Bad Berleburg setzt auf Holz
Bad Berleburg verarbeitet viel Holz und verbaut die nachwachsende Ressource vielfach.
© Bad Berleburg

Nachhaltigkeit

Bad Berleburg setzt auf Borkenkäferholz

Bad Berleburg, eine waldreiche Kommune im Kreis Siegen-Wittgenstein, will weg von den energieintensiven Baumaterialien Beton, Ziegel und Stahl. Stattdessen nutzt die Gemeinde das massenhaft angefallene Borkenkäferholz. Mit ihrer Holz-Agenda räumt sie zudem auf mit Vorurteilen über nachwachsende Rohstoffe.

Vor drei Jahren rief Bad Berleburg den Klimanotstand aus. Ein symbolischer Akt, der bei vielen Skepsis hervorrief. So auch bei Johannes Röhl, Forstdirektor und Chef der Rentkammer des Fürstenhauses zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg. „Für mich war das erst einmal wieder eine Art Alarmismus, dem normalerweise zwar Hochglanzbroschüren für die Schublade folgen, aber keine echten Aktionen.“ Seine Einschätzung von damals hat er jedoch revidiert. Denn in Bad Berleburg wurden aus Worten auch Taten.

Borkenkäfergeschädigtes Holz wird verwendet

Bad Berleburgs knapp 20.000 Einwohner verteilen sich auf 23 Dörfer. Viele von ihnen sind traditionell Waldbauern. Fast 18.000 Hektar Wald gehören zu Bad Berleburg, allein 12.000 Hektar im Besitz des Prinzen zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg. 5.000 Hektar verteilen sich auf viele kleine Waldbauern und 650 Hektar verwaltet die Kommune. Wie in anderen Regionen auch machten Hitzesommer und Borkenkäfer einem Großteil des Waldes den Garaus: Etwa 1,2 Millionen Festmeter Käferholz musste den Wäldern entnommen werden. Der Not gehorchend – die Riesenmengen konnte der Markt in Deutschland nicht aufnehmen und wenn, dann zu einem extrem niedrigen Preis – wurde der Großteil der fürstlichen Schadhölzer nach Asien exportiert, während die Hölzer aus dem kommunalen und dem Kleinbauern-Bestand überwiegend regional vermarktet wurden.

Bad Berleburger Holz-Agenda

Statt Symbolpolitik zu betreiben, setzten sich Bürgermeister Bernd Fuhrmann und Johannes Röhl mit den kleinen Waldbauern und mit Vertretern der holzverarbeitenden Gewerbe zusammen und erstellten die Bad Berleburger Holz-Agenda. „Die partizipatorischen Prozesse, die in dieser Kommune gelebt werden, habe ich schlicht unterschätzt“, erinnert sich Johannes Röhl.



Seitdem dreht sich in der Kleinstadt – fast – alles um die nachwachsende Ressource Holz. Bushaltestellen wurden aus massivem Käferholz gefertigt, 19 hölzerne Lesekörbe laden zum Verweilen ein. Im Sitzen oder Liegen können Besucher Bücher lesen, sogar digital auf einem bereitgestellten Tablet. Holzverarbeitende Unternehmen bauen Blockhäuser aus Käferholz. Zwei neue Feuerwehrhäuser sollen aus der natürlichen Ressource errichtet werden. Auf einem eigens ausgewiesenen Fahrradweg für Einwohner und Touristen erläutern Beschilderungen und QRCodes die Vorteile des heimischen Baustoffes. „Wir wollen mit diesen Projekten Holz als natürliche Ressource für alle erlebbar machen“, erklärt Bürgermeister Bernd Fuhrmann.

Hölzernes Parkhaus geplant

Das besondere Highlight des Bad Berleburger Holzweges soll aber ein Großprojekt werden. Für das geplante hölzerne Parkhaus läuft gerade eine Machbarkeitsstudie. 31.000 Euro hat das Land Nordrhein-Westfalen dazu gegeben. Die gleiche Summe hat die Stadt selbst aufgebracht. Die Verwendung von Käferholz wird aber nicht der einzige innovative Ansatz sein. Bernd Fuhrmann: „Noch wissen wir nicht, wie schnell sich die zwingend erforderliche Mobilitätswende im ländlichen Raum vollziehen wird. Klar ist, dass wir dabei gerade auf kommunaler Ebene ein Höchstmaß an Flexibilität benötigen. Deshalb planen wir noch vor der Errichtung des Parkhauses dessen mögliche Umnutzung mit ein. Wenn das Haus als Parkfläche mal nicht mehr gebraucht wird, dann soll es möglich sein, mit einfachen Mitteln das Gebäude als Co-Working-Space oder Bürogebäude nutzbar zu machen.“

