Lisel Heise
Lisel Heise: Mit 101 Jahren wohl Deutschlands älteste Stadträtin
© Thomas Bock

101-Jährige

Deutschlands älteste Stadträtin gibt auf? Nicht ganz!

Mit 100 Jahren hat Lisel Heise ihr erstes Amt im Stadtrat angetreten. Nach nur einem Amtsjahr verlässt sie das Gremium wieder. Dafür hat sie aber gute Gründe. Augen und Ohren funktionieren nicht mehr so, wie es für die Arbeit im Stadtrat nötig sei. Ihr Engagement für das Gemeinwohl in Kirchheimbolanden wird sie aber fortsetzen.
Aktualisiert am 18. Juni

Lisel Heise ist nicht nur die älteste, sondern wohl auch die berühmteste Stadträtin Deutschlands. Ihr Einzug in den Stadtrat der 8000-Einwohnerstadt Kirchheimbolanden in Rheinland-Pfalz hat vergangenes Jahr international für Schlagzeilen gesorgt. Eine mittlerweile 101-jährige Stadträtin gibt es schließlich nicht überall. Jetzt hat sie ihren Rückzug aus dem Stadtrat angekündigt.

„Wenn das Handwerkszeug für diese Arbeit nicht mehr so neu ist und vor allem nicht mehr zuverlässig funktioniert, dann muss man halt einfach aufgeben. Eine ganz logische Schlussfolgerung“, sagt Lisel Heise zu KOMMUNAL. Sie meint damit ihre Ohren und Augen. Jetzt wird die hochbetagte Seniorin im Stadtrat offiziell verabschiedet.

Wie kam es überhaupt dazu, dass Lisel Heise mit damals 100 Jahren ein politisches Amt bekleiden wollte? Schon ihr Vater war einst Stadtrat. Den Ausschlag aber, dass sie nun auch kandidierte, war der Streit um ein Freibad. Sie kämpft dafür, dass es wieder eröffnet wird, nachdem es 2011 geschlossen wurde.

Ratssitzungen sind eine sachliche Angelegenheit

Wie Lisel Heise die Arbeit im Stadtrat fand? „Im Stadtrat ist es ähnlich wie in der Konferenz einer Schule“, sagt die pensionierte Lehrerin. "Dort wird viel diskutiert. Am Ende kommt es immer darauf an, ob eine Idee umsetzbar ist oder ob man sie besser lässt."

Manchmal erforderte das kommunale Engagement sehr viel Geduld und nicht jede Stadtratssitzung machte Spaß. „So eine Stadtratssitzung ist eine total nüchterne und sachliche Angelegenheit“, sagt Lisel Heise. Man freue sich, wenn relativ schnell eine Lösung gefunden wird. Manchmal sei es aber auch eine zähe Angelegenheit, wenn etwas ewig durchgekaut wird. Zu ihrem Fazit gehört: „Egal ob man im Lehrerzimmer sitzt oder im Stadtrat ist“, sagt sie, „das Minimale, das Kleine, das relativ Unwichtige, darauf wird relativ viel Zeit verwendet.“

Lisel Heise hat eine Botschaft an die Politik

Was würde sie sich anders wünschen? Ihrer Meinung nach haben sich Teile der Politik zu weit vom Humanismus entfernt. „Probleme aus der Sicht des Kapitals zu lösen, haut nicht hin“, zeigt sich die parteilose Politikerin überzeugt. Dabei verweist sie auch auf die weltweit politische Lage. In der Coronakrise sieht sie auch eine Chance. „In einer solchen Krise besinnt sich der Mensch auf das, was ihm wirklich etwas wert ist.“

Das Engagement der Stadträtin beweist: Für ein Amt ist es nie zu spät

Lisel Heise beobachtet, dass zunehmend mehr junge Menschen in die Kommunalpolitik gehen. Das freut sie merklich. Früher sei für die Jugend nicht so viel Platz gewesen. „Da hat sich jetzt Gott sei Dank etwas geändert“, sagt sie. Im Stadtrat sitzen übrigens viele ihrer früheren Schüler:  "Fast die Hälfte der Stadträte hat bei mir die Schulbank gedrückt", erzählt sie. „Da kann man ganz anders miteinander umgehen“.

Dem Stadtbürgermeister bleibt Lisel Heise positiv in Erinnerung

Der Stadtbürgermeister Marc Muchow weiß Lisel Heise zu schätzen. Und das nicht nur für die internationale Aufmerksamkeit, die sie Kirchheimbolanden beschert hat. „Frau Heise ist eine sehr nette und hilfsbereite Frau“, sagt er über sie.

Ihn beeindruckt auch, wie fit die Seniorin ist. In der Kirche bot die 101-jährige jüngst dem etwa 20 Jahre jüngeren Vater des Stadtbürgermeisters nach dem Gottesdienst an, ihn beim Gehen zu stützen. "Die Szene sorgte für Heiterkeit", erinnert sich Muchow.

Bei der Verabschiedung behandelt die Stadt alle gleich

Trotz des Medienrummels lief die Verabschiedung von Lisel Heise so ab, wie bei allen anderen auch. „Da behandeln wir alle gleich“, so Stadtbürgermeister Muchow. Sie bekam Blumen. Für die Ehrenmedaille hat es leider nicht gereicht. Die gibt es erst nach einer Amtszeit von fünf Jahren.

Aufgeben wird Lisel Heise übrigens nur ihr Amt im Stadtrat. In der Bürgerinitiative „Wir für Kibo“ bleibt sie aktiv. Dort möchte sie sich auch weiterhin für die Schwimmbäder und das Gemeinwohl in der Kommune einsetzen.