Grafik Mann greift nach den Sternen
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Analyse

So entstehen die KOMMUNAL-Rankings

Ob familienfreundlichste Kommune oder finanzstärkste Stadt - wie entsteht eigentlich das Ranking, das KOMMUNAL seit bald vier Jahren veröffentlicht? Henner Lüttich, Geschäftsführer der Contor-Regio, erläutert im Interview, wie er bei seiner Analyse vorgeht.

Beim KOMMUNAL-Ranking freuen sich die Städte, die sonst keine so große Beachtung finden, ganz besonders über erste Plätze im bundesweiten Vergleich. Warum sind die häufig so überrascht?

Henner Lüttich: Dass Kommunen sich über das Ergebnis oft wundern, ist das Spannende. Deutschland hat 11.000 Städte und Gemeinden. Es werden da gerne die großen Städte wie Hamburg, Berlin und Frankfurt oder München betrachtet. Für mich aber spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Kleinstadt oder eine Großstadt handelt. Ich kann auch Dörfer miteinander vergleichen. Contor Regio erstellt eine Rangfolge der Städte oder Regionen in Hinblick auf die Eignung für bestimmte Unternehmenszwecke – zum Beispiel für den Maschinenbau oder Einzelhandel.

Wie entstand die Idee?

Ich bin Diplomkaufmann und habe 13 Jahre lang kleine und mittlere Unternehmen, die kurz vor dem Konkurs standen, saniert. Dazu bin ich in die Betriebe gegangen und habe Sanierungskonzepte entwickelt. Dabei ist mir mehrfach aufgefallen, dass der Crash eines Unternehmens durch Investitionen am falschen Standort ausgelöst wurde. Die falsch gesetzten Investitionen haben viel Geld verbrannt.

So kamen Sie zur Standortanalyse? Mir ging das nicht mehr aus dem Kopf: Dass gestandene und gute Unternehmer, denen es gelungen war, ein Unternehmen aufzubauen und am Markt zu etablieren, so falsche Entscheidungen treffen konnten. Ich bin ein Jahr nochmal an die Universität gegangen und habe dort die gesamte Standortliteratur durchgearbeitet. Danach entwickelte ich ein System, das Standortanalysen mit multivariaten statistischen Methoden ermöglicht. Damit war ich der erste in Europa, der Standorte über Clusteranalysen untersucht hat. Um diese zeitintensiven Verfahren weiter zu vereinfachen, habe ich dann mit Contor-Regio eine Software entwickelt, die mit eigenen mathematischen Algorithmen Standortanalysen schnell, einfach und klar erstellt.



Wie sieht dieses System konkret aus?

Über die von mir entwickelte Software kann ich sehr viele Faktoren mittels Ranking oder StärkenSchwächen-Analyse gleichzeitig analysieren. Wie ich dabei vorgehe? Mich interessieren Indikatoren wie verfügbares Einkommen, Bruttoinlandsprodukt, Autobahnanschluss, Nähe zu internationalem Flughafen, aber auch Arbeitslosenquote, Anteil der Beschäftigten in der Dienstleistung, in der Landwirtschaft, im verarbeitenden Gewerbe und zum Beispiel die Bevölkerungsentwicklung. Aus meiner Beraterpraxis abgeleitet, habe ich einen Satz mit 67 Indikatoren angelegt und erhebe danach die Daten sämtlicher Städte und Gemeinden.

Henner Lüttich
Henner Lüttich,  Geschäftsführer der Contor-Regio



Woher stammen die Daten?

Die von uns gesammelten Daten bekommen wir aus allgemein zugänglichen Quellen wie etwa

durch die statistischen Ämter.  Damit die Analyse schnell geht, werden Daten und Algorithmen in einem geschlossenen System vereint. Contor füttert die Software jedes Jahr aktuell mit den Daten sämtlicher Gemeinden in Deutschland bezüglich dieser Indikatoren.



Was lässt sich aus den Ergebnissen konkret ableiten?

Wenn ein Bürgermeister zum Beispiel wissen will, wo die Stadt im Vergleich zu anderen Kommunen steht, dann kann man das auf einen Kreis von 40 Kilometern herum eingrenzen. So erfährt er, dass er etwas anbietet, was kein anderer in der Nähe bietet, das könnte er dann noch ausbauen oder den Investor überzeugen, in dem Ort ein Hotel zu eröffnen. Ein anderer erfährt dadurch, dass er touristisch noch mehr anbieten müsste, um konkurrieren zu können. Oder dass er sich besser auf andere Stärken konzentrieren sollte. Ich kann aber auch deutschlandweit Vergleiche anstellen. Für einen niedrigen dreistelligen Betrag im Jahr kann der Auftraggeber über die Software die Vergleiche selbst erstellen. Gerade Wirtschaftsförderer profitieren davon, den Investor von klar herausgearbeiteten Standortvorteilen zu überzeugen.



Sind Sie selbst auch manchmal erstaunt?

Aber klar. Was mich vor allem erstaunt, ist die unglaubliche Vielfalt unserer Städte und Gemeinden in Deutschland. Und jede hat auf ihre Art Potenzial. Es gibt keine gute und keine schlechte Stadt, es gibt nur Standorte, die nicht für jeden Zweck geeignet sind.



Zum Beispiel?

Nehmen wir mal den Bayerischen Wald. Da ist es sehr schön, für ein internationales Beratungsunternehmen, das sehr viele Industriekunden hat, ist eine kleine Stadt aber wohl nicht der richtige Standort.