Nachhaltigskeitspreis Osnabrück
Die Stadt Osnabürck ist die Gewinnerin des Nachhaltigkeitspreises 2020.
© Stadt Osnabrück

Nachhaltigkeitspreis 2020

Das macht Osnabrück zur nachhaltigsten Großstadt

Klima- und Umweltschutz müssen geplant sein – und am besten lassen sich die Ziele zusammen mit den Bürgern umsetzen. Dafür hat Osnabrück den Nachhaltigskeitspreis 2020 gewonnen.

Als klar war, dass Osnabrück den Nachhaltigkeitspreis 2020 gewonnen hat, machte sich neben der großen Freude auch kurz Erstaunen breit. „Wir hatten uns zwar beworben, uns aber dann im ersten Moment doch gefragt: Osnabrück nachhaltig?  Kann das eigentlich sein?“ Claas Beckord ist in der Stadtverwaltung für Strategiefragen zuständig, er hat die Bewerbung koordiniert  – und damit ist die Auszeichnung auch sein Erfolg. Noch immer klingt er etwas verwundert und begründet die Bescheidenheit auch: „Ich weiß ja, welche Strecke wir noch vor uns haben.“

Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis beeindruckt

Beachtlich ist allerdings, welche Strecke Osnabrück auf dem Weg zur nachhaltigen Stadt schon zurückgelegt hat. Und würde sich Claas Beckord selbst zuhören, während er die gestarteten Initiativen aufzählt, wäre auch er davon beeindruckt, so wie die Jury der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. Sie verleiht die begehrte Auszeichnung jedes Jahr in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung, kommunalen Spitzenverbänden, Wirtschaftsvereinigungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Forschungseinrichtungen. Dieses Mal durfte Osnabrücks Oberbürgermeister Wolfgang Griesert den Nachhaltigkeitspreis 2020 in der Kategorie Großstädte entgegennehmen.

Osnabrücks sozial- und umweltgerechte Stadtentwicklung

Was genau macht Osnabrück zum Vorbild?  „In der niedersächsischen Friedensstadt Osnabrück hält Nachhaltigkeit Einzug in alle kommunalen Aktivitäten“, heißt es anerkennend in der Begründung der Jury.  Sie hebt hervor: „Dazu braucht es die passenden strategischen Ziele“.

Im Falle Osnabrücks ist dies nach Ansicht der Jury eine sozial- und umweltgerechte Stadtentwicklung. Außerdem schaffe die Stadt Perspektiven für junge Menschen und schärft das Umweltbewusstsein der Bürger. „Insbesondere die Beteiligung der Bürger an der nachhaltigen Entwicklung der Stadt hat die Jury überzeugt“, betont Günther Bachmann, Generalsekretär des Rats für Nachhaltige Entwicklung.

KOMMUNAL fasst die wichtigsten Aktivitäten zusammen:

Klimaschutz: Die Stadt will sich bis 2050 komplett mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgen. Osnabrück zählt bundesweit zu den Vorreitern im Klimaschutz. Schon 1994 trat die Stadt dem Klima-Bündnis der europäischen Städte bei und erhielt dafür Preise wie den „Climate Star 2009“, den Förderpreis „Klima kommunal 2010“ oder „Energieeffizienz-Kommune 2017“. Als eine von 19 Kommunen hatte die Stadt Osnabrück Mitte 2012 am bundesweiten Wettbewerb "Masterplan 100% Klimaschutz" teilgenommen. Die Stadt erstellte eine Strategie, wie die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 95 Prozent gesenkt und der Energieverbrauch um die Hälfte gesenkt werden können. Das geschieht unter anderem, indem Gebäude energetisch saniert werden, erneuerbare Energien zum Einsatz kommen und im öffentlichen Nahverkehr zum Beispiel immer mehr E-Busse eingesetzt werden.  „Wir arbeiten dabei mit den Nachbarkreisen Osnabrück und Steinfurt sowie der Stadt Rheine zusammen“, sagt Stratege Claas Beckord. „Allein kann die Stadt ihre anspruchsvollen Ziele auf gar keinen Fall erreichen.“

Stolz ist Osnabrück auf sein Solardachkataster, das privaten Hauseigentümern dabei helfen soll, Strom aus erneuerbaren Energien einzusetzen. Als erste Stadt Europas hatte Osnabrück ein flächendeckendes Solarpotenzialkataster unter dem Namen „Sun-Area“ von der Hochschule erstellen lassen. Mit der Online-Anwendung können sich Hausbesitzer nicht nur über die Eignung ihrer Dachfläche für den Bau von Photovoltaik-, sondern auch von Solarthermie-Anlagen zur Warmwasserbereitung informieren. Ein Renditerechner hilft, die Wirtschaftlichkeit der Photovoltaikanlage zu berechnen. Die Stadt hat festgelegt, dass auf allen Flachdächern entweder eine Begrünung oder eine Solarenergie-Anlage angebracht werden muss. In Baugebieten sind ökologische Standards vorgeschrieben. Klimaschonend bauen – das gilt natürlich auch für die Stadt als Auftraggeber für ihre Gebäude.

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Stratege Claas Beckord: "Noch eine Strecke vor uns." Foto: Janin Arntzen

Mehr Grün: Mit dem Förderprogramm „Grün statt Grau“ unterstützt Osnabrück Grund- und Gebäudeeigentümer dabei, eigene Gebäude und Flächen zu begrünen. Dafür gibt es eine Förderung. In diesem Jahr stehen 150.000 Euro dafür bereit. Private Eigentümer, Institutionen und Unternehmen bekommen bis zu 60 Prozent der förderfähigen Kosten erstattet. Für Begrünungen in der Innenstadt gibt es einen Zuschlag von bis zu zehn Prozent.

Stadtplanung:  Eine grünere Innenstadt sieht auch der Masterplan Innenstadt vor, an dem mehr als 100 Osnabrücker Bürgerinnen und Bürger mitgearbeitet haben. So sollen der historische Ledenhof, seit 2002 Sitz der Deutschen Stiftung Friedensforschung, und das Quartier St. Katharinen um die spätgotische Kirche umgestaltet werden. Dort werden neben neuen Wohnhäusern auch Gemeinschaftsgärten angelegt. Vor allem aber verfolgt der Plan das Ziel, die Flächen gut zu nutzen, also eine Verdichtung. Ein Widerspruch? „Wir wollen den Platz zwar für neue Bebauung nutzen, Osnabrück aber auf keinen Fall zubetonieren“, sagt der Stratege. Zum Beispiel sollen Teile des neuen großen Gewerbegebiets in der ehemaligen Kaserne Am Limberg als Wald erhalten bleiben. An der Hase, dem Fluss, der auf einer Länge von 16 Kilometer durch die Stadt fließt, ist ein bald vollständig durchgängiger begrünter Uferweg für Fußgänger und Radfahrer entstanden.

Mobilität: Die 170.000-Einwohner-Stadt muss jeden Tag jede Menge Verkehr aus dem Umland bewältigen, in dem etwa 500.000 Menschen leben. „Leider ist die Stickstoffdioxid-Belastung  an manchen Stellen immer noch zu hoch“, bedauert Claas Beckord.  Wegen überschrittener Grenzwerte wurde ein Luftreinhalte- und Aktionsplan aufgestellt. Damit es gelingt, dass mehr Pendler auf den ÖPNV umsteigen, arbeitet die Stadt mit den Umlandkreisen an einer Ausweitung des Angebots, also einer engeren Taktung. Mit den flexiblen Carsharing-Angeboten des „stadtteilauto“, dem E-Lastenradverleih, dem Park&Ride- und  E-Mobilitäts-Angeboten der Parkstätten-Betriebsgesellschaft  bietet Osnabrück  preiswerte Alternativen für eine nachhaltige Mobilität. Junge Familien und Gewerbetreibende können sich bis zu einem Viertel des Kaufpreises eines Lastenrad fördern lassen. An den Bushaltestellen sind Mobilitätsstationen zu finden, dort kann man das Fahrrad in einer Box abstellen. Geplant wird zudem ein Fahrradparkhaus am Bahnhof. Ein Erfolg ist der Radschnellweg. Er soll in zwei Jahren auf einer Länge von knapp zehn Kilometern bis nach Belm führen. Ein Teil der Strecke ist seit gut einem Jahr freigegeben, täglich nutzen sie 700 Radfahrer.

Bürgerbeteiligung:  Die Jury, die Osnabrück für den Nachhaltigkeitspreis ausgewählt hat, hebt vor allem hervor, dass Partizipation dort großgeschrieben wird: Die Bürgerinnen und Bürger konnten zuletzt beim „Masterplan Innenstadt“ ihre Ideen zur nachhaltigen Entwicklung einbringen, etwa bei „Stadtspaziergängen“ und in „Bürgerwerkstätten“. Eine der Nachhaltigkeits-Initiativen kommt von der Ursula-Schule: Osnabrück soll plastikfrei werden. Schirmherr der im Herbst 2014 gestarteten Aktion ist der Oberbürgermeister. Ein Jugendparlament tagt regelmäßig, und es gibt ein Büro für Kinder- und Jugendbeteiligung. Osnabrück startete zudem ein besonderes Projekt: „Gestalte Deine Stadt - Osnabrücks Zukunft kennt keine Herkunft". Dabei können sich Migranten in die Diskussionen um die Stadtentwicklung einbringen.

Thema Nachhaltigkeit für Kinder

Was macht Osnabrück mit dem Preisgeld von 30.000 Euro? Das Geld soll in Kindergärten und Schulen fließen. "Wir wollen schon den Kleinsten unserer Bevölkerung nahebringen, was Nachhaltigkeit heißt", wie Oberbürgermeister Griesert sagt. „Denn je mehr mitmachen, desto eher werden wir unsere Ziele erreichen.“