Die allgemeine Impfpflicht ist vom Tisch
Die allgemeine Impfpflicht ist vom Tisch
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Kompromiss in Sicht?

Zur Impfpflicht liegen nun drei Anträge vor

Drei Anträge stehen an diesem Donnerstag ab 9 Uhr im Bundestag zur Impfpflicht zur Abstimmung. Wir zeigen Ihnen die drei Anträge und bieten Ihnen die bereits fertigen Anträge zum Herunterladen als PDF im Original an.

Einen Tag vor der Abstimmung zur Impfpflicht im Bundestag gibt es einen neuen Kompromiss der Befürworter einer Impfpflicht. Bisher gab es den Antrag einer allgemeinen Impfpflicht ab 18 und einen Antrag auf eine allgemeine Impfpflicht ab 50. Die allgemeine Impfpflicht ab 18 war deutlich von einer eigenen Mehrheit entfernt. Deshalb haben sich deren Befürworter mit den Unterzeichnern des Antrags einer Impfpflicht ab 50 zusammengetan. Beide Gruppen haben daraufhin nun einen gemeinsamen neuen Antrag eingereicht. 

Der sieht im Kern folgendes vor: 

Es soll eine allgemeine Impfpflicht ab 60 Jahren beschlossen werden. Diese soll bis Oktober umgesetzt werden. Einmalig soll es - je nach Verlauf der Pandemie und der Impfquote - eine "Opt-Out Option" geben - sprich: Dann könnte der Bundestag den Beschluss noch zurücknehmen.

Gleichzeitig ist geplant, im Herbst erneut über eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren abzustimmen. 

Dieser Antrag hat damit nun die meisten Unterstützer, aber bisher nicht genügend Stimmen für eine Mehrheit im Bundestag.

Vorratsbeschluss zur Impfpflicht...

Das gilt aber auch für die anderen beiden Beiträge. Die Union fordert ein "Impfvorsorge-Gesetz". Das heißt, man würde nun einen "Vorratsbeschluss" fassen - In mehreren Stufen soll es erst eine Pflicht für über 60 jährige, dann für über 50 jährige u.s.w geben. Die Stufen sollen je nach Verlauf der Corona-Welle und der Impfquote in Kraft treten. Bisher wird der Antrag nur von einer Mehrheit der Unionsabgeordneten unterstützt, aber auch nicht geschlossen. Eine eigene Mehrheit wäre dann nur in Sicht, wenn die Befürworter der Impfpflicht ab 60 Jahren mit ihrem Antrag scheitern und dann auf den Vorschlag umschwenken.

Den Antrag stellen wir Ihnen zum Nachlesen hier als pdf im Original zur  Verfügung. 

Antrag zur Ablehnung der Impfpflicht... 

Der dritte Antrag lehnt eine allgemeine Impfplicht komplett ab. Er wurde vor allem von FDP-Abgeordneten initiiert. Auch hier gibt es aber einzelne Abweichler, so dass eine Mehrheit als unwahrscheinlich gilt. 

Auch diesen Antrag stellen wir Ihnen an dieser Stelle als pdf zum Nachlesen im Original zur Verfügung. 



Impfpflicht - das war der Diskussionsstand in der vergangenen Woche 



Der folgende Text gibt den Informationsstand und unsere Einschätzung vom 31. März wieder. Die Gedankenspiele sind weiter aktuell, die Kompromisse waren in der vergangenen Woche aber noch etwas andere und wurden nun "nachgeschärft".

Die Impfpflicht für alle Erwachsenen in Deutschland kommt nicht. Seit Wochen ringen die Befürworter im Bundestag um eine Mehrheit - doch nur gut 200 Abgeordnete haben sich bisher für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen. Nun wollen die Befürworter umschwenken auf eine "Impfpflicht ab 50 Jahren". Die Bild-Zeitung hatte zuerst über den Schwenk der Abgeordneten berichtet. Auf die Gesundheitsämter der Landkreise und Kommunen dürfte trotdzem viel Arbeit zukommen. 

Dass die allgemeine Impfpflicht nicht kommt, hatte sich seit Wochen abgezeichnet. Kanzler Olaf Scholz und Gesundheitsminister Karl Lauterbach kämpften zwar bis zum Schluss für ihren Vorschlag, schafften es aber nicht annähernd, eine Mehrheit im Bundestag hinter sich zu versammeln. Heute nun zitiert das Magazin Spiegel den Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert mit den Worten: "Ich unterstütze den Antrag für eine Impfpflicht für Ältere. Damit verfolge ich...das gleiche Ziel wie die Kollegen bei der Impfpflicht ab 18". Laut Bild-Zeitung ist die die Haltung mit Parteiführung und Kanzleramt abgesprochen. Weil die nötige Mehrheit fehlt, hätten sich die Befürworter einer allgemeinen Impfpflicht nun verständigt, einen Antrag für eine Impfpflicht ab 50 Jahren zu unterstützen.

