Corona-Fußgängerzone-Ticket
So unbeschwert wird es in unseren Fußgängerzonen in der Corona-Krise länger nicht mehr zugehen.
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Vorstoß aus der Wirtschaft

Corona: Zutritt zur Fußgängerzone nur noch mit Ticket möglich?

Der Zugang zur Fußgängerzone und zu Geschäften soll wegen des Schutzes vor Corona über digitale Tickets begrenzt werden. So lautet ein Vorschlag des Industrie- und Handelskammertags. Der Städte- und Gemeindebund lehnt dies ab.

Vor allem an den Wochenenden ein lange gewohntes Bild: Tausende von Menschen sind in den Städten in der Fußgängerzone unterwegs. Sie genießen den Einkaufsbummel und entspannen sich in den Straßencafes und Restaurants. Auch wenn ein solcher Ansturm in absehbarer Zeit kaum vorstellbar ist, könnten die Bummelmeilen womöglich aber doch bald wieder voller werden.

Kundenströme in Fußgängerzone und Geschäften begrenzen

Damit auch nach Lockerung der Beschränkungen ein allzu massiver Anstieg der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus möglichst verhindert wird,  hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) nun einen Vorschlag gemacht: Mit Hilfe einer App könnten die Kundenströme in Fußgängerzonen, Geschäften und Hotels erfasst und reguliert werden.  Der Zugang könnte auf diese Weise begrenzt und damit die Ansteckungsgefahr vor Corona verringert werden.  Die Digitalisierung sollte also stärker genutzt werden, um die Wirtschaft schneller hochfahren zu können.

Positionspapier an Kanzlerin und Bundeswirtschaftsminister

Ein entsprechendes Positionspaper hat der Verband an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier versandt, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zuerst berichtete.

"Gerade wenn wir länger mit der Pandemie zu tun haben, müssen wir den Schutz der Gesundheit und das Überleben der Unternehmen kreativ zusammen denken – nur beides zusammen sichert gute Perspektiven für die Menschen hierzulande",  kommentierte DIHK-Präsident Eric Schweitzer jetzt das in seiner Organisation erarbeitete  Papier. Es enthält noch weitere Vorschläge.

Wie soll das Ticketsystem funktionieren? Über die App könnten Kunden ein Ticket erhalten und auch Einkaufszeiten in Geschäften buchen, das Verfahren wäre nach Vorstellung des Industrie- und Handelskammertags auch bei der Wiedereröffnung von gastronomischen Betrieben hilfreich.

"Für die Berechnung aus epidemiologischer Sicht verantwortbaren Auslastung würden die Restaurants entsprechend angeben, wie viele Plätze sie bei Einhaltung der entsprechenden Abstandsregeln anbieten können", heißt es in dem Papier. Tagestickets könnten im Tagestourismus die Gästezahl an Hotspots wie Stränden, Seen oder Nationalparks steuern. Ähnliches sei auch für Messen denkbar. Der Industrie- und Handelskammertag kann sich auch Warnschilder auf Online-Karten und Warnungen vor überfüllten Bussen und Bahnen vorstellen.

Städte- und Gemeindebund lehnt Ticketsystem ab

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, lehnt eine generelle Lösung für alle Innenstädte oder alle Bereiche ab. "Wenn wir die Infektionen weiter eindämmen und Infektionsketten unterbrechen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass es in Innenstädten, in Geschäften, in Beherbergungsbetrieben und in Gaststätten nach ihrer Wiedereröffnung klare Regelungen zur Einhaltung des Abstandes und der Hygiene gibt", sagte Landsberg auf Anfrage von KOMMUNAL.

Ampelsystem vor Geschäften sinnvoll

Vor einem großen Geschäft könne ein Ampelsystem durchaus interessant sein - indem sie  anzeigt, wenn sich die Zahl der sich dort aufhaltenden Personen erreicht ist. In Fußgängerzonen lasse sich dies aber nur schwer umsetzen, zeigt Landsberg sich überzeugt. "Denn hier kommt es immer auf den Einzelfall an", betont er. "Die örtlichen Gegebenheiten sind völlig unterschiedlich. Eine generelle Lösung sollte es nicht geben und wird es auch nicht geben."

Landsberg verweist darauf, dass die Regelungen im Einzelhandel derzeit gut funktionieren. Es habe sich bewährt, dass die Kunden in großen Lebensmittelgeschäften einen Einkaufswagen nehmen müssen. So könne nachvollzogen werden, wie viele Personen sich im Geschäft aufhalten.

Apps der Verkehrsbetriebe zur Auslastung

Im Bereich des Nahverkehrs könnte als zusätzlicher Service eine Anzeige der tatsächlichen oder prognostizierten Auslastung in den Apps der Verkehrsunternehmen dienen, betonte Landsberg. Die Fahrgäste könnten sich so besser entscheiden, wann sie  ein Verkehrsmittel nutzen. Zugangskontrollen hingegen seien kaum umsetzbar, glaubt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes.

Keine überflüssige Bürokratie schaffen

Er warnt: "Wir müssen bei allen Regelungen darauf achten, dass wir nicht mehr überflüssige Bürokratie schaffen." Es sei vielmehr wichtig, die Menschen gut zu informieren. "Die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist derzeit bereit, zusätzliche Maßnahmen zu akzeptieren und zu befolgen", beobachtet Landsberg. "Dieses Vertrauen muss immer wieder neu erworben werden."

Digitales Ticket überrascht Handelsverbände

Der Vorstoß des Industrie- und Handelskammertags hat offenbar auch den Handelsverband Deutschland überrascht.  "Wichtig ist dass Abstands-und Zugangsregelungen vor Ort praktikabel umgesetzt werden können. Das kann auf vielerlei Art und Weise geschehen, die Vergabe von digitalen Tickets kann dabei eine Möglichkeit sein", sagte Handelsverband-Sprecher Stefan Hertel auf Anfrage von KOMMUNAL.

Innenstädte derzeit fast leer

Deutlicher wird da der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg,  Nils Busch-Petersen. Er zeigte sich überrascht von dem Vorstoß, der  nicht mit den Handelsverbänden abgestimmt gewesen sei. "Wir haben schon ohne App einen massiv regulierten Zugang. In die Innenstädte kommt derzeit ohnhin keiner mehr", betont Busch-Petersen. Dort werde derzeit nur noch 40 Prozent der bisherigen Frequenz gezählt. Und der Umsatzeinbruch sei noch gewaltiger. Die Einführung einer solchen App steht er skeptisch gegenüber. Denn nicht alle Bürger werden sie haben wollen, und viele sorgen sich, dass sie zu Diskriminierungen führt.

Die Vorsitzende der AG Potsdamer Innenstadt, Bärbel Schälicke, sagte KOMMUNAL: "Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir froh, wenn überhaupt noch Leute die Innenstadt  kommen." Die Kunden hielten sich weitgehend an die Vorschriften wie den Maskenzwang und die Abstandsregelungen.

Ticketsystem soll in Kommunen erprobt werden

"Wir brauchen kurzfristig die Erprobung solcher Modelle in verschiedenen Kommunen und Regionen", schreibt der Industrie- und Handelskammertag. Danach könnten Lösungen flächendeckend umgesetzt werden.

Es wird spannend, wie der Vorschlag nun in der Politik ankommt. Eins steht schon jetzt fest: Ohne die Kommunen wird das Konzept nicht umzusetzen sein.