Eine Uni hat die Kommunalwahlprogramme in Niedersachsen ausgewertet - mit spannenden Ergebnissen
Eine Uni hat die Kommunalwahlprogramme in Niedersachsen ausgewertet - mit spannenden Ergebnissen
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Auswertung aus Niedersachsen

Kommunalwahlen: Neue Erkenntnisse zur Kommunalpolitik

Kommunalpolitik ist zwar häufig weit weniger parteipolitisch, dadurch aber auch nicht unpolitisch. Die Universität Oldenburg und die TU Darmstadt haben sich die Kommunalwahlprogramme der Parteien in Niedersachsen angesehen und diese verglichen. Mit interessanten Erkenntnissen.

Bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen vor einer Woche haben die Bürger in 943 Städten und Gemeinden gewählt. Erstmals gab es auch eine Art Wahl O-Mat für die Kommunalwahlen in einer Reihe von Städten. Denn die Universität Oldenburg und die TU Darmstadt hatten ein Projekt mit einer App begleitet. Dort konnten Ortsparteien ihre Positionen zu Themen einstellen und so entstand ein kommunalpolitischer Wahl-O-Mat. Das Projekt, über das auch KOMMUNAL berichtet hatte, heißt Voto, eine Art Online-Wahlhilfe. Die Wähler konnten mit dem Programm ihre eigene Position mit denen der Parteien abgleichen. 

Mit den zahlreichen Daten aus dem Voto haben die Forscher nun weitergearbeitet und versucht, pragmatische Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Parteien auf kommunaler Ebene herauszufinden. Im Ergebnis geben die Daten einen interessanten Einblick in unterschiedliche Aspekte. Vier Bereiche daraus haben die Projektmacher verglichen - und unter anderem eingeteilt in die Themenbereiche "kommunale Demokratie", Umweltschutz, Innere Sicherheit und Diversity. 

Gewertet wurde immer auf einer Skala von "starke Ablehnung" über "Ablehnung", "Neutral" bis zur "Zustimmung" und "starke Zustimmung". Durch die Mittelwerte der Parteien ergeben sich teils Ergebnisse, die zwischen diesen Wertungspunkten liegen. Alle Positionen geben also jeweils nur eine Richtung an, nicht aber einen genauen Wert. 

Auswertung der Positionen bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen 

Die Auswertungen sind jeweils ein Mittelwert der Positionen, den die verschiedenen Stadt- und Ortsverbände der jeweiligen Partei angegeben haben. Beteiligt haben sich bei den größeren Parteien jeweils 42 Stadtverbände (CDU und SPD), bei den kleineren Parteien schwankt die Zahl der Teilnehmer zwischen 23 und 40 (Grüne, FDP, AfD, Linke). 

Beim Thema "kommunale Demokratie" fällt auf, dass die Positionen aller sechs relevanten Parteien teils sehr eng beeinander liegen. Auf die Frage: "Sollen Kommunen ihre Bürger häufiger befragen" liegen alle Parteien zwischen Zustimmung und starker Zustimmung. Bei der CDU ist die Zustimmung nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei Linken und AfD, die in Richtung "starke Zustimmung" tendierten.

Auffallende Einigkeit gab es auch bei der Frage: "Ist das Wahlsystem für die Gemeinde- und Stadträte zu kompliziert?". Die Parteien sind offenbar durchaus zufrieden mit dem Wahlsystem in Niedersachsen. Zum Hintergrund: Niedersachsen hat ein Dreistimmen-Wahlrecht, bei dem kumulieren und panaschieren erlaubt ist. Bei der Linken fiel die Antwort auf "neutral" alle anderen Parteien haben die These, das Wahlsystem sei zu kompliziert eher leicht verneint und liegen zwischen "Neutral und Ablehnung" nahezu gleichauf auf dem Grafen. 

Der Hintergrund dieser Frage: Die Wahlzettel werden häufig in den Medien und von Bürgern kritisiert. Die Auflistung aller Kandidaten und die Vielfalt der Wahloptionen führe zu einer großen Unübersichtlichkeit. Diese Kritik wird von den Parteien zumindest in den Wahlprogrammen jedoch nicht geteilt.

