Die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Niedersachen zeigen: Das Land hat alles richtig gemacht! Ein Kommentar von Christian Erhardt
Die Ergebnisse der Kommunalwahlen in Niedersachen zeigen: Das Land hat alles richtig gemacht! Ein Kommentar von Christian Erhardt
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Kommentar

Ergebnis der Kommunalwahlen in Niedersachsen: Alles richtig gemacht!

Es ist nur allzu beliebt, kurz vor einer Bundestagswahl aus jeder Umfrage und erst recht aus jedem Wahlergebnis einen Trend ablesen zu wollen. Der lässt sich zwar nach den Kommunalwahlen in Niedersachsen auch ablesen. Aber nicht so, wie sich das die Beobachter der Parteien vielleicht wünschen. Sondern rein inhaltlich. Und das ist gut so. Eine Nachbetrachtung der Kommunalwahlen.

Die Kommunalwahlen in Niedersachsen waren vieles - aber garantiert kein letzter Test vor den Bundestagswahlen. Die CDU in einer riesigen Abwärtsspirale, die SPD innerhalb weniger Wochen im Höhenflug - all diese Umfrageergebnisse auf Bundesebene wollten die Parteien am Abend auch nach den Kommunalwahlen in Niedersachsen gerne bestätigt oder dementiert sehen und dann für sich nutzen. Doch daraus wurde nichts. Denn das zweitgrößte Flächenland Deutschlands hat alles richtig gemacht. Die Kommunalwahlen wurden hier sehr bewusst nicht mit anderen Wahlen zusammengelegt. Und so konnten die Bürger - anders als etwa bei den neun Kommunalwahlen, die zuletzt mit der Europawahl zusammengelegt wurden - tatsächlich über kommunalpolitische Themen und Personen vor Ort abstimmen. Bei Kommunalwahlen, die mit Landtags- oder Europawahlen zusammengelegt werden, war in den letzten Jahren der Trend immer eindeutig. Die Parteien, die etwa bei der Europawahl gut abschnitten, legten auch in nahezu allen Kommunalparlamenten stark zu, bei der Europawahl waren das vor allem die Grünen, die in einigen Kommunen daraufhin Probleme hatten, überhaupt ihre Mandate zu besetzen. Bei anderen Wahlen war es ähnlich. Je nach Landes- oder Bundestrend legten auch vor Ort die jeweiligen Parteien stark zu oder wurden in den Abwärtssog gezogen. 

Entkopplung von anderen Wahlen war absolut richtig 

Die Begründung für die Kopplung von Wahlen war in der Vergangenheit meist, dass so mehr Menschen an Kommunalwahlen teilnehmen würden. Grundsätzlich war das zwar in geringem Umfang so (Ausnahme zuletzt in Hamburg), aber trotzdem haben bei den letzten Kommunalwahlen in den neun Bundesländern sowohl CDU, SPD als auch Linke jeweils weniger Gesamtstimmen erhalten, als bei den Kommunalwahlen zuvor. Ein Automatismus ist das also nicht. Und Niedersachsen zeigt nun: Die Wahlbeteiligung ist offenbar sogar leicht gestiegen im Vergleich zur Wahl vor 5 Jahren. Und das trotz der schwierigen Situation rund um Corona. Die Zahl der Briefwähler war extrem hoch. Offenbar ist es in dem Flächenland also gelungen, die Menschen für kommunale Themen zu motivieren und so an die Wahlurne zu locken. Und die Ergebnisse sprechen für sich. Die Bundestrends spiegeln sich bei dieser Kommunalwahl faktisch nicht wieder.

Das sind die - teils erstaunlichen - Ergebnisse der Kommunalwahlen in Niedersachsen 

Landesweit hätte sich die SPD vermutlich gewünscht, ähnlich wie im Moment in Umfragen auf Bundesebene, deutlich zuzulegen. Doch das war nicht der Fall, landesweit hat sie minimal um 1,2 Prozentpunkte verloren. Aber auch die CDU, auf Bundesebene laut Umfragen aktuell im freien Fall, konnte im etwa ihr Ergebnis von vor 5 Jahren halten - ein Minus von knapp 1,9 Prozent ist jedenfalls kein freier Fall. Unterm Strich bleibt die CDU mit gut 32 Prozent stärkste politische Kraft vor der SPD mit 30 Prozent. 

Die kleineren Parteien legten zwar - wie auch im Bundestrend - zu. Aber bei Weitem nicht so stark, wie in den Bundesumfragen. Das Plus bei den Grünen bei diesen Kommunalwahlen: gut 4 Prozent, was auch einer insgesamt höheren Zahl an Kandidaten geschuldet sein dürfte. Auch die FDP legte - allerdings in Niedersachen auf niedrigem Niveau - zu und verkündet ihr bestes landesweites Kommunalwahlergebnis seit Jahrzehnten. Aber die Bäume wuchsen auch hier nicht in den Himmel. Die AfD spielt interessanterweise in der Kommunalpolitik in Niedersachsen auch weiterhin kaum eine Rolle, ihr landesweites Ergebnis liegt unter 5 Prozent (4,7). Das war bei den Kommunalwahlen in den Ländern, die zeitgleich mit der Europawahl stattfanden, noch deutlich anders. Gerade am Beispiel der AfD zeigt sich, dass sie als Protestpartei gewählt werden, die Kandidaten vor Ort aber nicht mit Kompetenz überzeugen können. Hier wählen die Menschen doch lieber Kandidaten, denen sie auch zutrauen, konkret vor Ort etwas zu verändern. Und da stehen vor allem Personen im Mittelpunkt, wie auch dieses Kommunalwahlen wieder zeigen.

