Kommunalpolitik genießt weiter Vertrauen, aber die Zustimmungswerte sinken - woran das liegt und was zu tun ist - eine Analyse von Christian Erhardt
Kommunalpolitik genießt weiter Vertrauen, aber die Zustimmungswerte sinken - woran das liegt und was zu tun ist - eine Analyse von Christian Erhardt
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Forsa-Aktuell

Kann Kommunalpolitik Querdenker und AfD-Anhänger zurückgewinnen?

Das Vertrauen der Deutschen in ihre Institutionen schwindet wieder. Vor allem die Werte für die Kommunalpolitik sind im vergangenen Jahr auffallend gesunken, wie eine neue Analyse des Meinungsforschungsinstituts Forsa zeigt. Es offenbart aber gleichzeitig eine gewisse Hoffnung, dass nur die lokale Ebene in der Lage sein könnte, die tiefen Gräben vor allem zwischen Querdenkern, AfD-Anhängern und anderen "demokratieskeptisch" eingestellten Bürgern, zu kitten. Eine Analyse von Christian Erhardt.

Kommunalpolitik schneidet im Vergleich zur "großen Politik" üblicherweise relativ gut ab, wenn es um die Vertrauenswerte geht. Während politische Parteien und die Europäische Union bei Umfragen zum Vertrauen seit Jahren die Schlusslichter bilden, schneiden Kommunalpolitiker, Stadtverwaltungen und erst recht Bürgermeister in Deutschland vergleichsweise gut ab. Doch das Vertrauen in alle Institutionen schwindet mit der länger anhaltenden Corona-Krise. Das ist das Ergebnis der jüngsten Analyse unseres Partners, dem Meinungsforschungsinstitut Forsa. 

So groß ist das Vertrauen in die Kommunalpolitik 

Das Meinungsforschungsinstitut Forsa erhebt seit vielen Jahren immer zu Beginn eines Jahres die Vertrauenswerte. Auch in diesem Jahr wurden wieder über 4000 Menschen repräsentativ befragt. Der Trend der Vorjahre: Gerade in der Corona-Krise ist das Vertrauen der Bürger in die Institutionen gestiegen, insbesondere in die Kommunalpolitik vor Ort. KOMMUNAL hatte die Zahlen in den vergangenen Jahren immer wieder veröffentlicht. Der Trend der vergangenen Jahre dabei: Je kleiner eine Gemeinde, desto größer das Vertrauen der Bürger in ihren Bürgermeister, die Gemeindevertreter und die Stadtverwaltung. 

Das ist auch der Grund, warum Kommunalpolitiker in Nordrhein-Westfalen mit ihren zahlreichen Großstädten immer am schlechtesten abschneiden, während die Werte für die Kommunalpolitik im sehr viel kleinteiliger strukturierten Bayern besonders hoch sind. 

Kommunalpolitik und "große Politik" verlieren gleichermaßen Vertrauen 

Die Tendenz bleibt auch in diesem Jahr erhalten. Und doch fällt auf, dass die Werte deutlich unter denen der Vorjahre liegen. Vor allem für die Kommunalpolitik vor Ort waren die Vertrauenswerte zu Beginn der Corona-Krise deutlich gestiegen. Jetzt zeigt sich: Je länger die Corona-Krise dauert, desto mehr schwindet das Vertrauen der Bürger. 

Weiter auf hohem Niveau ist das Vertrauen in den Bundespräsidenten. Möglicherweise auch bedingt durch eine erst wenige Wochen im Amt befindliche neue Bundesregierung sind hingegen die Werte für den neuen Bundeskanzler (im Vergleich zu seiner Amtsvorgängerin) und in die Bundesregierung deutlich gesunken. Aber auch die Bürgermeister und die Oberbürgermeister in Deutschland verlieren leicht an Vertrauen. Immerhin noch 55 Prozent haben großes Vertrauen zu ihrem Stadtoberhaupt. Auch die Gemeindevertretungen verlieren leicht, aber auch hier ist das Vertrauen einer Mehrheit der Bevölkerung ebenso weiter da wie das Vertrauen in die Stadtverwaltung. 

