Die Altstadt von Heidelberg
Heidelberg verschiebt mindestens 20 Investitionen wegen der Corona-Krise.
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Studie

Corona-Krise gefährdet kommunale Investitionen

Die Kommunen benötigen in der Corona-Krise über dieses Jahr hinaus weitere Unterstützung. Sonst können sie nicht ausreichend investieren. Eine Studie kommt zu dem Schluss, dass sich die finanzielle Lage von Städten und Gemeinden enorm verschlechtert - und dass es dabei regionale Unterschiede gibt. KOMMUNAL bringt konkrete Beispiele für verschobene Investitionen.

Die Corona-Pandemie bedroht die Investitionsfähigkeit der Kommunen. Denn sie verschlechtert die finanzielle Lage von Städten und Gemeinden enorm. Zu diesem Schluss kommt eine gemeinsame Studie des  Leibnitz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW Mannheim und des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) im Auftrag des Deutschen Städtetages.

Geplante Investitionen ohne Unterstützung nicht möglich

Das Fazit: Auch über 2020 hinaus brauchen die Kommunen Zusagen von Bund und Ländern für weitere Unterstützung in Milliardenhöhe. Nur dann können sie auch erfolgreich zur Stabilisierung der Konjunktur beitragen. Ohne weitere Hilfen wird es hingegen vielen Kommunen unmöglich sein, notwendige Investitionen zu tätigen und den bestehenden Investitionsstau weiter abzubauen.

Frustrierende Situation in Kommunen

Die Situation ist mitunter sehr frustrierend: In den Städten und Gemeinden können lange geplante Investitionen vielfach vorerst nicht umgesetzt werden.

Heidelberg verschiebt mindestens 20 Investitions-Projekte

So hat der Gemeinderat der baden-württembergischen Stadt Heidelberg bereits 20 geplante Projekte  verschoben. Dazu zählen unter anderem die Installation eines Sirenennetzes im Stadtgebiet, der Aufbau einer Videoüberwachung am Bismarckplatz und der Lückenschluss in der Eppelheimer Straße Er will damit 20 Millionen Euro einsparen. Weitere 30 Projekte stehen zur Disposition und sollen nach der Sommerpause beraten werden.

Bad Füssing: Drei große Vorhaben auf Eis gelegt

Die niederbayerische Kurstadt Bad Füssing hat drei große Projekte zunächst auf Eis gelegt:  Die Kur-Gymnastikhalle, die gerade generalsaniert wird, nun entkernt ist und im Rohbauzustand dasteht, der Anbau des Feuerwehrhauses des Ortsteils Aigen am Inn und die Fertigstellung des Hallenbades, wie Bürgermeister Tobias Kurz auf Anfrage zu KOMMUNAL sagte.

Immendingen: Planung für Gewerbegebiet betroffen

Die Gemeinde Immendingen in Baden-Württemberg muss voraussichtlich Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von 900.000 Euro ins nächste Haushaltsjahr schieben, wie der Südkurier berichtet. Dazu zählen der Bau von Kreisverkehren, die Planung für ein Gewerbegebiet, aber auch Investitionen wie die Anschaffung eines Unimok-Anhängers und ein Fassadenanstrich sind vorerst abgesagt

Neuhof: Nebengebäude des Rathauses nicht 2020 begonnen

Die Gemeinde Neuhof in Hessen wollte 2020 mit knapp zwölf Millionen Euro so viel wie nie zuvor in die kommunale Infrastruktur investieren – Neu- und Umbauten, Modernisierungen, Unterhalt und Reparaturen. Wie die Fuldaer Zeitung schreibt, soll nun unter anderem der Bau des Nebengebäude des Rathauses erst 2021 verwirklicht werden.

Die jetzt veröffentlichte Studie kommt im Detail zu folgenden Ergebnissen:

  • In Folge der Corona-Pandemie und des daraus resultierenden wirtschaftlichen Abschwungs drohen mehr Firmeninsolvenzen. Die besonders gefährdeten Wirtschaftszweige prägen das städtische Leben stark. Hierzu zählen etwa Gastronomie, Einzelhandel, Unterhaltung und Kultur. Hinzu kommen Umsatzeinbrüche in einzelnen Branchen des verarbeitenden Gewerbes.
  • Die wirtschaftlichen Folgen sorgen für erhebliche Einnahmenrückgänge der Kommunen im Jahr 2020 und in den Folgejahren. Gleichzeitig werden die Sozialausgaben der Kommunen steigen. Die wirtschaftlichen Folgen und deren Auswirkungen auf die Kommunen sind regional sehr unterschiedlich.
  • Die Betroffenheit der Kommunen durch die Krise variiert regional sehr stark. Das hängt davon ab, inwieweit Krisenbranchen wie Gastronomie, Unterhaltung, Tourismus und Einzelhandel am Ort beheimatet sind. Hier sind vor allem Kommunen in Bayern, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und im Saarland betroffen.
  • Das Potenzial der Kommunen, den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu begegnen, ist sehr unterschiedlich. Wo Verschuldungsgrad, strukturelle Arbeitslosigkeit und das Zahlungsausfallrisiko ansässiger Unternehmen hoch sind, sinkt die Widerstandsfähigkeit. Das gilt vor allem für Kommunen in Nordrhein-Westfalen, aber auch vereinzelt in Rheinland-Pfalz, Hessen und Brandenburg.
  • Kommunen, die bereits vor der Corona-Pandemie ökonomisch wenig widerstandsfähig waren und nun eine hohe Krisenanfälligkeit aufweisen, werden es laut Studie besonders schwer haben, die Krisenfolgen zu bewältigen und notwendige Investitionen zu tätigen.
  • Durch die aktuelle Unsicherheit über den Umfang von Einnahmenverlusten und entsprechenden Kompensationen  durch Bund und Länder in den Jahren 2021 und 2022 steigt die Wahrscheinlichkeit für drastische Kürzungen in den kommunalen Haushalten.
  • Ohne weitere, gezielte Hilfsmaßnahmen wird es gerade besonders krisenanfälligen Kommunen schwerfallen, notwendige und auch konjunkturpolitisch sinnvolle Investitionen zu tätigen. Bestehende regionale Ungleichheiten werden sich mittelfristig weiter verschärfen.
  • Weil die Kommunen regional unterschiedlich betroffen und unterschiedlich widerstandsfähig sind, werden regional wirkende Begleitmaßnahmen erforderlich sein, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise möglichst passgenau zu dämpfen.

„Bund und Länder müssen nach der bevorstehenden neuen Steuerschätzung  schnell die Frage beantworten, was die Kommunen mittelfristig stabilisiert", fordert der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy. "Der Bund übernimmt zwar für 2020 die Gewerbesteuerausfälle und will sich dauerhaft stärker an den Kosten der Unterkunft bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende beteiligen. Beides ist gut", betonte er. Doch damit allein lasse sich ein Einbruch der kommunalen Investitionen in den kommenden Jahren nicht verhindern. "Nötig sind Zusagen von Bund und Ländern für eine Unterstützung über 2020 hinaus. Und wir brauchen ein Begleitprogramm für besonders krisengefährdete Kommunen, damit nicht gerade in den Städten die Investitionen besonders stark wegbrechen, wo sie am nötigsten sind", sagte Dedy.

Investitionsstau darf sich nicht vergrößern

„Die Corona-Pandemie und der damit verbundene Abschwung treffen die Kommunen besonders hart. Bund und Länder müssen sicherstellen, dass der von den Kommunen gerade begonnene Abbau des Investitionsstaus nicht zum Erliegen kommt“, unterstreicht ZEW-Präsident Achim Wambach. „Die erheblichen Einnahmenrückgänge im Jahr 2020 und in den Folgejahren sind gerade für die Kommunen ein großes Problem. Denn der ohnehin schon große Investitionsrückstand von rund 147 Milliarden Euro werde weiter steigen, da geplante kommunale Investitionen nicht mehr getätigt werden können. Eine Lösung sollte gefunden werden, damit gerade auch finanzschwache Kommunen nicht nur Investitionsmittel, sondern auch Ressourcen für das eigene Personal erhalten“,  plädiert Difu-Direktor Prof. Dr. Carsten Kühl.

Hilfen von Bund und Ländern

Bund und Länder hatten sich darauf geeinigt, dass die Kommunen in diesem Jahr einen pauschalen Ausgleich für die entgangenen Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von rund 11,8 Milliarden Euro erhalten. Zudem will der Bund dauerhaft weitere 25 Prozent und insgesamt bis zu 74 Prozent der Kosten für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende übernehmen.

Weitere Unterstützung der Kommunen angemahnt

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund betont, wie wichtig es ist, die Hilfen für die Kommunen fortzuführen. Sollten die Kommunen keine massiven Finanzhilfen seitens ihrer Länder sowie seitens des Bundes erhalten, müssen sie nicht nur im Jahr 2020, sondern auch in den Jahren 2021 und 2022 ihre Investitionen daher zwangsläufig drastisch reduzieren. "Dies hätte eine weitere Belastung der Konjunktur zur Folge – die Kommunen würden nicht nur ihre Aufgabe als Stabilitätsanker nicht wahrnehmen können, sie würden darüber hinaus auch rezessionsverschärfend agieren müssen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

An der jüngsten öffentlichen Anhörung im Haushaltsausschuss des Bundestages nahm der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Uwe Zimmermann teil. Die Stellungnahme des Deutschen Städte- und Gemeindebundes dazu finden Sie hier.