Das sind die Ergebnisse im Details - zahlreiche Stichwahlen in 2 Wochen 

In der Tendenz konnte eine Reihe von Amtsinhabern vor allem auf den Bürgermeisterposten ihr Amt verteidigen. In Meppen (Landkreis Emsland) etwa wurde der parteilose Amtsinhaber Helmut Hermann Knurbein wiedergewählt. Auch Hildesheims Oberbürgermeister Ingo Meyer schaffte es mit 59 Prozent gleich im ersten Wahlgang erneut. Der parteilose Bürgermeister von Geestland, Thorsten Krüger wurde ebenfalls im Amt bestätigt. Er hatte sich überregional mit seiner Unterstützung in der Flüchtlingspolitik einen Namen gemacht, auch KOMMUNAL hatte über seine Initiativen berichtet. 

Dass die Bürger ihre Bürgermeister aber nicht mehr - wie es früher fast als Automatismus galt - wiederwählen, wenn sie im Amt sind, zeigen die zahlreichen Stichwahlen, die in Niedersachsens Kommunen nun in 2 Wochen (dann zusammen mit der Bundestagswahl) stattfinden. Überraschend nur ganz knapp in eine Stichwahl retten konnte sich etwa der ebenfalls durch seine offene Flüchtlingspolitik deutschlandweit bekannt gewordene Bürgermeister von Goslar, Oliver Junk. Auch über ihn haben wir mehrfach berichtet, etwa weil er in der ersten großen Flüchtlingswelle das Land darum bat, ihm mehr Flüchtlinge zuzuweisen. Zudem hatte er eine Klage auf Sitz im Kreistag (Bürgermeister dürfen in einigen Bundesländern, wie etwa Niedersachsen zeitgleich keinen Sitz im Kreistag haben) angestrengt und verloren. Zuletzt hatte er mit einer Aktion zum Thema Hundekot von sich reden gemacht, musste das Projekt aber dann wieder stoppen. Genützt hat ihm die Prominenz offenbar wenig, er landete abgeschlagen bei 32 Prozent der Stimmen, seine Herausforderin, die Jugendrichterin Urte Schwerdtner, verfehlte mit wenigen Stimmen jedoch im ersten Wahlgang knapp die absolute Mehrheit. 

Andere Oberbürgermeister konnten da am Abend mehr strahlen, etwa Frank Klingebiel. Er ist seit 15 Jahren Oberbürgermeister von Salzgitter und wird dies auch weitere fünf Jahre bleiben. Spannende Ergebnisse gab es auch in Orten, in denen die amtierenden Bürgermeiste nicht mehr antraten. Etwa in Braunschweig. Dort will Ulrich Markurth das Zepter weiterreichen. An wen, ist aber noch unklar und wird in einer Stichwahl entschieden. Im ersten Wahlgang bekam Thorsten Kornblum von der SPD mit 38 Prozent die meisten Stimmen. Er wird gegen den parteilosen, von CDU, FDP und VOLT unterstützen Kandidaten Kaspar Haller (27 Prozent) erneut antreten. Auch in Wolfenbüttel gibt es eine Stichwahl.- der parteilose Ivica Lukanic bekam im ersten Wahlgang mit 37 Prozent mit Abstand die meisten Stimmen. 

Auch Landratswahlen fanden statt. Am wenigsten aufregend war das in Celle - dort gab es mit Axel Falder nur einen Kandidaten. Er war seit Oktober Sozialdezernent, zuvor Geschäftsführer beim Roten Kreuz in Celle. Unterstützt wurde er. von einem breiten Bündnis aus CDU, SPD, FDP, Freien Wählergruppen. Nur Grüne, Linke und AfD unterstützten ihn nicht, schickten aber auch keinen eigenen Bewerber ins Rennen. 

In Goslar wurde Alexander Saipa im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewählt. Bei der Landratswahl in Helmstedt hingegen gab es im ersten Wahlgang ein Kopf an Kopf Rennen zwischen Gerhard Radeck und Jan Fricke. Sie müssen (47 zu 44 Prozent) in eine Stichwahl. In der Region Hannover wird ein neuer Regionspräsident gewählt, denn Amtsinhaber Hauke Jagau trat nicht mehr an. So werden Steffen Krach und Christine Karasch, die am Abend die meisten Stimmen bekamen, nun in zwei Wochen in einer Stichwahl erneut gegeneinander antreten. 

Weniger Beachtung finden meist die Bürgermeisterwahlen in kleinen Gemeinden in Niedersachsen. Auch hier gab es ein buntes Bild. Viele amtierende Bürgermeister wurden wiedergewählt, so etwa die durch soziale Medien überregional bekannte Rathauschefin von Pattensen, Ramona Schumann.

Die Lehren aus den Kommunalwahlen in Niedersachsen

Das bunte Bild mit lokal sehr unterschiedlichen Ergebnissen zeigt, wie wichtig es ist, dass die Kommunalwahlen als eigenständige Wahl stattfinden. Denn nur so haben die Bürger die Chance, sich ohne Ablenkung durch andere Wahlen, in Ruhe ein Bild über die Themen und Forderungen vor Ort zu machen. Die verschiedenen politischen Ebenen werden - das zeigen auch unsere Umfragen gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa immer wieder - eben sehr wohl auch unterschiedlich wahrgenommen. Alles in einen Topf zu werfen, und so übrigens die Kommunen durch die zeitgleiche Auszählung mehrerer Wahlen mit zusätzlicher Arbeit zu belasten, ist nicht der richtige Weg. Niedersachsen hat in dieser Hinsicht alles richtig gemacht! Herzlichen Glückwunsch! Und allen Gewählten wünschen wir viel Erfolg und das nötige Durchhaltevermögen!