Bürgermeister Lockdown
Der Lockdown ab dem 2. November trifft Kultur und Gastronomie hart.
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Bund-Länder-Beschluss

Das sagen Bürgermeister zum Lockdown

In den Kommunen stößt der neue Lockdown nicht nur auf Verständnis. Viele Bürgermeister sorgen sich um Kultur, Freizeitbranche und Gastronomie. In Baden-Württemberg wenden sich 30 Bürgermeister mit einem Appell an die Landesregierung. KOMMUNAL hat sich bei Bürgermeistern bundesweit umgehört. Ein Überblick.

Die Corona-Infektionslage spitzt sich zu. Mit über 18.000 Fällen meldete das Robert Koch-Institut eine neue Rekordzahl. Wegen der kritischen Lage haben Bund und Länder am Mittwoch einen neuen Lockdown beschlossen, der am kommenden Montag, 2. November, in Kraft treten wird. Dabei gibt es Punkte, die von vielen Bürgermeistern kritisiert werden. Sie sind besorgt über die Auswirkungen auf Kultur und Lokalwirtschaft.

„Theater, Oper, Kino, Gastronomie, Hotellerie und Cafés haben gute Hygienekonzepte etabliert und sind als Treiber des Infektionsgeschehens nach unserer Kenntnis von eher geringer Bedeutung“, heißt es so auch in einem Appell von 30 Bürgermeistern in Baden-Württemberg.

Die kommunalen Spitzenverbände begrüßen den Lockdown zwar, sind sich der problematischen Punkte aber bewusst. Sie fordern schnelle und unbürokratische Hilfen für die Betriebe.

Kupferzells Bürgermeister lobt gute Hygienekonzepte

Bürgermeister Christoph Spieles

In meinen Augen hätte man hier anders agieren können, denn gerade in Cafés und gastronomischen Betrieben wurden gute Hygienekonzepte erstellt und umgesetzt.

Kupferzells Bürgermeister Christoph Spieles

Bürgermeister Christoph Spieles im baden-württembergischen Kupferzell bedauert, dass insbesondere Gastronomiebetriebe und Fitnessstudios wieder schließen müssen. Auch der Vereinssport komme durch die neuen Maßnahmen zum Stillstand.

„In meinen Augen hätte man hier anders agieren können, denn gerade in Cafés und gastronomischen Betrieben wurden gute Hygienekonzepte erstellt und umgesetzt, so dass ich selbst in den letzten Wochen und Monaten keine Ängste bei solchen besuchen verspürt habe“, erklärte Bürgermeister Spieles.

Er setzt auf Politik und Bevölkerung. Sie sollten die Betriebe unterstützen. „Da zumindest das Essen abgeholt werden kann, hoffe ich, dass unsere Bevölkerung hier noch einmal zusammenhält und die Betriebe entsprechend unterstützt“, sagte Bürgermeister Spieles zu KOMMUNAL.

Von der Politik erwartet Kupferzells Bürgermeister einen Ausgleich. „Vor allem die Gastronomen haben im letzten halben Jahr sehr viel leiden müssen.“

Waldkirchens Bürgermeister hat kein Verständnis für Lockdown der Gastronomie und Hotellerie

Bürgermeister Heinz Pollak

Die Schließungen führen meines Erachtens dazu, dass sich viele heimlich treffen.

Waldkirchens Bürgermeister Heinz Pollak

Noch kritischer äußert sich der Bürgermeister des niederbayerischen Luftkurortes Waldkirchen. Heinz Pollak hat für den Lockdown für Gastronomie und Hotellerie gar kein Verständnis.

„Die Branche der Beherbergungs- und Gastronomiebetriebe hat die Hausaufgaben in den letzten Monaten meines Erachtens hervorragend gemacht“, sagte der Bürgermeister der Stadt im Bayerischen Wald. „Sie alle haben in außerordentlicher Weise auf die einzelnen Betriebe zugeschnittenen individuelle Schutz- und Hygienekonzepte entwickelt, die auch mit hohem finanziellen Aufwand für den einzelnen verbunden waren.“

In Restaurants oder Hotels gebe es nach bisherigen Erkenntnissen keine hohe Ansteckungsgefahr, so Bürgermeister Pollak. „Die Schließungen führen meines Erachtens dazu, dass sich viele heimlich treffen - und gerade in diesen privaten Feiern finden aber auch nachweislich die meisten Infektionen statt.“

Bad Füssings Bürgermeister hofft auch auf Hilfen für indirekt betroffene Betriebe

Bürgermeister Tobias Kurz

Mir blutet das Herz. Natürlich steht die Gesundheit unserer Gäste und der Bevölkerung an oberster Stelle.                                                                            

Bad Füssings Bürgermeister Tobias Kurz

Auch die Kur- und Heilbäderorte trifft es hart. Bad Füssings Bürgermeister Tobias Kurz sagte KOMMUNAL: „Mir blutet das Herz.“ Nun müsse die niederbayerische Kommune schon zum zweiten Mal in diesem Jahr die Betriebe und Thermen schließen und damit das touristische Geschehen „komplett auf Null“ fahren.

