in Hamburg kommen die Kommunalwahlen einer Landtagswahl gleich
in Hamburg kommen die Kommunalwahlen einer Landtagswahl gleich
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Kommunalwahlen: Die letzten Vorbereitungen laufen

Vor allem in Ostdeutschland werden die Wahlen auch von der Bundespolitik mit einem gewissen Interesse beobachtet. Gilt die Wahl hier vor den drei Landtagswahlen im Herbst doch auch als Stimmungstest. Doch auch im Südwesten der Republik bahnen sich möglicherweise spannende Entscheidungen an.

Zunächst die traurige Meldung: Allen Kommunalwahlen in 10 Bundesländern ist ein Trend gemein: Die Zahl der Kandidaten sinkt bundesweit betrachtet weiter deutlich. Das Ehrenamt als Kommunalpolitiker ist offenbar für immer mehr Menschen nicht mehr attraktiv. Sei es, weil die Arbeit immer mehr wird, weil viele langgediente Kandidaten, die seit Jahrzehnten dabei waren, nicht mehr kandidieren oder weil die Anfeindungen auch gegen Kommunalpolitiker immer häufiger werden. Die Forscher jedenfalls sehen hier ein breites Spektrum an Gründen, nennen besonders häufig aber immer wieder die Anfeindungen und persönlichen Angriffe auf die Ehrenamtlichen. 

Das könnte auch ein Grund sein, warum die Zahl der Frauen, die zu diesen Kommunalwahlen kandidieren, wieder erschreckend gering ist. In Niedersachsen etwa treten nur 35 Frauen an, um am Sonntag Bürgermeisterin oder Landrat in einer Kommune zu werden. Ihnen stehen fast 200 männliche Kandidaten gegenüber. Bei der Zahl der Ratssitze sieht es sogar noch etwas schlechter aus. Landesweit beträgt das Verhältnis Männer zu Frauen in Niedersachsen 84 zu 16 Prozent. Niedersachsens Landtagspräsidentin Gabriele Andretta nennt als Gründe, die sie von Frauen immer wieder höre, dass die Sitzungstermine zu familienunfreundlichen Zeiten stattfinden würden, Kinderbetreuungsmöglichkeiten fehlten.

Die Politologin Helga Lukoschat von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Verwaltung erklärt in einem Interview zudem, Frauen stünden auch optisch unter besonderer Beobachtung. Da seien Fragen wie "Ist der Rock zu kurz oder ist die Politikerin zu dick" nach wie vor Diskussionspunkte. 

Frauenanteil bei Kommunalwahlen sinkt nicht überall 

Aber nicht in allen Bundesländern ist die Zahl der Frauen als Kandidaten rückläufig. In Rheinland-Pfalz sieht das Verhältnis Männer zu Frauen zwar ähnlich düster aus, wie in Niedersachsen. 15 Prozent der Bewerber um das Bürgermeisteramt in den 2260 verbandsangehörigen Kommunen sind weiblich. Aber bei der letzten Wahl lag der Prozentsatz mit 11 Prozent noch deutlich darunter. Immerhin also eine Steigerung auf sehr niedrigem Niveau. Dafür ist die Auswahl, die die Menschen in Rheinland-Pfalz bei diesen Bürgermeisterwahlen haben, extrem gering. Es liegen für die 2200 Posten weniger als 2500 Bewerbungen vor. In 465 Gemeinden hat sich gar kein Bewerber gefunden. Hier wird später der Gemeinderat einen Bürgermeister wählen müssen, so es überhaupt jemanden gibt, der dazu bereit ist. 

In großen Parteien treten in Rheinland-Pfalz nahezu flächendeckend für die Gemeinderatswahlen an. CDU und SPD stellen neben Freien Wählergruppen und parteiunabhängigen Bürgerlisten die meisten Bewerber. Grüne und FDP sind etwa bei den 118 Wahlen zum Verbandsgemeinderat in 95 Listen dabei, die rechtspopulistische AfD kommt derweil nur auf 14 Listen.

Besonderer Blick auf das Abschneiden radikaler Parteien bei den Kommunalwahlen

Das sieht im Osten der Republik deutlich anders aus. In Brandenburg, Sachsen und Thüringen finden im Herbst Landtagswahlen statt. Daher werden die Ergebnisse der Kommunalwahlen hier auch von der Bundespolitik teils als Stimmungstest verstanden. Ungemütlich könnte es für die Parteien der Mitte etwa bei der Wahl des neuen Oberbürgermeisters in Görlitz in Sachsen werden. Hier könnte ein Landtagsabgeordneter der AfD neuer Bürgermeister werden. Hier hatte ein AfD Bewerber bei der Bundestagswahl dem heutigen Ministerpräsidenten des Landes Michael Kretschmer das Bundestagsmandat abgejagt. 

