Strandbad Wannsee
Wegen Corona bleiben viele Strandkörbe im Strandbad Wannsee vorerst leer
© S. Heinze

Nichts wie raus nach Wannsee

Badesaison: Das Strandbad in Corona-Zeiten

Seit dem 25. Mai sind die Berliner Freibäder geöffnet. Das Strandbad Wannsee mit seiner über 110-jährigen Geschichte steht in diesem Sommer vor ganz besonderen Herausforderungen - KOMMUNAL war dort.
Aktualisierung: 19.08.2020

Das ältere Paar, das an diesem Mittag ins Strandbad Wannsee will, hat sich das einfacher vorgestellt. Eine Frau und zwei Männer fangen die Berliner schon kurz vor dem Kassenhäuschen ab, an dem sie sonst ihre Eintrittskarten kaufen: „Haben Sie Onlinetickets?“ In Pandemiezeiten gelten im berühmten Strandbad neue Einlassregeln. Glück gehabt: Das Paar hat seine Mobiltelefone dabei. Die Onlinetickets können damit noch schnell gekauft werden.

„Aufgrund von Covid-19 verkaufen wir die Eintrittskarten nicht mehr an der Kasse“, erklärt mir Badleiter Steve Kleinschmager, kurz darauf in seinem Büro. „Wir müssen die Personendaten hinterlegen, damit wir die Gäste im Infektionsfall informieren können.“ Ein Online-Verfahren sei da vergleichsweise unbürokratisch. Dafür müssen die Leute am Eingang keine Papiere ausfüllen.

Corona wirkt sich auch auf den Badebetrieb im Strandbad Wannsee aus

Die Berliner Freibäder sind seit dem 25. Mai wieder geöffnet, aber unter völlig neuen Bedingungen. „Früher konnte man früh morgens kommen und bis zum Feierabend drinnen bleiben“, sagt Badleiter Kleinschmager. Jetzt sind pro Zeitfenster nur maximal 400 (inzwischen 1500) Badegäste erlaubt. „Das sind zwei Mal fünf Stunden. Dazwischen haben wir eine Stunde zu. In dieser Zeit wird sauber gemacht und desinfiziert“, erklärt er.

Statt bis zu 30.000 Badegästen sind aktuell nur 800 (inzwischen 3000) erlaubt

Jetzt, wo die Saison erst angelaufen ist, dürfte das niemanden stören. Doch im Hochsommer könnten viele begeistere Strandbadbesucher keine Karten mehr bekommen. Jetzt sind nur 800 (inwzischen 3000) Besucher am Tag erlaubt, zu Spitzenzeiten zählt das Bad aber bis zu 13.000 Gäste. Insgesamt passen sogar bis zu 30.000 Badegäste auf das rund 355.000 Quadratmeter große Badegelände. Mit den Besucherzahlen vor der Wiedervereinigung kann das Bad nicht mehr mithalten. Als Berlin eine Insel war, fanden die Berliner hier noch ihr Ostseeflair.

Freibäder sind Hallenbädern in Pandemiezeiten klar im Vorteil

Als Verbundbadleiter der Berliner Bäderbetriebe betreut Kleinschmager neben dem Strandbad auch Hallenbäder. Dort kann die Ansteckungsgefahr aufgrund der geschlossenen Räume wesentlich höher sein. Die Belüftungsanlagen zirkulieren die Luft häufig nur. Dagegen gestaltet sich der Raum im Freibad flexibler und das Abstandhalten fällt leichter.

Kleinschager und Archie
Badleiter Steve Kleinschmager (rechts) und Techniker Frank Archie

Das Büro teilt sich der Badleiter mit Frank Archie. Archie ist der Techniker. „Wir sind sowas wie Scotty und Captain Kirk, weißte?“, scherzt Archie mit einer Star-Trek-Analogie. Der Techniker betreibt die Anlage und meldet beim Badleiter, wenn er etwas braucht – zum Beispiel Chemikalien. Der Badleiter kümmert sich darum, dass diese rechtzeitig wieder da sind. Überhaupt trage der Badleiter die Verantwortung für den reibungslosen Badebetrieb. Zu seinen Aufgaben zählen Dinge wie die Personalplanung, die Umsetzung von Vorschriften und die Absicherung zum Beispiel von Rettungsmaterialien.

Das Strandbad Wansee ist international bekannt

Die Besucher des Strandbads Wannsee sind so bunt wie die Stadt. Dazu zählen auch Stammgäste. „Die haben ihre Kuhle, ihr Sandkörnchen, und da liegen die immer“, schmunzelt Kleinschmager, „da haben die schon 40 Jahre lang gelegen und liegen wohl auch den nächsten Sommer noch dort.“ Aufgrund seiner Berühmtheit erfreut sich das Bad großer Beliebtheit auch bei Touristen. Fast jeder kennt das Lied „Pack die Badehose ein“ von Cornelia Froboess. Und immerhin handelt es sich um eines der größten Binnenfreibäder Europas.

Was das Strandbad von einfachen Badestellen am Wannsee unterschiedet? „Die Aufsicht“, sagt Archie prompt. Kleinschmager nickt und erklärt: „Das ist vor allem für Familien mit Kindern wichtig. Außerdem habe ich einen Strandbereich, der permanent gesäubert wird und WC-Häuser.“

Kommunale Schwimmbäder erfüllen wichtige Aufgaben

Für Badleiter Kleinschmager sind kommunale Schwimmbäder ein wichtiger Teil der Daseinsfürsorge. Neben der Bewegung und dem Sport sind sie für die Vereine und damit auch für die sozialen Kontakte wichtig. „Wir sind dafür da, dass so viele Menschen wie möglich das Element Wasser kennenlernen und das Schwimmen beigebracht bekommen“, sagt er.

An unbeaufsichtigten Badestellen gibt es nichts Schlimmeres, als Menschen, die nicht schwimmen können: Allein im Jahr 2019 sind nach Angaben der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) 419 Personen ertrunken, die meisten von ihnen in Binnengewässern. Kommunen rät er deshalb dazu, ihre Bäder so lange wie möglich zu halten.

Kommunen können sich zusammentun, um ihre Schwimmbäder zu erhalten

Viele aber können und wollen sich das nicht mehr leisten. Kleinschmager verweist auf erfolgreiche Konzepte. So könnten Kommunen sich zusammentun und sich die Kosten teilen. In der Stadt Barby, zu der sich mehrere Orte zusammengeschlossen haben, war es so möglich geworden, sich ein Strandbad leisten zu können. „So ähnlich war das auch bei den Berliner Bäderbetrieben“, wirft Archie ein. Mit ihrer Gründung im Jahr 1996 hatten die Bäderbetriebe die Einrichtungen von den Bezirken übernommen.

Für die Großstadt Berlin sei das Bad besonders wichtig, um vom Alltagsstress runterzukommen. „Zu uns kommt man zum Entspannen, zum Seele baumeln lassen. Ich sag mal, zum Alltag vergessen“, sagt Kleinschmager. „Berlin ist eine schnelllebige Stadt, überall Action, überall ist hier was los. Wenn man hier rauskommt, ist das eine ganz andere Welt. Viele glauben gar nicht, dass das Strandbad noch zu Berlin gehört.“

Die Stimmung in der Stadt spiegelt sich im Strandbad wider

Bei Hitze könne man regelrecht in der Luft spüren, wie die Stimmung in Berlin ist. „Die Nummer lässt sich nur ganz schwer erklären“, sagt Kleinschmager. Gesellschaftliche Veränderungen auf kurz oder lang spiegeln sich auch im Strandbad wider. Frank Archie beschäftigt das sichtlich. Jugendliche seien Älteren gegenüber nicht mehr so respektvoll wie früher. Die Hemmschwelle zur Gewaltbereitschaft sinke zunehmend. „Früher hat der Bademeister einmal in die Trillerpfeife gepfiffen und dann war Ruhe“, sagt Archie. Seit 30 Jahren arbeitet er in den Berliner Schwimmbädern, er kennt sich aus.

Für "Tarzansprünge" bietet das Strandbad Wannsee keine Orte

Im Strandbad Wannsee arbeiten nach Bedarf vier bis acht Sicherheitsleute. Gibt es Streit oder gar Handgreiflichkeiten müsse die Polizei gerufen werden. Dabei sei es hier noch recht ruhig. „Es gibt ja so Bühnenbereiche, die pubertäre Jugendliche gerne für sich nutzen, um sich darzustellen. Diese Bühnen - zum Beispiel ein Sprungturm oder ein Zehner, wo man die Aufmerksamkeit komplett auf sich fokussieren kann, fehlen hier. Orte, wo man dann sagen kann, jetzt mache ich hier mal meinen Tarzansprung“, so Archie.

Frank Archie
Vom Aussichtsturm lässt sich der Strand bestens beaufsichtigen

Wenn die Situation angespannt ist, helfen Gespräche auf Augenhöhe

Gutes Konfliktmanagement spielt eine zunehmend wichtige Rolle, so scheint es. In Zusammenarbeit mit Behörden gibt es dafür Fortbildungen. Außerdem bieten viele Vereine und soziale Initiativen Beratungsangebote für die Mitarbeiter an. Ob diese auch wahrgenommen werden, darüber entscheidet der jeweilige Badleiter, erklärt Kleinschmager. Konkrete Empfehlungen für das Konfliktmanagement anderer Bäder hat er keine. Dafür seien die Bäder zu verschieden. Das gelte sogar schon für Berlin. Zur Deeskalation helfe oftmals aber schon ein lockeres Gespräch, das nicht von oben herab gemacht wird. „Es hilft niemanden, so zu tun, als sei man hier der große Zampano“, stellt Kleinschmager klar.

Dieser Sommer ist wird wie kein anderer

Zum Schluss nimmt mich Techniker Archie nochmal mit auf Tour über das Gelände. Von den für das Strandbad so typischen Strandkörben stehen zurzeit 200 Stück auf dem 1,2 Kilometer langen Sandstrand. Auf die Vermietung wird in diesen Tagen einfachheitshalber verzichtet. Aus der Mitte des Strands ragt ein langer Betonsteg weit in den Wannsee hinein. Er führt zum Aufsichtsturm. An diesem Tag ist kaum einer im Wasser.  Die Wassertemperatur misst gerade mal 15 Grad. Bald aber wird es wieder voller sein im Strandbad Wannsee. Ein besonderer Sommer, den es in seiner über 110-jährigen Geschichte, so wohl noch auch nicht erlebt hat.

Fotocredits: Silvan Heinze