Die Förderung des ländlichen Raums
Den ländlichen Raum in Zukunft gestalten.
© Adobe Stock

Zukunft für Kommunen

Die goldenen Zügel des Bundes lösen

Fördermittel sind oft an viele Bedingungen geknüpft. Mit dieser Art der kommunalen Finanzierung möchte Christian Haase, Kommunalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, gern aufhören. Weniger Bürokratie und eine bessere Finanzierung – Kommunen sollen gestärkt werden. Was er sich vorstellt hat er im KOMMUNAL-Exklusivinterview erzählt.

Christian Haase, MdB und kommunalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Christian Haase, MdB und kommunalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Herr Haase, die Unionsfraktion im Bundestag hat, in ihrem Siebenpunkteplan, gemeinsam mit der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, Ideen für die Gestaltung von Kommunen vorgestellt. Was ist das Neue und wo sollen ihre Ideen Wirkung entfalten?

Es handelt sich um ein gemeinsames Diskussionspapier von mir, dem Kommunalpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, und Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Die ländlichen Räume sind uns beiden eine Herzensangelegenheit – und diese Sichtweise ist es auch, die unser Papier auszeichnet: Das Dorf ist in meinen Augen nicht die ungeliebte kleine Schwester der Stadt. Im Gegenteil, wir möchten die ländlichen Räume als die Kraftzentren Deutschlands stärken.

Höherer Anteil an der Steuerumlage statt "goldener Zügel"

In ihrem Programm kann man lesen, dass Sie den Kommunen die Fördermittel streichen wollen. Wieso wollen Sie den Kommunen das Geld wegnehmen, oder gibt es einen Ausgleich?

Es ist Aufgabe der Länder für eine auskömmliche Finanzierung ihrer Kommunen zu sorgen. An zahlreiche Bedingungen und Voraussetzungen geknüpfte Förderprogramme widersprechen dem Grundprinzip kommunaler Selbstverwaltung und verstärken die Bürokratie. Nicht von ungefähr macht unter Kommunalen das Sprichwort von den „goldenen Zügeln“ die Runde. Wenn der Bund Mittel zur Verfügung stellen will, hat er hierzu das Instrument des Umsatzsteueranteils. Da bräuchte es allerdings andere Verteilschlüssel.

Warum ist dieser Ausgleich gegebenenfalls besser als zielgerichtete Förderung?

Wir beobachten eine gewaltige Schieflage, was die Förderanträge angeht. Finanzstarke Kommunen leisten sich Förderexperten, um gezielt lukrative Projekte zu identifizieren. Finanzschwache Kommunen hingegen haben in der Verwaltung nicht die Kapazitäten, um notwendige Anträge überhaupt erst zu stellen. Das finde ich ungerecht.

Meinen Sie, dass so vielleicht der viel beschworene Bürokratieabbau funktionieren kann?

Es hilft, wenn wir die Kommunen einfach mal machen lassen. Die Verantwortlichen vor Ort kennen die Bedürfnisse und Gegebenheiten immer am aller besten. Ein gutes Beispiel war der Aufbau der Corona-Testzentren. Da sind überall im Land tolle unterschiedliche Lösungen entstanden, ohne das ein Beamter von Jens Spahn dafür einen Masterplan und seitenweise Anträge vorlegen musste.

Da ist es nur fair, wenn die Bürgermeister nicht länger am Katzentisch der Bundesländer sitzen.

Christian Haase, MdB, Kommunalpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion

Die Städte und Gemeinden im Land sind sehr unterschiedlich und haben enorme Unterschiede in ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen. Viele Bürgermeister wünschen sich eine andere Steuerung für die Wurzeln unseres Gemeinwesens, wie will die Union im Bundestag diese denn unterstützen?

Wir müssen unsere staatlichen Strukturen fit machen für die digitale Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts. Ralph Brinkhaus hat sich im Februar für eine umfassende Staatsmodernisierung ausgesprochen. Wir als Kommunale der Union fordern einen Staatsminister für Kommunale Angelegenheiten. Die Städte und Gemeinden haben immer wieder bewiesen, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Das hat sich in der Flüchtlingskrise gezeigt und auch jetzt wieder in der Pandemie. Da ist es nur fair, wenn die Bürgermeister nicht länger am Katzentisch der Bundesländer sitzen.

