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Das geplante veränderte Gebäudeenergiegesetz sieht den Austausch alter Heizungen vor.
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Klimaschutz

Heizungstausch und Gebäudesanierung: Kostenlawine rollt auf Kommunen zu

Der von der Bundesregierung geplante Heizungsaustausch stellt nicht nur die Privathaushalte und Unternehmen, sondern auch die Kommunen vor große Herausforderungen. Aktuellen Berechnungen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes zufolge wird das geplante novellierte Gebäudeenergiegesetz die Kommunen mindestens acht Milliarden Euro kosten. Für die Städte und Gemeinden ist bisher aber keine extra Förderung vorgesehen. Warum den Kommunen eine Schlüsselrolle beim Umstieg auf erneuerbare Energien zukommt - und wie die kommunale Wärmeplanung gelingen kann. Dafür gibt es einen Handlungsleitfaden und ein Gutachten!

 Die 180.000 kommunalen Gebäude - Verwaltung, Krankenhäuser, Sporthallen oder Wohnungen werden zu einem großen Teil immer noch mit Öl oder Gas geheizt, so wie das auch bei den Häusern in privater Hand der Fall ist. Nach dem vom Bundeskabinett  jüngst beschlossenen Gesetzentwurf soll von 2024 an jedoch möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Dafür sind Wärmepumpen, Solarthermieanlagen oder auch Hybridsysteme aus Wärmepumpe und Gasheizung vorgesehen.

Für die Kommunen ist völlig unklar, wie das ambitionierte Ziel umgesetzt werden kann.  Schon jetzt fehlen Handwerker, Wärmepumpen sind auch schon knapp. Und das vom EU-Parlament erarbeitete Gesetz, das eine Sanierungspflicht für alte Gebäude vorsieht, setzt die Kommunen weiter unter Handlungsdruck. Schon bis 2030 sollen alle Wohnimmobilien die EU-Energieklasse E erreichen, bis zum Jahr 2033 muss sogar die noch energiesparsamere Klasse D geschafft sein.

Heizungstausch: Gigantische Mehrkosten

Und wer soll das bezahlen? "Wenn alle Auflagen erfüllt werden, entstünden pro Anlage Mehrkosten von 60.000 Euro", rechnet der Deutsche Städte - und Gemeindebund vor.  Kommt das Gesetz wie bisher vorgesehen, müssten laut Städte- und Gemeindebund jährlich 7000 Heizungsanlagen auf Erneuerbare umgerüstet oder neu eingebaut werden. Die jährlichen Mehrkosten bezifferte der kommunale Spitzenverband mit 400 Millionen Euro. "Die Kommunen könnten das alleine nicht stemmen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg, jetzt der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Doch noch ist für sie keine eigene Förderung eingeplant. Für Privatpersonen wird die „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG) an die neuen gesetzlichen Anforderungen angepasst.

Bestehende Heizungen können allerdings weiter betrieben werden und kaputte Heizungen repariert werden. Für alle  Bürger im selbstgenutzten Wohneigentum wird es auch künftig im Rahmen der BEG eine Grundförderung für den Tausch einer alten fossilen gegen eine neue klimafreundliche Heizung geben. Die Förderung wird so angepasst, dass alle im Bestand möglichen und dem neuen GEG § 71 entsprechenden Heizungsoptionen mit dem gleichen Fördersatz von 30 Prozent gefördert werden. Wer schneller umstellt und umfassender, der bekommt sogenannte Boni, also zusätzliche Förderungen. Über den Gesetzesentwurf soll der Bundestag entscheiden. Es gilt aber als unwahrscheinlich, dass der Gesetzesentwurf unverändert bleibt.

Heizungstausch: Zahlreiche Fragen offen

Das ambitionierte Vorhaben der Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP gilt als schwer umsetzbar. Denn noch sind viele Fragen ungeklärt. Wie etwa sollen Mietshäuser umgerüstet werden? Die Stimmen mehren sich, das Gesetz zu verschieben, da noch zahlreiche Fragen offen sind. Am kommenden Freitag, 12. Mai, beraten die Länder im Bundesrat erstmals über den Regierungsentwurf zum Gebäudeenergiegesetz.

Kommunale Wärmeplanung als Grundlage

Experten verweisen längst darauf, dass den Kommunen eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Vorgaben zukommen wird. In einigen Bundesländern ist eine kommunale Wärmeplanung bereits verpflichtend vorgeschrieben. "Ein kommunaler Wärmeplan bildet die Grundlage, um eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu erreichen", unterstreicht das Umweltministerium in Baden-Württemberg die Bedeutung. "Jede Kommune entwickelt im kommunalen Wärmeplan ihren Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung, der die jeweilige Situation vor Ort bestmöglich berücksichtigt. Ein solcher Plan sei immer in Prozesse eingebettet: Er dient als strategische Grundlage, um konkrete Entwicklungswege zu finden und die Kommune in puncto Wärmeversorgung zukunftsfähig zu machen. Dabei wird er auch zu einem wichtigen Werkzeug für eine nachhaltige Stadtentwicklung."