CDU und SPD in Sachsen treten daher mit zahlreichen Kandidaten ohne Parteibuch an. Sowohl bei der SPD als auch bei der CDU sind nach Angaben der Parteien jeweils rund die Hälfte der Kandidaten auf den Stimmzetteln nicht Mitglied der jeweiligen Partei. Bei der CDU sind es von 7000 Kandidaten rund 3400. Das könnte auch daran liegen, dass es den Parteien nach eigenen Angaben auch hier deutlich schwerer gefallen ist, noch Kandidaten zu finden. Die FDP in Sachsen etwa hat deutlich weniger Kandidaten, als noch vor 5 Jahren. Einzig die Grünen konnten mit 1200 Kandidaten die Zahl leicht steigern. Auch bei der Linken gab es massive Probleme. Vor allem Frauen seien auch hier kaum zu finden gewesen. Zudem hätten bei der Linken einige potentielle Kandidaten Angst gehabt, wenn in "gruseligen Zeiten" ihre Adresse publik wird, so eine Sprecherin. 

Die Kandidatensuche scheint aber teils auch bei der AfD ein Problem zu sein, wie ein Blick auf die Zahlen in Sachsen-Anhalt zeigt. 14.000 Bewerber gibt es dort insgesamt, auch hier die meisten (rund 5000) auf parteiunabhängigen Listen. Die CDU schickt gut 3000, die SPD knapp 2000, die Linke 1500 und die FDP 1100 Kandidaten ins Rennen. Bei der AfD sind es "nur" gut 600 und somit ähnlich wenige, wie bei den in Sachsen-Anhalt schwach aufgestellten Grünen. 

Enormer Zulauf bei der Zahl der Briefwähler auch bei Kommunalwahlen 

Auch in Sachsen-Anhalt zeigt sich ein ähnlicher Trend, wie in allen anderen Bundesländern. Die Zahl der Briefwähler steigt deutlich. Schon 2 Wochen vor der Wahl lag die Zahl der Briefwähler in dem kleinen Bundesland bei 20.000. Zum Vergleich: Vor 5 Jahren waren es insgesamt gut 17.000. Ähnlich sieht es in Thüringen aus. Bisher hätten 161.000 Wahlberechtigte Briefwahlunterlagen beantragt. So viele, wie seit 25 Jahren nicht. Das sind übrigens schon jetzt fast 10 Prozent aller Wahlberechtigten in Thüringen. In einzelnen Landkreisen, wie etwa Jena oder dem Ilm-Kreis lag die Zahl - gemessen an allen Wahlberechtigten - sogar zwischen 13 und 15 Prozent. 

Das dürfte auch etwas mit der zeitgleich stattfindenden Europawahl zu tun haben. Wobei die Europawahl vor allem von den Kommunalwahlen profitiert. Das war schon im Jahr 2014 so - damals lag die Wahlbeteiligung in Bundesländern, wo nur Europa- und keine Kommunalwahlen stattfanden, bei knapp 44 Prozent. In Ländern mit paralleler Kommunalwahl lag die Wahlbeteiligung bei 50 Prozent. Größtes Bundesland mit parallelen Kommunalwahlen ist dieses Mal übrigens Baden-Württemberg. Nordrhein-Westfalen, wo 2014 neben der Europawahl auch Kommunalwahlen stattfanden, wählt hingegen dieses Mal keine Kommunalparlamente. NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland vor Bayern, wo ebenfalls keine Kommunalwahlen stattfinden. Dennoch rechnen Forscher bei dieser Wahl mit einer etwas höheren Beteiligung als vor 5 Jahren. Nicht zuletzt die hohe Zahl der Briefwähler in allen Bundesländern deutet darauf hin. 

Baden-Württemberg schaut auch auf viele Großstädte 

In den Gemeinden im Südwesten stehen teils spannende Entscheidungen an. Die Landeshauptstadt Stuttgart etwa hat einen Grünen Oberbürgermeister. Stärkste Kraft im Gemeindeparlament ist aber die CDU. Das könnte sich dieses Mal ändern, was das Regieren für den Oberbürgermeister deutlich leichter machen könnte.

Auch in Ulm könnte es spannend werden. Der Oberbürgermeister von der CDU muss neben einem erstmals antretendem bürgerlichen Wählerbündnis auch die AfD fürchten. Wobei letztere in Streitigkeiten liegen - nun treten nur noch ier Kandidaten an, nachdem bekannt wurde, dass der Spitzenkandidat wegen Überfällen auf drei Banken und einen Sex-Shop in den 80er Jahren im Gefängnis saß. 

In Pforzheim, einer Stadt mit hoher Jugendarbeitslosigkeit, tritt der frühere Porsche Gesamtbetriebsratschef Hück als Spitzenkandidat für die SPD an. Oberbürgermeister ist ein CDU Mann, die SPD hat bisher im Gemeindeparlament nur halb so viele Stimmen wie die CDU. 

In Tübingen arbeiten sich die anderen Parteien vor allem am umstrittenen Oberbürgermeister Boris Palmer ab. Der steht zwar gar nicht zur Wahl, hat aber bisher im Gemeindeparlament mit den Grünen die mit Abstand stärkste Fraktion hinter sich.