Arbeitshilfe für kleine Kommunen
Acht Strategien zur Belebung der Innenstadt
Rettet die Innenstadt heißt es immer wieder - denn sie ist Dreh- und Angelpunkt dafür, dass sich Menschen in einer Gemeinde wohl fühlen. Daher sind auch Kommunen, die "noch" eine lebendige Innenstadt haben gut beraten, alles dafür zu tun, dass das so bleibt. Dort, wo es bereits Probleme gibt, können ebenfalls einige Strategien dazu beitragen, dass sich die Situation verbessern. So fasst es sehr vereinfacht gesagt die Studie im Auftrag des Ministeriums des Innern und der Heimat zusammen. Am Ende dieses Beitrags können Sie die Studie mit ihren gut 80 Seiten im Original als pdf herunterladen. Im Folgenden haben wir die Studie ausgewertet und 8 Tipps für Sie herauskristallisiert.
Spaziergänge bringen spannende Perspektiven
Am Anfang steht unbedingt die Bestandsaufnahme: Machen Sie mit Gemeindemitgliedern zunächst nicht am "runden Tisch", sondern direkt in der Innenstadt eine Ortsbegehung. Das können Spaziergänge sein mit verschiedenen Zielgruppen (ein Spaziergang mit Ratsmitgliedern, einer mit besonderen Zielgruppen wie Architekten, Baufachleuten etc, einer mit Bürgern, einer mit Senioren etc.), vertiefen Sie die Gespräche danach in kleinen Gruppen. Sie werden feststellen, dass unterschiedliche Akteure sehr unterschiedliche Blickwinkel auf die Herausforderungen haben und die Probleme sehr unterschiedlich wahrnehmen. Am Schluss der Diskussionsrunde sollten sie auch die externe Expertise nicht vergessen, zum Beispiel durch einen Spaziergang mit Menschen, die nicht in Ihrer Gemeinde/Region wohnen (etwa aus Ihrer Partnerstadt oder einer anderen Region).
Gretchenfrage: Wen mit dem Umbau beauftragen?
Oft werden bei solchen Spaziergängen einzelne Objekte identifiziert, die das Problem besonders einfach sichtbar machen. Etwa ein verfallenes Gebäude, in dem seit Jahren kein Geschäft mehr ist, kein Mieter mehr wohnt etc. Eine Möglichkeit ist es, eine kommunale Projektentwicklungsgesellschaft zu gründen. Das hat etwa die Stadt Eschwege gemacht als Gegenstrategie zur drohenden Schließung des dortigen Kaufhauses Hertie. Hier drohte die Gefahr, dass durch das Sterben von Hertie (machte 25 % der Fläche der Innenstadt aus) auch andere Geschäfte in den Sog gezogen werden. Durch eine Projektgesellschaft wurde das Gebäude reaktiviert und neu vermarktet, bevor es zu Leerstand kam. Heute gehört das Einzelhandelsobjekt einem dänischen Fondshaus, in den Räumen befinden sich zahlreiche kleine Geschäfte mit dem Namen "Schlossgalerie".
Kurzum, der Tipp: Haben Sie Mut zum Experiment, nutzen Sie kreative Ideen!
Binden Sie Private Unternehmen und Eigentümer ein
Das wichtigste für die Kommune ist, dass Sie nach der Bestandsanalyse ein klares Konzept für eine Innenstadtbelebung entwickeln. Das wird nur funktionieren, wenn Sie alle Akteure einbinden. Das bedeutet: Die Besitzer der Immobilien in der Innenstadt (auch der verlassenen Gebäude) aber auch ihre Einwohner. Analysieren Sie daher den Wohnungs- und Gewerbemarkt vor Ort, ISEK ist hier eine gute Methode, lieber ein Fachgutachten mehr als eines zu wenig. Hier lohnt sich eine Investition in gute Berater. Auch während dieser Phasen sollten Sie immer informelle Formate wie Runde Tische oder Quartiersgespräche nutzen. Hinzu kommt, so die Studie: Nutzen Sie die Möglichkeiten aktiver kommunaler Grundstückspolitik. Sprich: Kaufen Sie lieber auch eine Fläche auf Vorrat, verkaufen können sie diese immer noch wieder. Sie gewinnen aber durch den Zwischenerwerb Handlungshoheit.
Werkzeug zur Belebung der Innenstadt: Eigentümermoderation
Machen Sie die Eigentümer zu ihren Partnern, nur so werden sie diese motivieren. Eine Eigentümermoderation - die bei schwierigem persönlichen Verhältnis auch extern moderiert werden kann - analysiert den Bestand und den Entwicklungsbedarf und motiviert die Eigentümer zur eigenen Initiative. Die Kommune leistet aktiv Unterstützung durch den Einsatz von Förderprogrammen oder sonstigen benötigten Hilfen.
Denken Sie an alle Generationen
Das "Wohnen in den eigenen vier Wänden" hat für viele Ältere Menschen einen hohen Stellenwert. Sehr häufig denken Kommunen an die Schaffung von Seniorenheimen, nicht aber an die Barrierefreiheit der Einrichtungen und Gebäude. Gleichzeitig gibt es immer mehr Single-Haushalte. Gerade in kleinen Kommunen ist das Angebot an Häusern mit Grundstück zwar groß, kleinere Wohnungen fehlen oft aber. Das kann ein Hemmnis für junge Menschen sein, die etwa nach dem Studium in ihre alte Heimat zurückziehen wollen, aber kein Interesse an einem Haus mit Garten haben. Stellen Sie hier also ein Entwicklungskonzept für alle Generationen und Familienformen auf. Haben Sie nicht nur die "aktuellen Einwohner" auf dem Schirm sondern loten sie auch aus, für wen Ihre Kommune möglicherweise interessant werden könnte, welche Gründe für einen Zuzug es geben könnte. Gerade leerstehende Immobilien bieten oft die Chance, neue, individuelle Wohnformen zu realisieren. Auch hier gilt: Mut zu "spinnerten Ideen".
