Interkommunale Zusammenarbeit-Difu
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Interkommunale Zusammenarbeit

So erfolgreich arbeiten Kommunen zusammen

Es gibt durchaus Alternativen zur Gemeindefusion: Eine spannende Publikation zeigt, auf welchen Gebieten Kommunen erfolgreich zusammenarbeiten können. Den Anlass bietet das Projekt "Region ist Solidarität" der Stadt München mit den Umlandkreisen.

Viele Kommunen stehen vor den gleichen Herausforderungen: beim Verkehr, dem Wohnungsbau, in der Bildung oder bei der wirtschaftlichen Entwicklung. Da fällt einem spontan der alte Spruch "Gemeinsam ist man stärker" ein. Oft verhindern Konkurrenzdenken und auch fehlendes Wissen über eine mögliche praktische Umsetzung jedoch, dass Städte, Gemeinden und Landkreise in einer Region an einem Strang ziehen. Im Auftrag der bayerischen Landeshauptstadt München und der Landkreise Dachau und Ebersberg ist nun eine Studie entstanden, die erfolgreiche Beispiele beschreibt, wie Kommunen und Kreise in Regionen zusammen arbeiten können. Inhaltlich geht es um die Frage, wie ein gerechter Ausgleich von Lasten und Nutzen zwischen Stadt und Region funktionieren kann. 

Alternativen der Kommunen zur Gemeindefusion und zu Gebietsreformen

Anlass war die Bewertung der ersten Stufe eines gemeinsamen Projekts München und der beiden Kreise im Regionalen Bündnis für Wohnungsbau und Infrastruktur. Dieses Projekt ist mit "Region ist Solidarität" überschrieben. Der  Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum München, die IHK für München und Oberbayern, die Technische Universität TU München und das Deutsche Institut für Urbanstik (Difu) wirkten bei der Suche nach einer Antwort auf das anhaltende Wachstum im Großraum München ebenfalls mit. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse der Difu-Studie zeigen, dass es durchaus Alternativen für Gemeindefusionen oder Gebietsreformen gibt.

Interkommunale Zusammenarbeit-Difu

Die Verfasser der Broschüre weisen darauf hin, dass die Kommunen schon wegen der Bedürfnisse der Bürger dazu aufgerufen sind, das Leben in der Region noch stärker durch interkommunale Kooperation und gemeinsame Projekte zu gestalten. Denn die Probleme und Aufgaben enden nicht an der Gemeindegrenze. Und die Bedürfnisse der Menschen eben auch nicht:

Die Bewohner arbeiten oft in einer anderen Gemeinde und nutzen dafür den ÖPNV, die Schüler besuchen woanders eine Schule. Gemeinsam könnten der öffentliche Nahverkehr besser organisiert oder die kontraproduktive Konkurrenz benachbarter Gewerbegebiete zugunsten einer abgestimmten Vermarktung würde abgebaut.

Oberbürgermeister Dieter Reiter: Interkommunal besser abstimmen

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter plädiert für folgenden Weg: "In Zukunft müssen wir Standorte für Wohnen, Gewerbe, Infrastrukturen und Freiräume noch stärker interkommunal abstimmen." Das spare Ressourcen und Geld, vermeide Verkehr und schone das Klima. "Nachteile und Belastungen aus einer solchen freiwilligen interkommunal vereinbarten Arbeits- und Funktionsteilung müssten dann aber auch gerecht unter den betroffenen Kommunen und Projektpartnern ausgeglichen werden", fordert er. Dabei kann es sich um konkrete finanzielle Vereinbarungen oder andere konkrete Abmachungen handeln.

Park & Ride-Platz gemeinsam finanzieren

Der Landrat des Landkreises Dachau, Stefan Löwl, fragt zum Beispiel: "Warum soll eine Gemeinde wie Petershausen im Landkreis Dachau die Last eines dringend benötigten Ausbaus des Park & Ride-Platzes am dortigen Bahnhof alleine tragen, wenn von der Maßnahme mehrheitlich Bürgerinnen und Bürger anderer Gemeinden und Landkreis profitieren? Oder warum kann eine Gemeinde im landschaftlich schönen Hinterland ohne ideale Straßen- und Schienenanbindung nicht von Gewerbeansiedlungen in anderen Gemeinden profitieren? Und im Gegenzug Ausgleichsflächen, Wohnraum und soziale Infrastruktur zur Verfügung stellen?

Robert Niedergesäß, Landrat des Landkreises Ebersberg, erläutert, wie daran gearbeitet wird, bezahlbaren Wohnraum bereit zu stellen - mit dem gemeinsamen Kommunalunternehmen, der Wohnungsbaugesellschaft Ebersberg, Der Landkreis ist nicht für den Wohnungsbau zuständig.  Die Kommunen verfügen über die Grundstücke, die Landkreisverwaltung aber über das Know-How. Gemeinsam entstand so ein Gebäude mit 21 Wohnungen, ein zweites ist in Bau. Die nächsten Objekte für Personalwohnungen an der Kreisklinik und in der Gemeinde Anzing sind in Planung. Inzwischen gehören vier Kommunen  dem 2017 gegründeten Kommunalunternehmen an, 2020 werden weitere beitreten. "Dies ist ein weiteres gelungenes Beispiel, wie Nutzen und Lasten unter den Kommunen verteilt werden und wie ein institutioneller Ausgleich gelingt", so der Landrat.

Großraum München: Von Wohnen bis Verkehr

Im Großraum München wurden acht Handlungsfelder definiert: Attraktive Wohnstandorte, Gewerbe und Handel, Entwicklung und Konversionsflächen, Medizinische Versorgung, Grüne Infrastruktur, Mobilität, multimodale Verkehrsangebote und Bildungsinfrastruktur.

Was kann interkommunale Zusammenarbeit sein?

  • sich mit den Nachbargemeinden oder den Gemeinden zu vernetzen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen
  • Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig beraten
  • Synergien durch Bündelung von Potenzialen nutzen und Ressourcen sparen

Wie können Ziele der interkommunalen Zusammenarbeit aussehen?

  • Die kommunale Identität wahren
  • Auf Augenhöhe miteinander sprechen
  • Gemeinsame Projekte erfolgreich umsetzen

Oft scheitern interkommunale Vorhaben an der Finanzierung. Deshalb kommt dem Ausgleich von Lasten und Nutzen eine zentrale Rolle zu.  Bei  der EU, aber auch auf Bundes- und Landesebene, können Fördermittel beantragt werden, um die interkommunale Kooperationen zu unterstützen.  So wäre es denkbar, einen interkommunalen Investitionsfonds einzurichten. In diesen Fonds zahlen alle kooperierenden Kommunen ein. Es könnten Paketlösungen ausgehandelt werden. Zum Beispiel könnten Planungs- und Realisierungskosten in der Gemeinde A mit der möglichen Nutzung von Bildungs- und Freizeitangeboten in der Gemeinde B verrechnet werden.

 Erfolgreiche Beispiele für eine interkommunale Zusammenarbeit gibt es bundesweit genug: 

  • Bereits 2007/8 hat der Regionale Arbeitskreis Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler mit den Städten und Gemeinden der Region ein Regionales Handlungskonzept Wohnen 2020 erstellt.
  • Der 1972 gegründete Zweckverband Raum Kassel  hat mit seinem Güterverkehrszentrum GVZ  1200 Arbeitsplätze geschaffen, davon 400 allein in den vergangenen zwei Jahren.
  • Die Städte Leipheim und Günzburg sowie die Gemeinde Bubesheim haben sich 2005 zur kommunalen Arbeitsgemeinschaft Konversion Fliegerhorst zusammengeschlossen. Dort entstehen unter anderem etwa 90 Hektar Gewerbeflächen.
  • Ein integriertes Klimaschutzkonzept haben die Kommunen Lohmar, Much und Ruppichteroth im Bergischen Rhein-Siegkreis erstellt. Seit 2014 beschäftigen sie einen gemeinsamen Klimamanager. Mittlerweile gibt es für die drei beteiligten Kommunenauch ein gemeinsames Klimaschutzportal.
  • Die Hersbrucker Ärztegenossenschaft eG wurde 2009 gegründet und ist derzeit in 48 regionalen Arztpraxen organisiert. Sie organisiert Notdienste außerhalb der Dienstzeiten, stellt eine ärztliche 24-Stunden-Versorgung sicher und bietet einen ärztlichen Hausbesuchsdienst.  Auf diesem Wege können im Altlandkreis Hersbruck etwa 36.000 Menschen außerhalb der Öffnungszeiten der Arztpraxen versorgt werden.
  • Die Stadt Bernburg an der Saale hat mit dem Ortsteil Aderstedt und der Gemeinde Gröna einen gemeinsamen Flächennutzungsplan  erarbeitet.
  • 47 Gemeinden der niedersächsischen Landkreise Nienburg/Weser und Gifhorn erarbeiteten und erprobten den Kommunalen Innenentwicklungsfonds. Die Kommunen sollen nach einem Schlüssel, der sich an der Einwohnerzahl und Steuerkraft orientiert, in den Fonds einzahlen. Die beiden Landkreise wollen den Fonds in einer vergleichbaren Höhe unterstützen. Wer die besten Ideen zur Innenentwicklung hat, erhält einen nicht zurückzahlbaren Zuschuss aus dem Fonds.