Der ehemalige US-Militärflugplatz in Giebelstadt ist heute wieder Flugplatz. Auf dem Gelände soll auch ein Gewerbegebiet entstehen.
Der ehemalige US-Militärflugplatz in Giebelstadt ist heute wieder Flugplatz. Auf dem Gelände soll auch ein Gewerbegebiet entstehen.
© Karl Herrmann

Konversion

Der lange Weg von der Kaserne zum Gewerbepark

Konversionsprojekte stellen viele Kommunen vor große Herausforderungen. Zwei Beispiele machen das deutlich. Am ehemaligen Kasernenstandort Giebelstadt entstand ein Innovationspark – der Weg dorthin war langwierig. In Schwanenwede streitet sich die Gemeinde mit der Bundeswehr.

Das Militär gehörte im fränkischen Giebelstadt lange zum Ortsbild. Von 1968 bis 1996 befand sich in der Gemeinde die „Sanitätsschule Klingholz“ der Bundesluftwaffe. Etwas abgelegen vom übrigen Gemeindegebiet an der Bundesstraße 19, war sie lange Zeit der einzige Bundeswehrstandort mit eigener Postleitzahl. Heute findet sich auf dem Gelände ein Innovationspark. „Wir haben dort ein Gewerbegebiet mit einer gemischten Struktur“, sagt der Bürgermeister von Giebelstadt, Helmut Krämer. Denn die alte Sanitätsschule wurde bereits in den 1990er-Jahren von einem privaten Investor gekauft. Mehr als 30 Firmen haben sich mittlerweile auf dem Gelände niedergelassen, es gibt ein Gästehaus und ein Hotel. Und ein Unternehmen dort gehört mittlerweile zu den größten Arbeitgebern der Region.

 Gewerbegebiet auf Konversionsfläche in Giebelstadt



Doch die alte Sanitätsschule ist nicht das einzige Konversionsobjekt in Giebelstadt. Auf dem Gelände der Gemeinde liegt auch ein alter amerikanischer Militärflugplatz. Er wurde 2006 von den US-Truppen verlassen. Den Flugplatz erwarben die Firma Knauf und die Gemeinde zusammen, er wird bis heute als Flugplatz genutzt. „Von der 265-Hektar-Gesamtfläche entfallen 130 Hektar auf den Flugplatz“, erläutert der Bürgermeister. Die übrige Fläche will die Gemeinde zusammen mit der BImA als Gewerbegebiet vermarkten. Die BImA – das ist die

Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, eine „bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts“ mit Sitz in Bonn. Ihre Aufgabe ist die Verwaltung von 460.000 Hektar Grundstücken und 38.000 Wohnungen in ganz Deutschland  als Nachfolgerin der ehemaligen Bundesvermögensverwaltung. Und sie ist zuständig für Konversionsflächen, also die Verwertung ehemaliger Kasernen alliierter Truppen oder auch der Bundeswehr, die aufgrund der veränderten Sicherheitslage nicht mehr benötigt werden.



„Ein Konversionsprozess wird durch die Ankündigung des Endes einer militärischen Nutzung eines Grundstücks und der Feststellung einer Entbehrlichkeit für Bundeszwecke ausgelöst“, sagt der Sprecher der BImA, Thorsten Grützner. „Mit der Beendigung der militärischen Vornutzung sowie der Rückgabe seitens des militärischen Nutzers erlangt die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) die volle Verfügungsgewalt über in Betracht kommende Liegenschaften und hat zu prüfen, ob alternative Bundesbedarfe bestehen.“ Denn veräußert werden dürften die Liegenschaften nur, wenn sie zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit nicht benötigt werden. „Unter Berücksichtigung geänderter beziehungsweise fortentwickelter Bedarfslagen sind hier Änderungen grundsätzlich ständig möglich.“

BImA will Flächen vorerst behalten

Ein Beispiel dafür: der Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine. „Die aktuellen Herausforderungen bei der Unterbringung von Flüchtlingen und aktuell in Betracht zu ziehende Änderungen der Bedarfslage des Bundes wirken sich auch auf die Konversionsliegenschaften aus, die sich noch im Verkaufsportfolio der BImA befinden“, sagt Grützner. Die BImA müsse sich bei ihren Veräußerungsentscheidungen den sich ändernden Gegebenheiten anpassen und ihr Verkaufsgeschäft danach ausrichten. „Wenn sich Anzeichen ergeben, dass Liegenschaften in absehbarer Zeit zur Erfüllung von Aufgaben des Bundes benötigt werden, verbleiben solche Liegenschaften im BimA-Bestand.“ Deswegen würden die rund 4.000 Hektar Konversionsfläche, die sich derzeit im Portfolio der BimA befänden, eher restriktiv behandelt.  