Eine Möglichkeit, die in der Studie genannt wird, sind sogenannte CoHouses. Das sind Wohnprojekte, die privaten Wohnraum mit großzügigen Gemeinschaftseinrichtungen wie etwa Küchen, Büros und Bibliothek, vereinen. Die Hausgemeinschaft verwaltet sich dann später selbst. Der Vorteil: Hier ziehen häufig völlig unterschiedliche Menschen in sehr unterschiedlichen Lebenslagen ein. Das beginnt bei jungen Menschen (wenn entsprechende Freizeitangebote vorhanden sind) bis hin zu Senioren, die hier Möglichkeiten des betreuten Wohnens finden.
Keine Innenstadtbelebung ohne interkommunale Zusammenarbeit
Ja, es geht um den Kernbereich ihrer eigenen Gemeinde. ABER: Sie sind niemals isoliert, es gibt immer Wechselwirkungen mit Umlandgemeinden. Die Menschen werden schließlich immer mobiler. Interkommunale Zusammenarbeit, so rät die Studie, ist unbedingt als übergeordnete Strategie zu betrachten. Ziel muss es sein, dass eine ganze Region gestärkt wird, nicht nur eine Gemeinde. Nicht zuletzt können Sie auf diese Weise Geld und Personal sparen.
Ein Werkzeug können Allianzen und Vereine sowie Zweckvereinbarungen sein. Schaffen Sie mit ihren Nachbarkommunen die Voraussetzungen etwa durch Gründung eines gemeinsamen Vereins. Halten Sie die Vereinbarungen in einem Vertrag fest. Auch eine Trägergesellschaft kann so eine Art der Versteifung der interkommunalen Zusammenarbeit sein.
Denken Sie unbedingt an Grün- und Freiflächen
Die Attraktivität eines jeden Stadtkerns steht und fällt mit der Aufenthaltsqualität. Plätze, Wege, Grünflächen schaffen eine hohe Aufenthaltsqualität, wenn sie richtig angelegt sind. Bei der Gestaltung aber auch der Pflege können und sollten Sie die privaten Akteure unbedingt mit einbeziehen. In der Nähe eines Sportgeschäftes kann ein kleiner Park mit Sportgeräten viel Sinn machen, neben einem Porzellanhandel vielleicht eine Freifläche mit Informationen und Gegenständen aus der Geschichte des Bestecks oder der Porzellanherstellung.
Innenstadtbelebung kann auch temporär erfolgen
Über den "Mut zum Experiment" hatten wir schon geschrieben. Die Studie widmet daher am Ende noch ein ganzes Kapitel diesem Thema. Zurecht. Denn eine Innenstadtbelebung lässt sich nicht von heute auf morgen organisieren. Oft braucht es kreative Zwischenlösungen. Zwischennutzung sind daher ein wichtiges Stichwort. Auch der Umgang mit finanziellen Problemen kann oft nur kreative Ideen gelöst werden. Die Studie verweist hier unter anderem auf die Stadt Altena. Dort war die Stadt finanziell nicht in der Lage, die Einkaufsstraße komplett neu zu pflastern, das Geld reichte gerade mal für das Baumaterial. So nahmen die Einzelhändler die Pflasterung kurzerhand selbst in Angriff und packten zusammen mit freiwilligen Bürgern an. Das führte im Ergebnis dazu, dass sich aus dieser Gruppe heraus weitere bürgerschaftlichen Initiativen gründeten. Gleichzeitig schaffte die Stadt in der Innenstadt die Möglichkeit für kleine Händler, mit experimentellen Geschäften sich "vorübergehend" auszuprobieren. So entstand eine Reihe von sogenannten Pop-Up Stores - das sind Geschäfte, die nur für einige Monate am Standort bleiben und somit ein vorübergehendes Interesse der Kunden wecken, weil sie eben nur kurz da sind. Unter geförderten Bedingungen konnten auf diese Weise Bürger und kleine Einzelhändler Geschäftsideen testen und entwicklen. Fünf der neun auf diese Weise geförderte Projekte wurden anschließend zu Geschäftsmodellen - sprich: Die Händler haben daraus dauerhaft ein Geschäft entwickelt, das sich selbst trägt beziehungsweise heute Gewinne abwirft. Und das in einer Stadt, die seit dem Jahr 2001 sogenannte Nothaushaltskommune ist.
Hier ist die komplette Dokumentation zur Belebung der Innenstadt
Das Bundesministerium hat die Forschungsarbeit beim BBSR, dem Bundesinstitut für Bau- Stadt und Raumforschung in Auftrag gegeben. Diese hat ihre Studie in einem gut 80 zeitigen Papier veröffentlicht. Wir haben unsere acht Top-Tipps aus diesem Papier adaptiert. Die Broschüre zeigt insgesamt 10 Strategien auf und beschreibt zudem jeweils (wie wir am Beispiel Altena), was Kommunen konkret getan haben und welche positiven Auswirkungen das hatte. Wir empfehlen allen Interessierten, diese Broschüre komplett zu lesen, sie liefert zahlreiche weitere spannende Ideen, die zum Nachahmen geeignet sind.
Daher stellen wir Ihnen das komplette Dokument mit 84 Seiten an dieser Stelle gerne zur Verfügung: