Für das Home-Schooling haben Schüler aus Hartz IV Familien möglicherweise ein Recht auf Unterstützung durch das Jobcenter
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Gerichtsurteil

Home-Schooling: Jobcenter muss Kosten für Schülerin übernehmen

In Thüringen hatte eine Schülerin beziehungsweise ihre Eltern auf Erstattung der Kosten für einen Computer geklagt. Im Eilverfahren bekam die Schülerin vor dem Landessozialgericht recht. Kosten für ausfallenden Präsenzunterricht sind demnach "anzuerkennender unabweisbarer laufender Mehrbedarf", wie es die Juristen formulierten. Im KOMMUNAL-Gastbeitrag erläutert der Beigeordnete des DStGB, Uwe Lübking, das Urteil und die Folgen.

Home-Schooling kann für die Kommunen beziehungsweise die Jobcenter teuer werden. Nach einer Entscheidung des Thüringer Landessozialgerichts in Erfurt im Rahmen einer Eilentscheidung vom 08.01.2021 muss das Jobcenter in Zeiten ausfallenden Präsenzunterrichts die Kosten für ein internetfähiges Endgerät nebst Zubehör für eine Schülerin übernehmen, die Hartz-IV-Empfängerin ist (L 9 AS 862/20 B ER). Die geltend gemachten Kosten sind nach Auffassung des Gerichts ein nach § 21 Abs. 6 SGB II anzuerkennender unabweisbarer laufender Mehrbedarf, der vom Regelbedarf jedenfalls unter den gegenwärtigen Umständen der Pandemie nicht abgedeckt sei. Das Landessozialgericht verpflichtet das Jobcenter zur Beschaffung von Computer und Zubehör in Höhe von 500 Euro, damit die Schülerin während der Pandemie von zu Hause aus am Unterricht teilnehmen kann. Ohne Erfolg blieb allerdings die Klägerin mit der Forderung, ein bestimmtes Gerät zu einem höheren Preis von 720 Euro erwerben zu dürfen. Sie müsse sich mit einem kostengünstigeren und gegebenenfalls gebrauchten Gerät zufriedengeben.

Der konkrete Fall: Schülerin im Home-Schooling 

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Mutter des Mädchens, das die 8. Klasse besucht, hatte die Übernahme der Kosten für einen Computer nebst Zubehör sowie einen Drucker beantragt. Sie begründete dies damit, dass ihre Tochter nach der coronabedingten Schließung der Schule ohne ein internetfähiges Gerät nicht auf die Thüringer Schul-Cloud zugreifen und am Unterricht im heimischen Umfeld teilnehmen könne. Die Kosten seien auch nicht durch den Regelbedarf abgedeckt.

Dieser Auffassung schloss sich das Landessozialgericht an. Die Anschaffung sei mit der Schließung des Präsenzunterrichts zur Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin auf Bildung und Chancengleichheit erforderlich geworden. Der Bedarf sei auch unabweisbar, denn im Haushalt sei bislang lediglich ein Smartphone vorhanden, das für den Zugriff auf die Schul-Cloud ungeeignet sei. Auch werde weder von der Schule noch von dritten Personen ein entsprechendes Gerät zur Verfügung gestellt. Per einstweiliger Anordnung verpflichteten die Richter daher das Jobcenter, der Klägerin die gewünschten Geräte zur Verfügung zu stellen oder ihr 500 Euro für den Kauf der Ausrüstung zu erstatten. Ohne Erfolg blieb die Klägerin mit der Forderung, ein bestimmtes Gerät zu einem höheren Preis von 720 Euro erwerben zu dürfen. Es gebe keinen Anspruch auf die bestmögliche Versorgung, sie müsse sich mit einem kostengünstigeren und gegebenenfalls gebrauchten Gerät zufriedengeben.

Das Gericht betont jedoch: Das war eine Einzelfallentscheidung...

Nach Angaben des Landessozialgerichts handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung. Sie sei zwar wegweisend, aber nicht bindend für die Jobcenter, bei denen andere Hartz-IV-Empfänger in ähnlichen Lebenssituationen derartige Anträge stellen. Zu prüfen wäre beispielweise, ob es in der Familie bereits ein internetfähiges Gerät gibt und dies für das betroffene schulpflichtige Kind zur Verfügung steht. Die Entscheidung des Gerichts fiel im Eilverfahren, das Urteil im Hauptsacheverfahren steht noch aus. Die Vorwegnahme der Hauptsache durch die Entscheidung sei aber vor dem Hintergrund der Gewährung effektiven Rechtsschutzes gerechtfertigt.

Das Urteil ist inhaltlich richtig, Home-Schooling muss finanziert werden... 

Die Entscheidung des LSG Thüringen ist aus Sicht des DStGB zu begrüßen. Die Corona-Krise darf nicht dazu führen, dass dauerhaft finanzielle Leistungen auf die Schulträger verschoben werden, die von den Sozialleistungsträgern, hier den Jobcentern, erbracht werden müssen. Die Beschaffung von Endgeräten ist keine Aufgabe der kommunalen Schulträger. Das LSG Thüringen hat diese Auffassung bestätigt. Allerdings sind die obersten Sozialgerichte der Länder bei der Frage, ob Schülern aus Hartz-IV-Haushalten gerade in der Pandemie zusätzliche Unterstützung zur Anschaffung von Schulcomputern erhalten sollen, unterschiedlicher Auffassung. Im Mai 2020 hatte das LSG NRW (L 7 AS 719/20 B ER) ebenfalls in diesem Sinne entschieden. Dagegen hat das LSG Niedersachsen-Bremen in einem Urteil aus dem November 2020 eine Pflicht zur Finanzierung eines iPad für 460 Euro durch das Jobcenter abgelehnt. Nach Auffassung des LSG müsse der Schulträger für die Ausstattung mit Lernmitteln zuständig sein. Könne sich eine Familie im Hartz-IV-Bezug kein Gerät leisten, müsse der Schulträger für die Kinder dieser Familien zum Beispiel eine kostenfreie Leihmöglichkeit anschaffen. Der DStGB hatte dieses Urteil seinerzeit kritisiert und notfalls eine gesetzliche Klärung angemahnt.