Er fügte hinzu: „Natürlich steht die Gesundheit unserer Gäste und der Bevölkerung an oberster Stelle, das haben wir nach dem ersten Lockdown mit verantwortungsvollen Sicherheits- und Hygienekonzepten in allen Bereichen gezeigt.“ Für die lokale Wirtschaft bedeuteten die Maßnahmen aber erhebliche Einbußen.

 „Wir hoffen, dass die zugesagten Hilfen entsprechend ankommen und auch an die Betriebe gedacht wird, die zwar nicht direkt von einer Schließung, aber mittelbar betroffen sind“, betonte Bürgermeister Kurz. „Dabei denke ich an Bäcker, Metzger, Gemüsehändler, die die Gastronomie und Hotellerie beliefern und auch an den Einzelhandel, der bei uns stark vom touristischen Geschehen abhängig ist.“

Neubrandenburg will sich die Weihnachtsstimmung nicht trüben lassen

Oberbürgermeister Silvio Witt

Jetzt hat die Gesundheit für alle oberste Priorität und wir werden die von Land und Bund getroffenen Maßnahmen umsetzen, um die zweite Welle der Pandemie zu brechen.

Neubrandenburgs Oberbürgermeister Silvio Witt

Obwohl die Stadt Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern ihren Weberglockenmarkt samt Eislaufhalle wegen des Lockdowns abgesagt hat, will sich die Kommune das näher rückende Weihnachtsfest nicht verderben lassen. Die Innenstadt soll trotz allem in weihnachtlicher Atmosphäre erstrahlen.

„Jetzt hat die Gesundheit für alle oberste Priorität und wir werden die von Land und Bund getroffenen Maßnahmen umsetzen, um die zweite Welle der Pandemie zu brechen“, sagte Oberbürgermeister Silvio Witt.

Gemeinsamer Bürgermeisterappell in Baden-Württemberg: Es geht nicht nur ums Geld

In ihrem Schreiben an Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann weisen in Baden-Württemberg die 30 unterzeichnenden Bürgermeister darauf hin, dass die Pandemie noch länger andauern könnte. „Es ist zu befürchten, dass die Pandemie durch diese sektoralen Eingriffe so wenig gebremst wird, dass sie bis zum Frühjahr verlängert werden müssen“, heißt es in dem Brandbrief.

Allein mit Geld kann man Unternehmergeist, Kreativität und Leistungswillen nicht erhalten.

30 Bürgermeister an Regierungschef Winfried Kretschmann

Dauerhafte Abwertung und Untätigkeit werde viele zum Aufgeben treiben, warnen die Bürgermeister. "Was dadurch zerstört wird, ist auf lange Zeit nicht mehr wiederherzustellen.“ Der Ministerpräsident verteidigt die Beschlüsse von Bund und Ländern und garantiert Unterstützung für Betroffene.

Städte- und Gemeindebund ist für unbürokratische Hilfen

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht von Beschlüssen mit Augenmaß. Damit wurde verhindert, dass das Land in eine Art „Halbkoma“ fällt, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

Er forderte aber auch: „Nachdem nunmehr insbesondere die Gastronomiebetriebe für einen Monat schließen müssen, ist es wichtig, die angekündigten finanziellen Hilfen schnell und unbürokratisch umzusetzen, damit die Betriebe nicht aufgeben müssen. Das wäre ein verheerendes Signal für das Leben in unseren Städten.“

Man hat verhindert, das Land in eine Art „Halbkoma“ zu bringen und es ist richtig, insbesondere Schulen und Kindergärten grundsätzlich weiterhin zu betreiben. Nun bleibt zu hoffen, dass die Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielen.

Hauptgeschäftsführer des DStGB Gerd Landsberg

Deutscher Städtetag begrüßt das klare politische Signal

Der Präsident des Deutschen Städtetags Burkhard Jung sagte: „Das ist ein klares politisches Signal, das wir jetzt brauchen. Es ist besser, jetzt entschlossen zu handeln, als später mit Versäumnissen zu hadern." Schließlich werde damit auch die Gesundheitsversorgung sichergestellt, was insbesondere für schwere Krankheitsverläufe wichtig ist, so Jung, der auch Leipziger Oberbürgermeister ist.

Jung weiß aber auch: „In der Kultur, im Sport, in der Gastronomie sind mit viel Energie und Kreativität gute Hygienekonzepte entwickelt worden.“ Deshalb sei es wichtig, dass die wirtschaftlichen Folgen für die betroffenen Einrichtungen, Unternehmen und Solo-Selbständigen abgefedert werden – so, wie Bund und Länder das zugesagt haben. „In zwei Wochen die Wirkung der Maßnahmen zu prüfen, ist richtig und notwendig.“

Landkreistag: Ausnahmslose Verbote sind kritikwürdig

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Reinhard Sager, sieht die ausnahmslose Schließung von Gastronomiebetrieben und die Verbote von touristischen Übernachtungen ebenfalls kritisch. Zumindest dort, wo keine massiven Neuerkrankungen registriert werden. Insgesamt aber steht auch er hinter den geplanten Maßnahmen: „Wir muten den Menschen damit sehr viel zu. Leider ist dieser Schritt notwendig, weil uns die Pandemie sonst entgleitet.“