Das bestätigte auch SPD-Vize Detlef Müller der Zeitung WELT: „So, wie wir das in unserem Entwurf formuliert haben, bekommen wir keine Mehrheit. Also müssen wir auf Basis gemeinsamer Schnittmengen der vorliegenden Entwürfe einen Kompromiss finden“, so Müller.

Grünen Politiker Dieter Janecek sagte wörtlich: "Eine Impfpflicht ab 18 ist nicht verhältnismäßig. Bei den Älteren ab 50 sieht die Risikoeinschätzung anders aus." Janecek gehört zu den Unterzeichnern des Antrags für eine Impfpflicht ab 50.

Das würde die Impfpflicht ab 50 für Einwohnermeldeämter und Gesundheitsämter bedeuten 

Der Antrag sieht zunächst eine Beratungspflicht für Ungeimpfte Menschen über 50 Jahren vor. Diese soll bis Mitte September erfolgen.

Die Einwohnermeldeämter der Kommunen sollen anhand ihrer Daten entsprechend ihre Datensätze dafür zur Verfügung stellen. Bis zum 15. September müssten die Personen dann den Gesundheitsämtern nachweisen, dass sie sich von einem Arzt über das Impfen haben aufklären lassen. Die Daten sollen die Ämter sammeln und zugänglich machen.Erst nach dem 15. September soll dann - anhand der Zahlen und der aktuellen Situation - über eine mögliche Impfpflicht im Bundestag abgestimmt werden. 

Der Antrag macht auch weitere konkrete Vorschläge, die aber technisch noch nicht geklärt sind. So heißt es, dass Bürger die Möglichkeit bekommen sollen, sich durch den Nachweis der Impfung digital von dem Termin zu befreien. Wer das nicht macht und auch nicht erscheint, bekommt eine Erinnerung. wie das technisch gelöst werden soll, ist aber noch unklar. Rechtlich wäre es dann eine Ordnungswidrigkeit, wenn ein Geimpfter nicht auf die Einladung reagiert und nachweist, dass er geimpft ist. Da Deutschland kein Impfregister hat, sind andere, unbürokratischere Wege aber kaum denkbar. 

Wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Impfpflicht ab 50 Jahren ist... 

Ob der Antrag eine Mehrheit findet, ist offen. Unterschrieben ist der Antrag bisher nur von 6 Abgeordneten. Würden nun alle rund 220 Unterstützer der allgemeinen Impfpflicht auf diesen Antrag als Kompromiss umschwenken, wäre aber eine Mehrheit denkbar. Dafür benötigt es 369 Ja-Stimmen. Damit kommt es wohl vor allem auf die Union an. Die CDU/CSU Fraktion hatte sich bisher für eine Verschiebung der Entscheidung für eine Impfpflicht ausgesprochen. Und genau da liegt der mögliche Kompromiss. Denn auch der Antrag für eine Impfpflicht ab 50 würde de facto bedeuten, dass das Thema erst einmal auf die Zeit nach dem 15. September verschoben würde. Denn bis dahin wären die Kommunen ja beschäftigt, die Nachweise über die Beratungsgespräche zu führen, erneute Aufforderungen zu verschicken und ggf. Ordnungsgelder zu verhängen. Der Initiator des Antrags für eine Impfpflicht ab 50, der FDP-Abgeordnete Andrew Ullmann erklärt selbst, dass je nach Verlauf der Impfungen und des Corona-Virus der Antrag bis zum Herbst möglicherweise "obsolet" sei. Für einen Teil der Abgeordneten von CDU/CSU also möglicherweise ein willkommener Kompromiss. 

Mögliches Szenario: Zunächst wird über den Antrag der Gegner der impfPflicht abgestimmt. Chancen auf Mehrheit: eher gering. Dann wird der Antrag der Union abgestimmt, die Debatte zu verschieben. Chance auf Mehrheit: gleich null. Als letztes dann der Antrag für die Impfpflicht ab 50: Will die Union die Impfpflicht nicht komplett scheitern lassen, bekommt sie auf diese Weise eine Verschiebung der Debatte in den Herbst, müsste Aber zugleich mit den bisherigen Befürwortern der allgemeinen Impfpflicht und somit der SPD stimmen…strategisch ein Balanceakt…