Auch bei den Kommunalwahlen zeigen sich Unterschiede beim Thema Umwelt und Klimaschutz 

Deutlicher auseinander liegen die Parteien etwa bei Fragen zum Thema ökologische Landwirtschaft. Hier fällt auf, dass beim Thema Umweltpolitik insgesamt die Parteien im etwa auf der Linie ihrer jeweiligen Bundesparteien liegen. Kommunalpolitik deckt sich hier also offenbar mit der "großen Linie" im Bund. Erwartungsgemäss beantworteten vor allem FDP und AfD die These "Die ökologische Landwirtschaft soll stärker gefördert werden als die konventionelle Landwirtschaft" mit Ablehnung, die CDU-Kommunalwahl-Programme schwanken zwischen neutral und leichter Ablehnung. Ganz anders die Programme von SPD, Grünen und Linken, die zwischen Zustimmung (SPD) und starker Zustimmung (Linke und Grüne) liegen. 

Ähnlich deutlich das Bild beim Thema Windkraft. Die These "Der Ausbau von Windkraftanlagen in der Gemeinde soll weiter vorangetrieben werden" stößt in den Programmen der AfD auf starke Ablehnung, in denen der FDP auf leichte Ablehnung. Auf Zustimmung hingegen trifft die These bei CDU und SPD, bei Grünen und Linken auf "starke Zustimmung". 

Und auch die These "Alle politischen Entscheidungen sollen auf ihre Auswirkungen auf das Klima geprüft werden" wird in den Programmen der AfD abgelehnt, die FDP-Programme verhalten sich unterm Strich neutral, bei der CDU trifft die These auf Zustimmung, bei SPD, Grünen und Linken auf "starke Zustimmung".

Innere Sicherheit war auch bei den Kommunalwahlen ein wichtiges Thema 

Beim Thema Innere Sicherheit sind die Parteiprogramme für die Kommunalwahlen in Niedersachsen teils gar nicht so weit auseinander, wie man das auf den ersten Blick vermuten könnte. Bei der konkreten These "Wichtige Plätze und Straßen sollen videoüberwacht werden" etwa ist die Ablehnung deutlich überwiegend. Besonders stark bei FDP und Linken, aber auch bei Grünen, SPD und AfD wird die These eher abgelehnt, wenn auch nicht so stark. Einzig bei der CDU findet sich der Balken im Bereich "Zustimmung", aber auch hier nicht in besonders starkem Maße. 

Ähnlich das Bild bei der These "Die Präsenz der Polizei im öffentlichen Raum soll erhöht werden". Abgesehen von der Linkspartei, bei der die These auf "starke Ablehnung" stößt, sind alle Parteien grundsätzlich dafür. Bei den Grünen fällt die Zustimmung sehr moderat aus (zwischen Neutral und Zustimmung), alle anderen Parteien stimmen deutlich zu. 

So sehr spaltet selbst bei Kommunalwahlen das Thema "Diversität"

Klar ideologisch besetzt hingegen ist eine Frage, die die Forscher der Universität und der TU den Parteien zusätzlich gestellt haben. Sie betrifft vor allem den öffentlichen Dienst. Es geht konkret um die Frage, ob Führungspositionen in der öffentlichen Verwaltung und in kommunalen Unternehmen zu gleichen Teilen von Frauen und Männern besetzt werden müssen. Starke Ablehnung hier bei der AfD, Ablehnung auch bei der FDP. Leichte Zustimmung bei der CDU und starke Zustimmung bei den kommunalen Parteien im linken Spektrum. 

Noch deutlicher wird das bei der Frage nach der "Gendersprache" in der Verwaltung und in offiziellen Dokumenten. CDU, FDP und AfD lehnen das deutlich ab, bei der SPD ist leichte Zustimmung, bei Linken und Grünen starke Zustimmung zu verzeichnen. Bei diesem Thema weisen die Studienmacher zudem noch darauf hin, dass die Positionen teils auch in den Ortsverbänden selbst sehr umstritten sind und in verschiedenen Ortsverbänden unterschiedlich bewertet werden. Grobe Linie: In größeren Städten ist die Zustimmung etwas höher, auf dem Land eher niedriger.