Vor genau einem Jahr traten hier im Rathaus Bürgermeister und Gemeinderat geschlossen zurück - was seither passiert ist
Vor genau einem Jahr traten hier im Rathaus Bürgermeister und Gemeinderat geschlossen zurück - was seither passiert ist
© Gemeinde Freisbach

Protest gegen Bund und Land

Hilferuf einer Gemeinde: Ein Jahr nach dem Rücktritt von Bürgermeister und Gemeinderat

Eine Gemeinde ist finanziell am Ende. Selbst für das Nötigste ist kein Geld mehr vorhanden. Seit Jahren fühlen sich Gemeinderat und Bürgermeister von der "großen Politik" im Stich gelassen. Am Abend des 8. August vergangenen Jahres traten Bürgermeister und Gemeinderat geschlossen zurück - aus Protest. Was sich seither im Ort verändert hat, wie der Ex-Bürgermeister die Situation heute sieht.

Dass die Probleme kleiner Gemeinden deutschlandweit Schlagzeilen machenl, ist selten. Doch der Rücktritt von Peter Gauweiler als Bürgermeister von Freisbach vor einem Jahr hat diese Aufmerksamkeit gebracht. Konkret ging es damals darum, dass der 1100 Einwohner Dorf dringend einen neuen Kindergarten benötigte. Doch dafür fehlte das Geld, die Kommunalaufsicht hatte im August den Finanzhaushalt für das laufende Jahr noch immer nicht genehmigt. "Für unsere Pflichtaufgaben haben wir mehr Kosten als wir überhaupt Einnahmen haben", so der Bürgermeister damals im Gespräch mit KOMMUNAL. 

Wie folgt schilderte er damals die Haushaltssituation: "Die Einnahmen pro Jahr sind mehr als überschaubar. Rund 1,2 Millionen Euro. Davongeht allein gut eine Million als Umlage weiter an die Verbandsgemeinde Lingenfeld und an den Kreis Germersheim. Rechnet man die laufenden Kosten für den Kindergarten in Höhe von 380.000 Euro im Jahr hinzu, ist die Einnahmesumme bereits mehr als ausgegeben". 

Was nach dem Rücktritt passierte 

Nach dem Rücktritt schaltete sich auch der Innenminister des Landes ein - denn gegen ihn richtete sich der Protest in erster Linie. Heute, genau ein Jahr nach dem Rücktritt sagt Peter Gauweiler: "Wir haben einen Hype ausgelöst". In der Tat berichteten zahlreiche Medien über den Rücktritt und die Situation in dem Ort. 

Freisbach war der Beginn einer Rücktrittswelle von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in ganz Deutschland. Immer mehr Orte machten auf ihre Situation aufmerksam. So trat wenige Monate später auch der Bürgermeister von Markt Schwaben in Bayern zurück. Spätestens ab dem Zeitpunkt berichtete auch die ARD über die Rücktrittswelle, wie etwa hier im Interview mit KOMMUNAL im Bayerischen Fernsehen. 

Wie es Freisbach heute geht 

Doch ein Jahr später ist Ernüchterung eingetreten. Ein Teil des Gemeinderates trat zur Wahl dann doch wieder an - nachdem sich unter anderem die AfD in der Gemeide gemeldet hatte und ankündigte, mit ihren Kommunalpolitikern die Geschicke im Ort übernehmen zu wollen. Bürgermeister Gauweiler sagt heute: "Wenn ich mehr hätte bewirken sollen, hätte ich den Druck aufrecht erhalten müssen. Im Nachhinein würde ich noch mal kandidieren. Und ich wäre dann wieder zurückgetreten. Und notfalls auch ein drittes Mal. Bis sich was ändert", sagte er zum Jahrestag dem Südwestrundfunk in einem Interview.

Und bleibt ernüchtert: "Wir werden auch in 20 Jahren keinen ausgeglichenen Haushalt hinbekommen".

Freisbachs neuer Bürgermeister ist optimistischer 

Sein Nachfolger als Bürgermeister, Jochen Ricklefs, ist da etwas weniger pessimistisch. Er spricht im SWR-Interview von einer Aufbruchsstimmung im Ort. Wörtlich sagte er im SWR: "Wir haben seit Mai dieses Jahres einen genehmigte Haushalt, was leider nicht bedeutet, dass wir Geld hätten. Nach wie vor ist unser Haushalt nicht ausgeglichen, wir haben zu wenig Geld in den Kassen. Das ist ein Thema, was wir uns in den nächsten Jahren vornehmen müssen."

Die Landesregierung habe zwar insgesamt etwas mehr Geld an die Kommunen verteilt. Der Verteilungsschlüssel sorge aber dafür, dass große Kommunen mehr Geld hätten, während kleinere unterm Strich weniger Geld bekämen. Ricklefs wörtlich: "Zum einen kriegen wir über den kommunalen Finanzausgleich in Freisbach zu wenig Geld in die Kasse, um allein unsere Alltagsaufgaben zu stemmen, wie eine Kindertagesstätte zu betreiben. Und das zweite ist, wir müssen eine ganze Menge Geld weitergeben an Verbandsgemeinde und Kreis über die sogenannten Umlagen."

Im Ergebnis schreibt er der Landes- und Bundespolitik vor allem eines ins Pfichtenheft: Sparsamer beim Ausgeben sein: "Wir sind sehr großzügig im Geldausgeben in der Summe in Deutschland. Ich glaube, wir geben mehr aus, als wir zur Verfügung haben. Und das führt am Ende dazu, dass kommunale Haushalte belastet sind."