Innenstadtbelebung gelingt vor allem mit der Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit von Kommunen
Innenstadtbelebung gelingt vor allem mit der Stärkung der interkommunalen Zusammenarbeit von Kommunen

Nutzung von Handelsimmobililen

Innenstadtbelebung braucht interkommunale Zusammenarbeit

15. Juli 2020
Kommunen und Eigentümer müssen sich frühzeitig mit der Nachnutzung von großflächigen Handelsimmobilien beschäftigen, andernfalls droht struktureller Leerstand und Verödung. Ein KOMMUNAL-Gastbeitrag über die Nutzung von Handelsimmobilien von Stephan Weitz und Elisabeth Beusker von der RWTH Aachen University.

Autoren: Stephan Weitz und Elisabeth Beusker. RWTH Aachen



Die Innenstadtbelebung und die Stadtentwicklung allgemein ist stets ein dynamischer Prozess und bedeutet kontinuierliche Veränderung, jedoch befinden sich aktuell insbesondere die Innenstädte in tiefgreifenden strukturellen Veränderungsprozessen, die vielerorts Parallelen aufweisen. Ein Auslöser dieser Veränderungsprozesse ist das sich wandelende Konsumverhalten der Bevölkerung und der daraus resultierende Trend zum stetig zunehmenden Onlinehandel. In einer Untersuchung zur Zukunft des stationären Einzelhandels ging das Kölner Institut für Handelsforschung (IFH) bereits im März diesen Jahres von einem anhaltenden Rückgang der Einzelhandelsunternehmen um bis zu 64.000 bis zum Jahr 2030 aus. Dies entspricht einer Verringerung der Betriebe um ca. 28 Prozent gegenüber den aktuell rund 226.000 gemeldeten Einzelhandelsunternehmen.

Eine Untersuchung zeigt, dass die zügige Umsetzung eines Stadtentwicklungsimpulses oft an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Beteiligten scheitert.

Stephan Weitz, Studienautor

Die Corona-Krise könnte diese Entwicklung beschleunigen. Der stationäre Einzelhandel lebt vom Publikumsverkehr in den Innenstädten. Durch die nun reduzierten Besucherfrequenzen leidet insbesondere der großflächige und mehrgeschossige Einzelhandel (z. B. Kauf- und Warenhäuser). Zusätzliche Flächenreduzierungen und Standortschließungen, als ohnehin schon erwartet, werden die Folge sein. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass sich der Anteil der Büronutzung in den Innenstädten u. a. durch Home-Office in Zukunft ebenfalls wieder reduzieren wird. Dies wird ebenso dazu beitragen, dass die Besucherfrequenzen in den Innenstädten weiter sinken, was gleichermaßen bedeutet, dass die stationären Konsumausgaben sinken werden. Auch der Trend zum zunehmenden Onlinehandel wird durch die Corona-Krise und die in diesem Zusammenhang neu gewonnen Kunden beschleunigt. Die Innenstädte befinden sich somit bereits mitten in tiefgreifenden Veränderungsprozessen, deren Fortschreiten vielerorts nicht mehr aufzuhalten ist.  Die Herausforderungen im Rahmen der zukünftigen Stadtgestaltung sind demnach ausgesprochen groß. Die Städte sollten sich daher bereits jetzt die Frage stellen, wie diese strukturellen Veränderungen frühzeitig gestaltet werden können und welche Potentiale sich daraus ergeben.

Innenstadtbelebung: Stephan Weitz
Stephan Weitz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehr- und Forschungsgebiet für Immobilienprojektentwicklung der RWTH Aachen

Drohenden Leerstand als Chance für die Innenstadtbelebung verstehen 

Insbesondere leerstehende, innerstädtische Großstrukturen, wie ehemalige Kauf- und Warenhäuser, sind häufig Ausgangspunkt tiefgreifender Negativentwicklungen (sog. Trading-Down-Effekte). Zunehmender Leerstand, Verödung, Vandalismus und verschlechterte Bausubstanz können die Folge sein. Mithin droht der Niedergang ganzer Stadtteile. Fällt ein Gebäude aus der Nutzung eröffnet dies jedoch gleichermaßen auch Chancen für die Stadtentwicklung. Durch die drohende Schließung eines Frequenzbringers entsteht vielerorts Entwicklungsdruck in 1a Innenstadtlagen. Dies bietet die Möglichkeit dort urbane Qualität zu schaffen. Das Wohnen in der Innenstadt, gemischt genutzte Quartiere und Mixed-Use-Immobilien werden ebenso an Bedeutung und Attraktivität gewinnen wie öffentliche Aufenthaltsqualität.

Der Handlungsdruck zur Innenstadtbelebung ist groß 

Der Handlungsdruck auf Seiten der Städte ist groß und die Herausforderungen, vor denen die Akteure stehen, sind enorm, um die betreffenden Stadtteile vor Verödung und Stillstand zu bewahren und die Innenstädte auch weiterhin lebendig zu gestalten. Dieser Entwicklungsprozess kann nur Stück für Stück und Projekt für Projekt gelingen. Die tragende Rolle in diesem Prozess werden Städte und Gemeinden übernehmen müssen. Jedoch zeigen diverse Beispiele aus der Vergangenheit, dass positive Stadtentwicklung vielerorts nur in Kooperation mit Eigentümern und Investoren gelingen kann. Ebenso müssen Städte und Gemeinden auch untereinander in einen verstärkten Austausch treten, um von bereits anderenorts gemachten Erfahrungen zu profitieren.

Elisabeth Beusker, Innenstadtbelebung
Elisabeth Beusker leitet das Lehr und Forschungsgebiet für Immoblilienprojektentwicklung der RWTH Aachen

Im Mittelpunkt muss der Erfahrungsaustausch der Kommunen stehen 

Für zukünftige Innenstadtentwicklungsprojekte gilt es daher von bereits umgesetzten Projektentwicklungen zu profitieren und sowohl besonders positive als auch negative Einflussfaktoren zu identifizieren. Dies gelingt in erster Linie durch einen intensiven Austausch mit den Verantwortlichen auf Seiten der Städte und Gemeinden. Dabei gilt es die angewandten Prozessschritte und durchgeführten Maßnahmen im Rahmen bereits abgeschlossener Projektentwicklungen zur erörtern und zu bewerten. Eine Untersuchung der Autoren zu einzelnen Referenzprojekten zeigt in diesem Zusammenhang, dass die zügige Umsetzung eines dringend benötigten Stadtentwicklungsimpulses oft an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Beteiligten scheitert.

Wer Innenstadtbelebung ernst nimmt, muss mit privaten Investoren kooperieren 

Um im Sinne einer zukunftsfähigen Stadtentwicklung zügig positive Impulse zu setzen, sind daher private und öffentliche Akteure stets gleichermaßen gefordert. Viele Beispiele zeigen, dass erfolgreiche Stadtentwicklung häufig nur gemeinsam gelingen kann. Private Investoren sind daher ebenso wie Städte und Gemeinden in der Pflicht ihr jeweils Möglichstes zum Gelingen eines Entwicklungsimpulses beizutragen. Eine zügige Nachnutzung leerstehender Immobilien ist zudem auch im Eigeninteresse der privaten Eigentümer und Investoren, da mit zunehmender Dauer häufig auch Wertverluste bei den Immobilien einhergehen. Zukunftsfähige Stadtentwicklung zum Wohle aller kann gerade in sehr dynamischen Zeiten nur gemeinsam und kooperativ gelingen.