Mit dem Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz strebt das Land Baden-Württemberg an, dass alle Gemeinden einen kommunalen Wärmeplan  erstellen und fortschreiben. Die großen Kreisstädte müssen den Regierungspräsidien bis zum 31. Dezember dieses Jahres einen Wärmeplan vorlegen. "Dadurch entstehen Wärmepläne für über 50 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner Baden-Württembergs", heißt es. Eine solche Wärmeplanung werde vom Umweltministerium gefördert.

Die vier Elemente eines kommunalen Wärmeplans

1. Bestandsanalyse

Erhebung des aktuellen Wärmebedarfs und -verbrauchs und der daraus resultierenden Treibhausgas-Emissionen, einschließlich Informationen zu den vorhandenen Gebäudetypen und den Baualtersklassen, der Versorgungsstruktur aus Gas- und Wärmenetzen, Heizzentralen und Speichern sowie die Ermittlung der Beheizungsstruktur der Wohn- und Nichtwohngebäude.

2. Potenzialanalyse

Ermittlung der Potenziale zur Energieeinsparung für Raumwärme, Warmwasser und Prozesswärme in den Sektoren Haushalte, Gewerbe-Handel-Dienstleistungen, Industrie und öffentlichen Liegenschaften sowie Erhebung der lokal verfügbaren Potenziale erneuerbarer Energien und Abwärmepotenziale.

3. Zielszenario

 Erstellung eines Szenarios zur Deckung des zukünftigen Wärmebedarfs mit erneuerbaren Energien, um eine klimaneutrale Wärmeversorgung zu erreichen. Dazu gehört eine  Beschreibung der dafür benötigten künftigen Versorgungsstruktur im Jahr 2040 - mit einem Zwischenziel für 2030.  Eignungsgebiete für Wärmenetze und Einzelversorgung werden entwickelt.

4. Wärmewendestrategie

Formulierung eines Transformationspfads zur Umsetzung des kommunalen Wärmeplans, mit ausgearbeiteten Maßnahmen, Umsetzungsprioritäten und dem Zeitplan für die nächsten Jahre und einer Beschreibung möglicher Maßnahmen, um Energie einzusparen.  Dann soll die zukünftige Energieversorgungsstruktur aufgebaut werden. Der Prozess der kommunalen Wärmeplanung führe Potenziale und Bedarf systematisch zusammen. Auf diese Weise lassen sich Einsatzmöglichkeiten der Energiequellen im künftigen Energiesystem definieren und lokal umsetzen.

Kommunaler Wärmeplan als Routenplaner

Bei der nachfolgenden Einbindung des kommunalen Wärmeplans in die weiteren kommunalen Planungsaufgaben sollten die Beteiligten der Wärme- und Stadtplanung sich regelmäßig abstimmen, raten die Experten. Ein kommunaler Wärmeplan wirke dabei als Routenplaner. "Denn seine Ergebnisse und Handlungsvorschläge dienen dem Gemeinderat und den Ausführenden als Grundlage für die weitere Stadt- und Energieplanung. Während des gesamten Prozesses gilt es, die Inhalte anderer Vorhaben der Kommune, etwa die der Bauleit- oder Regionalplanung, zu berücksichtigen",erläutert das Landesministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft weiter.

Kurzgutachten Kommunale Wärmeplanung

Ein Kurzgutachten des Bundesumweltamtes kommt zu dem Schluss, dass Mehr als die Hälfte des Endenergieverbrauchs auf die Beheizung von Gebäuden, die Bereitstellung von Warmwasser und für Prozesswärme entfällt. Damit ist der Wärmesektor zugleich für jährlich rund 40 Prozent der energiebedingten CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich.

Das Ziel einer treibhausgasneutralen Wärmeversorgung des Gebäudebestandes lasse sich nur sinnvoll erreichen, wenn der Wärmebedarf der Gebäude durch Energieeffizienzmaßnahmen drastisch gesenkt und gleichzeitig der verbleibende Bedarf effizient und umweltfreundlich aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Dafür müssen Abwärmepotenziale und erneuerbare Energien wie Solarenergie, Geothermie und Umweltwärme konsequent genutzt werden.

Solarenergie PV-Anlage auf dem Dach

Wärmenetze spielen Schlüsselrolle

Inzwischen sei weitgehend anerkannt, dass Wärmenetze eine Schlüsselrolle bei der Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien spielen, weil erst dadurch Wärmequellen wie tiefe Geothermie, Industrieabwärme oder Freiflächen-Solarthermie erschlossen werden können. Auch erneuerbarer Strom wird einen wachsenden Beitrag zur Versorgung mit Wärme – und auch mit Kälte – leisten.

Wärmepumpen spielen dabei als Großwärmepumpen zur Einspeisung von Wärme in Wärmenetze aber auch als dezentrale Versorgungstechnik eine wichtige Rolle. "Der Handlungsbedarf im Wärmebereich, der bislang weitestgehend im Schatten der Stromwende stand, ist somit offenkundig", heißt es in dem Gutachten.

Der Handlungsleitfaden im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg als PDF

Das Gutachten des Bundesumweltamtes als PDF:

Weitere Informationen zum geplanten Gebäudenergiegesetz und zum Gesetzesentwurf und zu den EU-Plänen.