Bürgermeister Preuß wird Pate eines Stiers
Stolzer Pate: Bürgermeister Herbert Preuß (Mitte) mit dem weißen Paten-Stier Ferdinand - und den Hofbetreibern Birgit Schulze und Johannes Jung.
© Marika Hartl

Ehrenamt

Bürgermeister wird Pate eines Stiers- eine abenteuerliche Geschichte

Viele Bürgermeister sind Paten: Wenn zum Beispiel Drillinge in der Gemeinde geboren werden. Herbert Preuß im Bayerischen Wald dagegen hat sich für die Patenschaft für einen Stier entschieden. Dahinter steckt eine abenteuerliche Geschichte.

Bis Ferdinand in sein Leben trat, war Herbert Preuß nur eine einzige Patenschaft eingegangen: als seine Nichte vor 22 Jahren getauft wurde. Seit einigen Wochen aber ist er nun erneut Pate. Das Patenkind: ein junges Rind und noch nicht lange Bewohner der Gemeinde Kollnburg. Man möchte denken, dass es im Bayerischen Wald - dort liegt die 3000-Einwohner-Gemeinde zwischen Viechtach und St. Englmar - viele Stiere gibt. Also warum braucht dieser Stier einen Paten- und dann auch noch ausgerechnet den Bürgermeister?

Bürgermeister bewegt das Schicksal des Tieres

Dass die beiden - der Bürgermeister und der Stier - zusammen kamen, dafür sorgte das bewegende Schicksal des jungen Tieres. Eigentlich sollte Ferdinand bereits Ende März im Schlachthof sterben. Er war schon in der Tötungsbox, doch aus der konnte er sich befreien. Der weiße Stier flüchtete in der Gemeinde Wegscheid in den nahe gelegenen Wald. Zuerst hatte die Passauer Neue Presse darüber berichtet. Die Betreiber des Erdlingshof in der Gemeinde Kollnburg, der Tieren ein Zuhause gibt, erfuhren davon und entschlossen sich dazu, dem Jung-Stier zu helfen. Doch egal, wo der ausgebüxste Stier gerade gesehen wurde - immer, wenn Birgit Schulze und Johannes Jung dort auftauchten, war er schon wieder weg. Die beiden Tierschützer setzten auf ein Rind von ihrem Hof, das den jungen Ausreißer locken sollte - und dieses trug einen GPS-Sender.

Dem jungen Stier drohte der Abschuss

"Unsere Tierärztin hielt sich mit einem Narkosegewehr bereit", erzählte Birgit Schulze KOMMUNAL. "Doch es ergab sich einfach keine Gelegenheit, den jungen Stier zu betäuben." Dann kam das Ultimatum des Bürgermeisters der Gemeinde, in der Ferdinand unterwegs war. "Entweder wir schaffen es, den Stier bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu fangen oder es würde jemand beauftragt, der im schlimmsten Fall mit scharfer Munition auf ihn schießen würde."

Auf einem lichten Waldstück gelang es schließlich: Der Stier wurde von einem Betäubungspfeil getroffen, lief noch einige Minuten weiter- und konnte schließlich - benebelt - zum Anhänger geführt werden. "Es war schon nach Mitternacht, als unsere übermüdeten, aber glücklich strahlenden Helden auf den Erdlingshof fuhren", erinnert sich Birgit Schulze an die aufregenden Stunden.

Auf dem Erdlingshof leben mehr als 100 Tiere

Zwei Wochen war der junge Stier unterwegs gewesen und hat nun seine Heimat auf dem Erdlingshof gefunden, auf dem mehr als 100 Tiere leben. Der Hof, den Birgit Schulze und  Johannes Jung seit 2014 betreiben, hilft "Erdenbewohnern, die der Nutztier-Haltung zum Opfer gefallen sind" und will ihnen ein sicheres Zuhause geben.

"Bei uns leben Rinder, Pferde, Hirsche, Schweine und Esel. Aber auch Ziegen und Schafe, Gänse, Puten, Hühner, Hunde und Katze", berichtet Birgit Schulze. Auf dem Hof finden regelmäßig Führungen statt, auch für Schulklassen und Jugendgruppen. Bei den Führungen erfahren die Besucher die Geschichten der geretteten Tiere.

Patenschaft angefragt - Bürgermeister sagte zu

Das Tierschutz-Projekt finanziert sich durch Spenden und Patenschaften. "Wir fragten unseren Bürgermeister bei seinem Antrittsbesuch, ob er die Patenschaft für unseren neuen Bewohner übernehmen würde", sagt Birgit Schulze.

Herbert Preuß wollte. "Das Schicksal des jungen Stiers rührt mich", sagte er zu KOMMUNAL. Der Steinmetz ist noch nicht lange ehrenamtlich Bürgermeister, erst seit 1. Mai. Zuvor war er 12 Jahre im Gemeinderat politisch aktiv. "Ferdinand ist ein sehr sanftes Tier, das sich gerne streicheln lässt", zeigt er sich von seinem Patenkind überrascht. Von wegen wilder Stier!

Wer bezahlt die Patenschaft?

Was bedeutet die Patenschaft denn? "Ich schaue einfach ab und zu vorbei", erzählt der Bürgermeister. "Und spende hin und wieder für Ferdinand." Aus der Gemeindekasse?  "Nein, das zahle ich schon privat", betont der 56-Jährige.

Gemeinde Kollnburg bereit für Rückkehr der Touristen

Nun ist allen geholfen: Mit seiner ungewöhnlichen Patenschaft betreibt der Bürgermeister auch ein bisschen Werbung für den Ernstlingshof und sein Tierschutz-Anliegen, und umgekehrt macht der Stier Ferdinand die kleine Gemeinde im Bayerischen Wald noch bekannter. Gerade in Corona-Zeiten freut Kollnburg sich, wenn die Touristen auf den idyllisch gelegenen Ort aufmerksam werden - und vielleicht ihren Sommerurlaub dort verbringen.