Das Dorfleben hat Zukunft - dabei können auch soziale Unternehmer helfen, meint unsere Gastautorin
Das Dorfleben hat Zukunft - dabei können auch soziale Unternehmer helfen, meint unsere Gastautorin

Tipps für Kommunen

Das Dorfleben stärken - mit gemeinnützigen Jungunternehmern

Junge Unternehmer schicken sich an, das Dorfleben attraktiver zu machen. Wir stellen Projekte vor und geben acht Tipps für Kommunen, wie sie interessierte Jugunternehmer unterstützen und so den ländichen Raum neu beleben können. Ein Gastbeitrag von Linda Rottler.

Es ist Sommer. Gerstenfelder wiegen sich im Wind, die Kühe auf der Weide gegenüber der Straße grasen und die Sonne erwärmt die Luft. Martin sitzt vor seinem Haus in Zichow in Brandenburg und hängt in der Warteschleife. Er kann nicht weiterarbeiten, denn das Internet macht mal wieder schlapp. Die Webseite, die Marketingtipps enthält, ist nach Minuten laden, immer noch nicht vollständig zu sehen. Es kommt einfach kein flüssiger Arbeitsrhythmus zustande. Die Idylle, die er hier eigentlich schätzt, wird durch die erschwerten Arbeitsbedingungen zu einem Nachteil.

Vor einiger Zeit gründete Martin ein soziales Unternehmen. Er möchte die Kapazitäten, die es hier auf dem Land gibt, nutzen. Er möchte die sozialen Strukturen stärken und findet es deshalb wichtig, dass die Anbindung zwischen den Gemeinden verbessert wird. Dafür kaufte er E-Bikes, die ein Freund in Gramzow produziert. Diese sollen nun in der Region vermietet werden. Er wünscht sich, dass Menschen nicht mehr in die Stadt fliehen, sondern erkennen, dass mit Vernetzung und Kooperation auch hier spannende Dinge passieren. Er ist jetzt ein „Social Entrepreneur (SE)“ – sozialer Unternehmer.

Dorfleben gestalten -  Einfach mal machen?

In einer Großstadt oder wirtschaftlich starken Region funktioniert nachhaltige Unternehmensgründung immer öfter. Wie ist es aber für Kreative wie Martin, die im wahrsten Sinne des Wortes „ab vom Schuss“ leben? Als Martin sich diese Frage stellte, stieß er auf das Projekt SENTINEL.

EU fördert das Dorfleben mit Fördergeldern

Das Förderprogramm Interreg Central Europe widmete sich dieser Frage, die Martin und andere Sozialunternehmer umtreibt. Hinter dem Namen SENTINEL verbirgt sich ein Projekt, das europäische soziale Unternehmer drei Jahre lang begleitete. Mit Kooperationspartnern aus Italien, Ungarn, Polen, Tschechien, Slowenien und Deutschland ist ein länderübergreifendes Zusammenspiel entstanden. „Dass das Projekt grenzübergreifend funktionierte, war ein großes Glück. Jedes Land ist in einer anderen Entwicklungsphase und so konnten wir viel voneinander lernen“, sagt Mateja Karničik, die in Slowenien mit Sozialunternehmern zusammenarbeitet. Während einer Recherche zur erfolgreichen Unternehmensgründung in anderen Ländern, stieß Martin auf Mateja und kontaktierte sie. Er erfuhr, dass es die Art von Strukturausbau, wie er sie plant, schon in einer benachteiligten Region in Slowenien gibt.

Eine Toolbox hilft Kommunen und Jungunternehmern auf dem Dorf  

Im Mai 2020 fand das Projekt seinen Abschluss. Die Social Impact gGmbH Deutschland beteiligte sich maßgeblich an der Erstellung einer „Toolbox“, die Förderern sowie Gründern eine nachhaltige Unternehmensentwicklung erleichtern soll. „Wir haben uns bei der Toolbox an bestehenden Theorien der Unternehmensgründung orientiert und sie weiterentwickelt. Die Dokumente, die dabei entstanden sind, unterstützen soziale Unternehmen und verbessern ihr Modell“, erklärt Moritz Blanke der Social Impact gGmbH. „Wir haben versucht die Komplexität, die in einer Neugründung liegt, zu reduzieren.“

Über die Schwierigkeit des Gründens auf dem Dorf

Die Toolbox könne persönliche Betreuung nicht ersetzen, aber die einzelnen Tools seien wahnsinnig hilfreich, wenn es um neue Perspektiven und Testphasen gehe, findet Mateja Karničik. Martin hat sich die Toolbox heruntergeladen und sieht sie kritisch. Da die Dokumente in der Toolbox auf Englisch sind, ist ein Sprachverständnis und wirtschaftliches Begriffsvermögen von Nöten. Die Toolbox zeigt deutlich: Nicht jeder kann seine soziale Idee erfolgreich umsetzen. Denn es benötigt nicht nur innovative Gedanken, sondern auch ein Bewusstsein für die Wirtschaft. Laut Moritz Blanke (Projektkoordinator SENTINEL) ist aber eine europäisch repräsentative Toolbox entstanden, die sich jeder (angehende) Unternehmer downloaden kann.

socialimpact.eu/international

Dorfleben fördern – die besten Tipps für Kommunen

Martins Unternehmen bringt seiner Kommune enormen Mehrwert, denn die Dorfbewohner sind nicht mehr auf die zwei Busse am Tag angewiesen.

Für den Erfolg seines Unternehmens waren verschiedene Komponenten wertvoll:

  1. Egal wo Sie gründen möchten, ob Heimatort oder zugezogen: Ergründen Sie die sozialgesellschaftlichen Begebenheiten der Region. Sprechen Sie mit den Menschen, was sie bewegt und wofür sie stehen.
  2. Vernetzen Sie sich mit Gleichgesinnten. Soziale Ideen können mit Kooperationen nicht nur Kontakte bringen, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl in der Region stärken.
  3. Informieren Sie sich über bereits bestehende Projekte. Möchten Sie neu gründen oder können Sie sich anschließen?
  4. Informieren Sie sich über die Förderlandschaft der EU und Deutschland. Es gibt Programme, die genau Sie suchen.
  5. Ihre Gründung kann Wissen und Kompetenz für die Region bedeuten. Halten Sie weiterhin die Augen auf, es gibt viele verborgene Qualitäten. Aktivieren Sie die Menschen vor Ort.
  6. Lernen Sie die Stärken und Kapazitäten Ihrer Kommune kennen.
  7. Nutzen Sie die Toolbox. Sie geht auf alle beschriebenen Punkte ein.
  8. Scheuen Sie sich nicht andere Sozialunternehmer anzusprechen. Die Kombination aus Toolbox und menschlicher Expertise kann Ihr Unternehmen facettenreich unterstützen.

Auch von Linda Rottler