Bürgermeister

Ein Vierteljahrhundert Bürgermeister

Erst nach seiner Wahl ist er in den Ort gezogen – das war vor immerhin 25 Jahren. Seither setzt der Bürgermeister der 5000 Einwohner Gemeinde Unterensingen auf die drei V“s, wie er in unserem Bürgermeisterportrait erläutert

Sein Name: Sieghart Friz, seine Funktion: Rathauschef von Unterensingen. Sein Büro: Ein altes Fachwerkhaus direkt neben der Kirche des gut 5.000 Einwohner zählenden Vororts von Stuttgart. Doch der Mann, der noch mindestens bis 2026 die Geschicke der Gemeinde lenkt, kommt ursprünglich gar nicht aus der Gemeinde hoch über dem Neckar. „Ich halte es für die Unabhängigkeit des Bürgermeisterberufs für gut, wenn man vor der ersten Wahl von außen kommt und keine Verwandten am Ort hat“, sagt Friz. „Denn ein Bürgermeister hat eine gewisse Macht.“ Erst nach seiner Wahl ist er in den Ort gezogen. Dort ist ihm der direkte Kontakt mit den Bürgern das Wichtigste. „Das ist das Benzin des Bürgermeisters“, sagte Friz. Das gelte für den Bürger, der mit einem Anliegen aufs Rathaus komme ebenso wie für den Umgang mit Ehrenamtlichen in Kirche und Vereinen. 

Der Bürgermeister muss nicht jeden kritischen Satz bewerten oder kommentieren

Denn für Friz war es immer das „oberste Prinzip“, die Verantwortung, die die Bürger ihm mit ihrer Wahl geschenkt haben, „mit guter, kontinuierlicher Arbeit auch wieder an die Bürger zurückzuzahlen“. Verantwortung und Macht gehören zusammen, ist der Unterensinger überzeugt. Das hängt wohl auch mit seinem christlichen Glauben zusammen: Sieghart Friz berichtet offen, dass er von dort – und aus seiner Familie – die Kraft zieht, die er für sein Amt benötigt. Für das drei Buchstaben besonders wichtig sind: Das „V“, das „V“ und noch einmal das „V“. „Vertrauen, Verantwortung und Vorhaben“, sagt Sieghart Friz. Eine gute, auf Vertrauen basierende Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat sei für einen Bürgermeister zum Beispiel „überlebenswichtig“. „Nur wo das Miteinander auf Augenhöhe stattfindet, und gegenseitig Vertrauen investiert wird, funktioniert es.“ Wenn das Verhältnis mit einem Gemeinderat beschädigt sei, lasse es sich oft nur mit großen Mühen und diplomatisch reparieren. „Der Gemeinderat muss mit aktuellen Informationen versorgt werden – da hat der Bürgermeister als Hauptamtlicher eine Bringschuld gegenüber den Ehrenamtlichen“, sagt Friz. „Dazu kommt Fairness in der Diskussion: Der Bürgermeister muss nicht jeden kritischen Satz bewerten oder kommentieren, auch wenn es mir vielleicht mal nicht in den Kram passt.“ Es sei die große Kunst, „Sitzungsführung so zu machen, dass sich jeder mitgenommen fühlt und beteiligen kann.“ 