Holzhaus innen

Holzkonzept auch für Großstädte interessant

Ebenso wichtig in der Planungsphase, so der Bürgermeister, sei die direkte Übertragbarkeit des Projektes auf andere Kommunen. „Wir wollen mit diesem Projekt zeigen, dass eine neue Art des Bauens, die schon in der Planung auf Langlebigkeit, Wiederverwertbarkeit der Rohstoffe und Nachhaltigkeit setzt, auch für Großstädte interessant sein könnte. Anhand solcher Projekte, das ist meine Überzeugung, wird deutlich, dass wir in Politik und Wirtschaft bereit sind, nicht mehr kurzfristig zu denken, sondern in Generationen.“ Nils Kuhmichel ist Experte und baut in seinem Betrieb von Dachstühlen bis Exklusivmöbeln alles aus Holz. „Viele Menschen denken bei einem Borkenkäfer an den klassischen Holzwurm, der sich durch den Stamm frisst. Der Borkenkäfer schädigt aber nur die Rinde, der Stamm bleibt völlig intakt.

Verwendung von Borkenkäferholz umstritten

Der einzige Unterschied: Borkenkäferholz kann an einigen Stellen Verfärbungen aufweisen“, unterstreicht Nils Kuhmichel. Johannes Röhl nickt: „Ein zweites Klischee hält sich ebenso hartnäckig: dass Holzhäuser extrem brandgefährdet sind.“ Was die meisten nicht wissen: Häuser mit Stahlträgern sind im Brandfall viel gefährdeter. „Sie müssen sich nur einmal ein Lagerfeuer anschauen: Holz brennt extrem langsam. In den skandinavischen Ländern und in den USA ist man in Sachen Holz als Baustoff wesentlich weiter als wir.“

Holzbegutachtung

Beratung zu Holzhäusern

Ein weiteres Vorurteil: Holzhäuser sind extrem pflegebedürftig. Johannes Röhl schüttelt den Kopf: „Schauen Sie sich unser alten Bauernhöfe an. Diese Gebäude wurden einfach klug gebaut und kommen ganz ohne Holzschutzmittel aus.“ Nils Kuhmichel unterstreicht: „Der moderne Holzbau hat all diese Argumente längst entkräftet.“ Damit diese Informationen auch bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen, investiert die Kommune auch in umfangreiche Beratungen zum Baumaterial Holz. Für den Rentmeister Johannes Röhl  spricht noch viel mehr dafür, die klimaschädlichen und energieintensiven Materialien Beton, Ziegel und Stahl zurückzudrängen. Die politische Lage, so der Forstdirektor, sollte uns spätestens jetzt auf Boden der Tatsachen holen. Viele Materialien sind knapp und die Transportkosten steigen enorm. Ganz abgesehen vom hohen CO2-Abdruck, den die langen Transportwege und die Materialgewinnung an sich verursachen.

Klimagerecht bauen

Öko-Romantik? Das ist nicht die Sache des Forstdirektors. Für eine solche hält er die Forderung mancher Umweltschützer, den Wald mehrheitlich wieder sich selbst zu überlassen. „Natürlich könnten wir das tun. Aber damit lösen wir nicht die Probleme, die sich aus der massenhaften Verwendung von Beton, Stahl und Ziegel ergeben.  Klimagerecht bauen kann in Zukunft tatsächlich nur heißen, mehrheitlich heimisches Holz statt der derzeit üblichen Materialien zu nutzen. Wenn wir unsere Wälder dafür nicht einsetzen wollen, dann müssen wir Holz aus Regionen importieren, von denen wir lieber nicht wissen wollen, unter welchen Umständen das Holz dort produziert wurde.“

Nachhaltigkeitsstrategie von Bad Berleburg

Für Bürgermeister Bernd Fuhrmann sind all das Argumente, die zeigen, dass seine Kommune mit der Holz-Agenda auf dem richtigen Weg ist. „Wir sehen in unserer Strategie einen regionalen Wirtschaftskreislauf at it‘s best. Außerdem passen unsere Maßnahmen exakt in die Nachhaltigkeitsstrategie, der wir in Bad Berleburg folgen: In unserer Kommune wird jeder Beschluss dahingehend überprüft, welche ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen er langfristig haben wird.

Jeder Beschluss wird also dahingehend überprüft, welchen Beitrag er konkret leisten kann, um die Ziele unserer Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen. Was wir nicht nur in den Kommunen, aber auch dort, brauchen, sind grundlegende Veränderungsprozesse im Denken und Handeln.“ Veränderungsprozesse, die in Bad Berleburg noch lange nicht abgeschlossen sind. Getreu dem Bad Berleburger Slogan „Wildnis, Wirtschaft, Wagemut“ warten weitere Projekte darauf, umgesetzt zu werden.

Fotocredits: Bad Berleburg/Embe