Christian Erhardt sagt: Wir haben die Chance, der Gegenentwurf zur Bundes- und Landespolitik zu sein
Christian Erhardt sagt: Wir haben die Chance, als Kommunalpolitik der Gegenentwurf zur Bundes- und Landespolitik zu sein

Lautstarke Minderheiten?

Kommunen sind keine ideologischen Spielwiesen

Es gibt gute Gründe, warum Demokratien auf Gewaltenteilung und Kompetenz setzen und nicht auf Aktivisten, die die lautesten Forderungen stellen. Dem Diktat der „lauten Minderheiten“ sollten wir uns vor Ort nicht beugen, meint Christian Erhardt.

Locken, volle Lippen und viel Ohrschmuck: Ja, so hat sich vor über 100 Jahren der Deutsche einen Afrikaner vorgestellt. Stolz trägt daher auch die Stadt Coburg in Bayern seit über 100 Jahren ihren „Coburger Mohren“ im Stadtwappen. Linke Aktivisten halten es nun aber für rassistisch, haben eine Petition gestartet und schon über 3000 Unterschriften für die Abschaffung des Stadtwappens gesammelt. Zum Wappen muss man wissen, dass es den heiligen Mauritius zeigt – den legendären Schutzpatron der Stadt. Ein farbiger als Schutzpatron, ist das Diskriminierung oder nicht eher ein gutes Zeichen?



Debatten wie diese überziehen viele Städte in Deutschland, etwa im Stadtteil Möhringen in Stuttgart. Und die Mohrenstraße in Berlin soll nun auch umbenannt werden. Übrigens in „Glinkastraße“. Der russische Komponist war bekennender Antisemit! Genau hier zeigt sich das Problem der Möchtegern-Gutmenschen-Politik: Wenn wir mit unseren angeblich ach so hoch moralischen Maßstäben von heute an die Sache rangehen, wird es auch schwierig mit einer „Martin Luther Straße“ in Deutschland. Kommunen, die mit diesen Maßstäben ihre Straßennamen bewerten wollen, erwartet neben viel Arbeit, besonders viel Bürokratie und massive Kosten. Und nebenbei ernten sie extrem viel Unverständnis nicht nur von Anwohnern, die ihre Adressen ändern müssen. Sie ernten vor allem Kopfschütteln für Diskussionen, die aus einer Filterblase entstehen, aus reiner Ideologie und die mit der wir die breite Masse der Menschen nicht erreichen. Weil sie mit den Herausforderungen und den Problemen der Menschen vor Ort nichts zu tun haben – beziehungsweise eines von mehreren Luxusproblemen einer kleinen Klientel sind. Klientelpolitik hat aber in der Kommunalpolitik nichts verloren. Lautstarke Minderheiten werden nicht zur Mehrheit, weil sie besonders laut sind. Wir wurden gewählt, um pragmatisch zu sein.

Pragmatismus statt Ideologie: Kommunalpolitik muss Gegenmodell zu Bund und Land sein

Die zunehmende Ideologisierung der Kommunalpolitik führt dazu, dass sich immer mehr Menschen von der Politik vor Ort nicht mehr verstanden fühlen. Sie haben den Eindruck, auch der Kommunalpolitiker ist nicht mehr „einer von uns“.

Aber gerade wir vor Ort müssen ein Gegenmodell zur Landes- und Bundespolitik sein, bei der immer mehr Bürger nur noch mit dem Kopf schütteln. Doch statt als „Kümmerer“ treten auch einige Gemeinderäte immer häufiger als „ideologiegetriebene Verlängerung der Bundespolitik“ auf.

Das zeigt sich nirgends so deutlich wie in der Verkehrs- und Klimapolitik. Verkehr und Klima vor Ort müssen funktionieren, nicht ideologisieren. Die Verteufelung des Autos in unseren Städten ist für einige Mandatsträger zur Ersatzreligion geworden. Ideologie statt Vernunft. Da sind Radfahrer in Großstädten die fordern, der Angestellte auf dem Land, der darauf angewiesen ist mit dem Auto zur Arbeit zu fahren, möge doch endlich aufs Rad umsteigen oder alternativ extrem viel Geld für Parkplätze und Co. zahlen. Entsagung als Staatsreligion des 21. Jahrhunderts – wenn man es sich selbst leisten kann. Spiel- und Radstraßen für immer – das funktioniert halt nur in einer kleinen Filterblase, ist aber kein Modell für alle Menschen. Und schon gar nicht auf dem Land.

Nach Corona: Wir sollten uns diese ideologiefreie, pragmatische, vielleicht manchmal hemdsärmelige Arbeitsweise erhalten. Dann kann Kommunalpolitik langfristig Vertrauen zurückgewinnen."

Sprich die Sprache deiner Bürger - und nicht die einer Filterblase 

Ähnlich ideologische Spielwiesen leisten sich immer mehr Gemeinden in ihren Satzungen. Hier wird eine Sprache verwendet, die der Bürger nicht mehr versteht. Der Hang zu „gendern“ stellt viele Verwaltungen inzwischen vor gewaltige Herausforderungen. In der Straßenreinigungssatzung will der Bürger wissen, wann er den Grünstreifen mähen oder wann er den Bürgersteig von Schnee befreien muss. Doch schnell wird die Satzung, in der es um den Grundstückseigentümer geht, dank Eigentümerin mit Sternchen, Doppelpunkt, Doppelnennung und großem I mitten im Wort zum langatmigen, unverständlichen Text, der wieder nur Kopfschütteln verursacht. Abgesehen mal von dem Durcheinander bei den Formen – ein Säugling ist eben auch nicht dasselbe wie ein Gesäugter!

Wer sich erdreistet, Formen einzuführen die es nicht gibt, die grammatikalisch falsch sind, und diese dann verordnen will, der hat auch irgendwo ein schräges Verhältnis zur Demokratie. Wir wurden gewählt um den Willen der Wähler zu verwirklichen. Und was machen wir als Erstes: Wir wollen sie erziehen!

Corona bietet die Chance zum Neuanfang: Mit Ideologie setzen wir die Chance aufs Spiel 

In der Corona-Krise haben die Kommunen erstmals seit langem wieder massiv an Vertrauen gewonnen. Das hing stark damit zusammen, dass kein Platz und keine Zeit war für ideologische und verkopfte Diskussionen. Anpacken war gefragt! Wir haben gezeigt, dass wir das hervorragend können. Wir sollten uns diese ideologiefreie, pragmatische, vielleicht manchmal hemdsärmelige Arbeitsweise erhalten. Dann kann Kommunalpolitik langfristig Vertrauen zurückgewinnen. Also: Mehr Bürgernähe wagen, weniger Ideologie zulassen!