Kommunalpolitik

Insgesamt sind die Werte für die Kommunalpolitik damit wieder auf den Werten, die Forsa schon vor der Krise gemessen hat. Das Vertrauen während des ersten Lockdowns war somit wohl nur "geliehen", trotzdem kann sich die Kommunalpolitik im Vergleich zur "großen Politik" weiter sehen lassen. Besonders wichtig dabei: Kommunalpolitik darf in den Gemeinden keine Parteipolitik sein. Generell gilt ja: Je größer eine Kommune, desto stärker werden auch Parteipräferenzen deutlich. Genau das ist aber wohl ein Problem größerer Städte: Die Bürger wollen vor Ort keine Parteipolitik, sondern Sachpolitik. Deutlicher Fingerzeig, warum Kommunalpolitiker nicht parteipolitisch agieren sollten, sind die "katastrophalen Werte" für die politischen Parteien. Nicht einmal jeder vierte Deutsche vertraut den Parteien noch. 

Kann nur die Kommunalpolitik "Querdenker, Demokratie-Skeptiker und AfD-Wähler" wieder einfangen?

Und doch macht auch diese Umfrage ein wenig Hoffnung. Das Meinungsforschungsinstitut hat sich nämlich auch ausführlich mit den Anhängern der AfD beschäftigt. Aus vergangenen Umfragen von Forsa ist bekannt, dass etwa Deutschlands Impfgegner mehrheitlich (über 50 Prozent) die AfD bei der letzten Bundestagswahl gewählt haben. Auch auf Querdenker-Demos, den Corona-Spaziergängen und vielen anderen Kundgebungen tauchen Anhänger der AfD überdurchschnittlich oft auf. 

Umso spannender ist die Frage, wem diese Anhänger überhaupt noch vertrauen. Kurz gesagt: Das Vertrauen dieser Klientel in Institutionen ist insgesamt extrem gering. Der Bundespräsidenten etwa, dem insgesamt 75 Prozent der Deutschen großes Vertrauen schenken, schneidet mit 15 Prozent erschreckend schlecht ab.

Das relativ betrachtet höchste Vertrauen haben AfD Anhänger aber noch in die kommunale Ebene. Immerhin knapp jeder Dritte vertraut noch seiner Gemeindevertretung. Auch die Bürgermeister und Oberbürgermeister schneiden mit rund 30 Prozent noch vergleichsweise gut ab, landen im Vertrauensranking hinter den Kommunalpolitiker auf dem zweiten Platz. Gefolgt von der Stadtverwaltung mit ähnlichen Werten. Hier fällt auf, dass das Vertrauen in den "westdeutschen Bundesländern" mit 23 Prozent deutlich geringer ist, als in den "ostdeutschen Bundesländern" (29 %).

Kommunalpolitik Forsa

Kommentar: Protestwähler nicht abschreiben 

Mein Fazit: Bund und Länder haben den Draht zu "Demokratieskeptikern" längst verloren. Einzig die Kommunalpolitik hat noch eine gewisse Chance, einen Teil dieser Menschen für sich und die Ziele von Demokratie und Politik vor Ort zu überzeugen. Für Bürgermeister und Gemeindevertreter heißt das: Verbal abrüsten und auch diesen Teil der Gesellschaft nicht kategorisch ausschließen. Zumindest einige lassen sich offenbar über den persönlichen Kontakt vor Ort noch zurückgewinnen. "Versöhnen statt spalten" muss die Devise also heißen, um mit Willy Brandt zu sprechen. 

Einfach wird das sicher nicht, und es wäre eine Illusion zu glauben, wir könnten vor Ort die Demokratiefeinde doch noch überzeugen. Aber steter Tropfen höhlt den Stein und auch in dieser Gruppe befinden sich noch Menschen, die wir "zurückgewinnen können"....einige zumindest...