Straßenbau ist ein großes Thema

Wirtschaftlich profitiert die Gemeinde Unterensingen von der Nähe zum Großraum Stuttgart. Im Gegensatz zu vielen anderen Kommunen hat Unterensingen keine Schulden. Bauplätze am Ort sind gefragt. Eine gute Autobahnanbindung sorgt dafür, dass viele junge Familien zuziehen. Auch die Infrastruktur stimmt: Es gibt noch einen Bäcker, einen Fleischer, Gasthäuser und eine Apotheke, sowie mehrere Ärzte. „Da profitieren wir davon, dass wir ein attraktiver Wohnort sind“, sagt Friz. Sein großes Thema sei aber immer die Infrastruktur gewesen: Ein neues Wohngebiet, neue Kitas und Sporthallen mussten gebaut werden. Im Moment seien zwei Baugebiete in der Gemeinde ausgewiesen. Im kommenden Jahr will die Gemeinde noch einmal einen Kindergarten bauen. Denn aufgrund des guten Standorts suchen zahlreiche Familien einen Bauplatz in Unterensingen. „Da kommen dann ja meist auch Kinder hinterher“, sagt Friz. Aber die Kosten für den Kindergarten kämen ja später über erhöhte Einkommenssteuern zurück. „Die Eltern sind ja meist berufstätig.“ Und auch ein Rathausneubau ist in Unterensingen geplant. 

Finanzieren muss die Gemeinde auch den Straßenbau. Denn in Baden-Württemberg gibt es zwar Erschließungsbeiträge für den Neubau einer Straße. Doch die in anderen Bundesländern umstrittenen Straßenausbaubeiträge gibt es im Ländle nicht. „Das bleibt bei den Kommunen“, sagt Friz. „Und das ist ein großes Thema auch in unserer Gemeinde.“ Der Tiefbau werde komplett aus dem Haushalt der Gemeinde finanziert. Wenn die Straße vor dem Rathaus Schlaglöcher hat, muss das die Kommune komplett selbst bezahlen. „Das Geheimnis ist es, dran zu bleiben“, sagt Friz. „Es geht halt nicht, zwei Jahre mal was an den Straßen zu machen, und dann zehn Jahre nicht.“ Alle Bürgermeisterkollegen, die sich kontinuierlich um ihre Straßen gekümmert hätten, und dafür immer Finanzmittel reserviert hätten, hätten damit heute keine Probleme. „Wenn man das nicht macht, wird der Sanierungsberg dagegen immer höher – und irgendwann wird man dann davor erdrückt.“ Mit dem „V“ für „Verantwortung“ dagegen haben andere Baumaßnahmen zu tun, die es in den letzten Jahren in Unterensingen gab. Als 2015 die Flüchtlinge nach Deutschland kommen, hat sich die Gemeinde angeboten, eine Flüchtlingsunterkunft für den Landkreis zu errichten. Und ein altes Kindergartengebäude wurde für die dauerhaft anerkannte Flüchtlinge zu Wohnraum umgebaut. „Wir hatten da richtig Gegenwind, da gab es Unterschriftenlisten“, sagt Friz. Und auf den Neubau einer Flüchtlingsunterkunft gab es einen Brandanschlag. „Das ist an die Substanz gegangen“, sagt der Bürgermeister heute. „Das war etwas, was ich in meiner ganzen Zeit als Bürgermeister bis dahin so nicht erlebt hatte – und auch nie wieder erleben will.“ 

Als Bürgermeister kommt es vor allem auf die Zusammenarbeit mit anderen Menschen an

Was aus Sicht von Sieghart Friz einen guten Bürgermeister ausmacht? „Er muss die Bürger und die Menschen mögen, auch wenn sie manchmal vielleicht andere Meinungen haben und er muss seinen Beruf in seiner Vielfältigkeit lieben.“ Ein Bürgermeister könne nie eine „One-Man-Show“ abliefern. Es komme immer auf gute Zusammenarbeit mit Anderen an. Und das gehe bis zur Familie, die das Amt des Bürgermeisters mittragen muss: „Wenn die eigene Frau so ein Amt nicht unterstützt, dann geht es nicht“, sagt Friz. „Es würde nicht funktionieren, wenn sie mir nicht so viel Privates abnehmen würde.“ Denn ein Bürgermeister ist nun mal auch abends und am Wochenende bei Hauptversammlungen und Vereinstreffen, bei Feierlichkeiten und Diskussionsrunden im Einsatz. Doch bei Sieghart Friz hat das alles funktioniert. Und das sogar schon 25 Jahre lang. 

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