In den Kommunen wird auch die "große Politik" unmittelbar erfahrbar. © fotolia.com

Kommunalpolitiker genießen Vertrauen

21. Oktober 2014
Prof. Manfred Güllner, Chef des renommierten Meinungsforschungsinstituts Forsa, über kommunalpolitische Trends, Probleme und Befindlichkeiten der Wähler.

KOMMUNAL: Herr Prof. Güllner, fühlen sich die Bürger in Deutschland eigentlich grundsätzlich gut von ihren kommunalen Entscheidungsträgern vertreten? Manfred Güllner: Das hängt im Wesentlichen von der Größe der Gemeinde und vom Stil der Kommunalpolitik ab. Generell ist die Entfremdung zwischen politischen Akteuren vor Ort und den Bürgern in kleinen Gemeinden (z.B. in Bayern) deutlich geringer als in urbanen Metropolen. Und dort, wo die Kommunalpolitik ihre Entscheidungen überwiegend an lautstark agierenden Minoritäten orientiert und die Interessen der Mehrheit der Bürger nicht mehr in ausreichendem Maße berücksichtigt, wächst der Unmut über die politischen Akteure vor Ort.

Forsa-Chef Prof. Manfred Güllner © Forsa

Und je größer eine Kommune ist, desto weniger verbunden fühlen sich die Bürger mit ihren kommunalpolitischen Vertretern? Das hängt sehr stark davon ab, ob die Politiker vor Ort der Versuchung erliegen, im Rathaus „große Politik“ zu spielen und ideologische Konfliktlinien zwischen den Fraktionen überzubetonen. In der Tat ist das wiederum eher in größeren Städten der Fall. Dort aber, wo die politischen Akteure auf lokaler Ebene die Erwartungen der Bürger an die Kommunalpolitik erfüllen und eine eher konsens- als konfliktorientierte Gemeindepolitik betreiben, ist das Vertrauen zur lokalen Politikebene noch recht groß. Wie schneiden denn die kommunalpolitisch Verantwortlichen in der Gunst der Bürger im Vergleich zu den Landes- oder Bundespolitikern ab? Die kommunalen Mandatsträger, allen voran die Bürgermeister, sind seit jeher mehr Bürgern bekannt als die jeweiligen Landtags- oder Bundestagsabgeordneten. Zu den Vertretern in den kommunalen Parlamenten suchen die Bürger auch eher Kontakt als zu den Abgeordneten im Land- oder Bundestag. Das hieße im Umkehrschluss, dass Kommunalpolitik die Menschen mehr interessiert, als Landes- oder Bundespolitik? Die Menschen interessieren sich – anders als vielfach gemutmaßt und unterstellt – nach wie vor in hohem Maße für das, was in der Welt, in Deutschland, in ihrer Region und ihrer Wohngemeinde geschieht. Die große Mehrheit der Bürger ist deshalb sehr gut informiert über die Probleme in ihrer Stadt und über die Politiker vor Ort. Die Urteile über die politischen Angebote in der jeweiligen Gemeinde sind von daher in aller Regel recht fundiert. Wie informieren sich denn die Bürger über das lokale Geschehen? Die Bürger informieren sich bei allem Wandel in den Kommunikationsgewohnheiten gerade über das Geschehen in ihrer Gemeinde nach wie vor durch klassische Medien – vor allem die lokale Zeitung – und durch personale Kommunikation – also Gespräche mit Verwandten, Freunden und Bekannten, Nachbarn oder Arbeitskollegen. Trotz aller neuer Medien ist diese personale Kommunikation auch für die jüngeren Bürger extrem wichtig zur Meinungsbildung über die handelnden Personen in der Kommunalpolitik. Die Kommunalpolitik muss sich also davor hüten, in den neuen Medien ein Allheilmittel gegen den Frust der Bürger zu sehen. Wieso aber sinkt bei der an sich großen Wahrnehmung der lokalen Politik die Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen stetig? Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich vor allem in den größeren Städten die Politik oft nicht mehr an den Interessen und Bedürfnissen der Bürger orientiert, sondern eher an ideologischen Dogmen der Führungskader der Parteien, an Wünschen und Vorlieben von Minderheiten oder an Modetorheiten. Ein Beispiel aus früherer Zeit ist die Schaffung „atomfreier Zonen“, die die Mehrheit der Bürger eher als Spinnerei eingeschätzt hat. Die Bürger wussten ja, dass ein Bomberpilot sein Ziel nicht danach auswählen würde, ob an der Stadtgrenze ein gelbes Schild mit dem Hinweis auf eine atomwaffenfreie Zone aufgestellt ist oder nicht. Andere Beispiele sind z.B. verkehrspolitische Maßnahmen wie Anfang der 1990er Jahre die „roten Tonnen“ in Kassel, autofreie „Fahrradstädte“ wie in Erlangen, die Einrichtung von „Fahrradstraßen“ oder „Fahrradbeschleunigungsspuren“ oder auch die Umweltzonen, die mehr Symbolpolitik waren und die Lebensverhältnisse der Menschen positiv nicht wirklich beeinflusst haben. Was könnte die Kommunalpolitik tun, um die wachsende Zahl von Wahlverweigerern wieder zu reduzieren? Wichtig wäre, keine weiteren Experimente bei Wahlsystemen und Wahlordnungen – wie z.B. in Hessen, Hamburg oder Bremen – mehr vorzunehmen. Vorgeblich bürgerfreundliche Wahlsysteme mit immer mehr Stimmen bringen eben nicht mehr Demokratie, sondern verunsichern und verärgern viele Bürger. Am wichtigsten aber ist, dass die Politiker vor Ort wieder Kommunalpolitik betreiben und nicht Elemente der „großen Politik“ im Rathaus zelebrieren und dass sie ihre Entscheidungen an den Interessen der Mehrheit der Bürger orientieren und nicht einer Diktatur von Minderheiten nachgeben.