Nun wollen Sie auch noch das Ehrenamt vor Ort stärken. Das klingt zunächst gut, aber werden hier nicht hauptamtliche Aufgaben vielleicht externalisiert?

Ehrenamt und bürgerschaftliches Engagement haben auf dem Land eine lange Tradition. Kirchengemeinden, die Freiwillige Feuerwehr oder der Sportverein fungieren als sozialer Kit. Aber immer weniger Menschen wollen sich in den traditionellen Organisationen engagieren. Hier brauchen wir neue Projekte. Aufbauend auf den Erfahrungen aus dem Projekt „Hauptamt stärkt Ehrenamt“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mit dem Deutschen Landkreistag wollen wir in den Kreisen und Gemeinden hauptamtliche Anlaufstellen für Beratung schaffen. Sie sollen als beständige Ansprechpartner wohnortnah oder mobil / digital durch Vernetzung, Qualifizierung und Beratung die Arbeit der Ehrenamtlichen erleichtern.

Wie soll das gehen – Ehrenamt zu unterstützen? Es gibt ja bereits die Bundesstiftung Ehrenamt, brauchen wir nun noch eine Ebene?

Unbedingt. Die Bundesbehörde in Neustrelitz kann allgemeine juristische Fragen oder Anforderungen des Datenschutzes klären. Die spezifischen Probleme vor Ort kann ein Verantwortlicher aus der Region besser lösen. Ich sehe das eher auf Landratsebene.

Gerade in diesem Jahr haben wir gemerkt, dass Bildung und Digitalisierung zusammen gehören, aber auch Wirtschaft geht längst nicht mehr ohne gute Netzanbindung, gleichzeitig stockt der Glasfaserausbau. Gerade ihre Partei hat den Ausbau oft belächelt. Wie wollen Sie den Ausbau beschleunigen und den Kommunen helfen? 

Um Ihre Anspielung aufzugreifen: Selbstverständlich braucht es 5G an jeder Milchkanne. Für mich zählt die Digitalisierung zur Grundversorgung und muss auf dem Land genauso vorangetrieben werden wie in der Stadt. Leistungsfähiges Internet per Kabel und Funk dürfen nicht von der Einwohnerzahl anhängig gemacht werden.

Mobilität auf dem Land

Was braucht man auf dem Land?

Wir brauchen eine tüchtige kommunale Selbstverwaltung, genügend finanziellen Spielraum, um Projekte umzusetzen, ein attraktives Ortszentrum mit Geschäften des täglichen Bedarfs und eine angemessene medizinische Versorgung. Das Dorf muss mit den Öffentlichen zu erreichen sein – Stichwort Mobility on demand und über schnelles Internet verfügen.

Fahren Sie hier in Berlin, oder auch in ihrem Wahlkreis überhaupt noch Bus und Bahn, oder erledigen Sie alles mit dem Privatauto oder dem Fahrdienst?

Ich gehe sehr gerne und wann immer es möglich ist zu Fuß. Nach langen Sitzungstagen genieße ich es sehr, an der Spree entlangzulaufen.

Warum ist Ihr Siebenpunktepapier überhaupt nötig?

Viele Menschen in Deutschland möchten auf dem Land leben - und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Es ist Aufgabe der Politik, überall in Deutschland die Voraussetzungen für ein gutes Leben zu schaffen. Wir können nicht tatenlos zusehen, wie Regionen durch Strukturumbrüche oder Überalterung verfallen. Das gefährdet den sozialen Frieden. Mit unserem Diskussionspapier betonen wir die Stärken der Dörfer und beschreiben, wo nachgebessert werden muss.

Ein Blick in die nahe Zukunft: Können autonome Fahrsysteme die Kommunen entlasten, was meinen Sie?

Um die vielbeschworene Verkehrswende zu schaffen, brauchen wir technische Innovationen. Autonom fahrende Busse mit alternativen Antriebsenergien werden hier bestimmt eine Rolle spielen. Dazu gibt es ja auch bereits zahlreiche, sehr vielversprechende Modellprojekte.

Fotocredits: Jenny Paul