Vorkaufsrecht der Kommunen

Generell aber haben Kommunen ein Vorkaufsrecht: „Bevor die BImA entbehrliche Konversionsliegenschaften auf dem Immobilienmarkt veräußert, bietet sie diese zunächst den Kommunen oder anderen Gebietskörperschaften zum Kauf im Erstzugriff an“, sagt Grützner. Zudem verfolge die BimA das Ziel, im Zuge der Wohnraumoffensive der Bundesregierung für den Wohnungsbau geeignete Grundstücke vorrangig an Kommunen zu veräußern. Nur wenn die Kommunen auf einen Erwerb der ihnen angebotenen Liegenschaften verzichteten, würden diese auf dem freien Markt veräußert. Mit den Kommunen schließt die BimA in der Regel eine Konversionsvereinbarung ab. Darin wird dann geregelt, wie die städtebaulichen und strukturpolitischen Ziele der Kommune und des Landes sowie die Verwertungsaufgaben der BImA berücksichtigt werden.

Schwanenwede: Streit um Lützow-Kaserne

Doch manchmal kommt es auch zu unvorhersehbaren Problemen. In Schwanewede bei Bremen etwa wird seit zehn Jahren ein Nutzungskonzept für die „Lützow-Kaserne“ der Bundeswehr erarbeitet. Im Dezember 2021 stellte die Bundeswehr dann fest, dass auf dem Gelände weiterhin die Fahrlehrer-Ausbildung der Bundeswehr stattfinden solle. Die Gemeinde schäumte. In einer Pressemitteilung der Kommune ist von einschneidenden Auswirkungen auf das bisher diskutierte Nutzungskonzept die Rede. „Öffentliche Freizeitangebote, Wohnen und potenzielles Gewerbe sind nur schwer mit einer angrenzenden militärischen Nutzung zu vereinbaren“, heißt es da.

In den vergangenen Jahren hätten offizielle hochrangige Stellen der Bundeswehr der Kommune stets bestätigt, dass eine komplette Verlegung - auch des Truppenübungsplatzes - zugesagt wurde, lediglich zum Zeitpunkt des Abzuges gab es Anpassungen. „Auf Basis dessen hat die Gemeinde Schwanewede den Konversionsprozess beschleunigt, Fördermittel in Höhe von 600.000 Euro abgerufen, Gutachten beauftragt und sogar Teilankäufe getätigt.“ Wie es weitergeht, ist noch offen: In der Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Amira Mohamed Ali erklärte Verteidigungsstaatssekretär Thomas Hitschler Anfang des Jahres, dass die Prüfung der Bundeswehr, ob das Gelände noch benötigt werde, noch nicht abgeschlossen sei.

Lange Entscheidungswege als Hemmnis

Doch auch in Giebelstadt ist bei den Konversionsprojekten nicht immer alles glatt gegangen. „Man muss sich als Kommune sehr intensiv Gedanken darüber machen, wie man dieses Thema angeht“, sagt Bürgermeister Krämer. „Aus der heutigen Sicht würde ich diesen Weg nicht mehr so gehen: Die BImA ist letztlich eine Behörde, eine Anstalt öffentlichen Rechts.“ Das führe zu sehr langen Entscheidungswegen und kollidiere mit den Vorstellungen der Investoren.

Aus heutiger Sicht würde ich den Weg nicht mehr mit der BImA gehen.“

Helmut Krämer, Bürgermeister von Giebelstadt

„Aus heutiger Sicht hätten wir das Gelände besser mit der Regierung von Unterfranken und der Städtebauförderung entwickelt“, sagt Krämer.Insgesamt habe Giebelstadt fast 15 Jahre gebraucht, um die Konversionsflächen in der Gemeinde umzuwandeln. Die Debatten darüber seien „teilweise frustrierend“ gewesen, erinnert sich Krämer. „Zumal es wirklich kein Patentrezept gibt, wie eine Kommune eine Konversionsfläche entwickelt: Das ist immer abhängig von der geographischen Lage, von der Größe der Fläche und von der Grundstruktur in der Region.“ Wie stark die Gemeinde am Ende tatsächlich von den neu erschlossenen Flächen profitiere, werde erst die Zukunft zeigen: „Einige Unternehmen scheinen wirtschaftlich tatsächlich so erfolgreich zu sein, dass wir das spüren“, sagt Krämer. „Wichtig ist es in jedem Fall, dass wir die Arbeitsplätze und die Wertschöpfung hier am Ort haben.“ Ohnehin habe eine Kommune keine Wahl, wenn das Militär den Standort aufgibt: „Man muss das Gelände entwickeln“, sagt Krämer. Denn ansonsten werde es schlicht zu einer der Natur überlassenen Ruinenlandschaft - „und das hilft am Ende dann niemandem.“