromkabel unterirdisch verlegt werden), technische und organisatorischen Maßnahmen zur Sicherstellung (z.B. eine Netzersatzanlage und jemand, der diese in Betrieb nehmen kann), sowie die Verminderung von Auswirkungen eines Ausfalles (z.B. durch Installation einer Notbeleuchtung). Parallel dazu werden durch das Risikomanagement Risiken für die Bevölkerung unabhängig von kritischen Infrastrukturen und Funktionen beurteilt. Anschließend wird eine Risikobehandlung durchgeführt, die als Optionen unter anderem eine Beseitigung, aber auch eine Akzeptanz des Risikos enthält.

Benjamin Käser
Benjamin Käser

Die festgelegten und umgesetzten Strategien zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit und zur Risikobehandlung werden dokumentiert und fließen im Schritt „Vorbereitung“ mit ein. In diesem werden fünf Kernelemente der Krisenvorbereitung umgesetzt. Dazu gehören der Aufbau eines Krisenstabes und Informationsmanagements sowie deren Beschreibung im Krisenmanagementplan. Weitere Kernelemente sind die Pläne zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit, die sich aus den Strategien zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit ergeben, sowie die Pläne für konkrete Ereignisse, die aus dem Risikomanagement resultieren.

Auch wenn durch das integrierte Gefahrenabwehrsystem Synergieeffekte genutzt werden, ist dessen Umsetzung immer noch mit einem nicht zu unterschätzenden Aufwand verbunden. Der Prozess der Implementierung wird kaum innerhalb von wenigen Wochen abzuschließen sein und durch den Kreislaufprozess ist eine regelmäßige Aktualisierung und Überarbeitung unumgänglich. Speziell Gemeinden, die sich bisher nicht oder nur wenig mit Kontinuitäts-, Krisen- und Risikomanagement beschäftigt haben müssen zunächst mit einem hohen Aufwand rechnen. Dieser Aufwand ist im Vergleich zur Alternative, ganz auf Gefahrenabwehrplanung zu verzichten, jedoch definitiv lohnenswert. Auch Gemeinden, die im Bereich der Gefahrenabwehrplanung bereits vorher aktiv waren, können ihre bestehenden Pläne in das integrierte Gefahrenabwehrsystem aufnehmen und diese durch das strukturierte Vorgehen auf Lücken untersuchen.

Moritz Watermann ist Ingenieur bei der  antwortING Beratende  Ingenieure PartGmbB in Köln und studiert nebenberuflich den Masterstudiengang Rettungsingenieurwesen an der TH Köln.

 

Benjamin Käser ist  Beratender Ingenieur  für Brandschutz und Sicherheitstechnik und Gründungspartner der  antwortING Beratende  Ingenieure PartGmbB  aus Köln.