Christian Erhardt fordert Konsequenzen aus der Umfrage zur Gewalt gegenüber Kommunalpolitiker
Christian Erhardt fordert Konsequenzen aus der Umfrage zur Gewalt gegenüber Kommunalpolitiker

Leitartikel zur Hasswelle

„Kommunalpolitiker werden zum Fußabtreter der Nation“

Getreten, geschlagen, bespuckt – jeder elfte Bürgermeister in Deutschland musste das schon erleben. Die Gründe für die Verrohung der Gesellschaft liegen auch bei der Politik selbst, die Kommunalpolitiker vor Ort sind in dem Machtpoker die in Kauf genommenen Opfer, meint Christian Erhardt.

Dass sich bei Bürgern in Deutschland Ohnmachtsgefühle und Wut ausbreiten, ist nicht neu. Das Vertrauen in den Staat schwindet, die Verrohung der Gesellschaft schreitet immer schneller voran. Traurig eindrücklich zeigt sich das in unserer jüngsten KOMMUNAL Umfrage im Auftrag des ARD-Politmagazins Report München, die das Institut Forsa für uns durchgeführt hat. In 20 Prozent aller Rathäuser wurden demnach bereits Mitarbeiter körperlich angegriffen. Dramatisch sind dabei die Veränderungen der letzten Jahre. 2016 haben wir die Umfrage zum ersten Mal durchgeführt. Damals waren es vor allem Hasskommentare in sozialen Medien und anonyme Drohungen. Die Verrohung der Sprache hat zunächst das Sagbare verschoben, die Zahl der persönlichen Beleidigungen auf Veranstaltungen oder in persönlichen Gesprächen nahm in unserer zweiten Umfrage vor einem Jahr massiv zu. Und jetzt steigt die Zahl der körperlichen Übergriffe dramatisch an. Eine Spirale der Gewalt, ein Klima des Hasses, ein Wertefundament, das völlig aus den Fugen geraten ist. 

Für Kommunalpolitiker in Bayern gibt es eine "vergleichsweise" posititive Nachricht 

Es gibt aber eine einzige positive Nachricht in diesen dramatischen Zahlen. Im Bundesland Bayern ist zwar der verbale Hass gegenüber Bürgermeistern, Rathausmitarbeitern und Gemeindevertretern ähnlich verbreitet, wie im Rest der Republik. Die Zahl der körperlichen Übergriffe auf die kommunal Tätigen ist mit 7 Prozent aber auffällig geringer. Das deckt sich mit anderen Umfragen zur Zufriedenheit der Bürger mit ihrer kommunalen Verwaltung. Die Menschen in Bayern bewerten durchweg ihre Kommunalpolitiker und Rathausmitarbeiter positiver als der Rest der Republik. 

Dazu muss man wissen, dass es in Deutschland fast überall in den vergangenen Jahrzehnten massive Gebietsreformen gab. Dörfer wurden aufgelöst, Kommunalparlamente und Verwaltungen zusammengelegt. Die Botschaft war: „Das lokale und demokratische Denken und Handeln im Dorf ist nicht mehr gefragt“. Vor allem die „große Politik“ auf Landes- und Bundesebene entmündigte die Handelnden vor Ort, verbreitete die Meinung, das könne „zentral“ alles besser gelöst werden. Auf diese Weise wurde die demokratische Basis des Staates massiv geschwächt. Bayern hat auf größere Zusammenschlüsse weitgehend verzichtet. So ernten die Bürgermeister und Verantwortlichen vor Ort heute zum Teil auch die verdorbenen Früchte, die Bund und Länder vor Jahren sähten. 

Es fehlt der Respekt auch aus der "großen Politik"

Der Respekt von Politikern vor den ehrenamtlichen Politikern vor Ort lässt auch heute oftmals zu wünschen übrig. Kommunalparlamente hängen finanziell am Tropf der Länder, die Zahl der Vorgaben und Verordnungen, die die Selbstverwaltung massiv einschränken, steigt immer weiter. Respekt sieht wahrlich anders aus. Nur wie sollen wir Respekt von den Bürgern für unsere Arbeit erwarten, wenn selbst die „große“ Politik diesen Respekt oftmals vermissen lässt? Da wechselt manch einer, der sich vor Ort engagieren will, eben doch lieber in den Vorstand eines örtlichen Sport- oder Kulturvereins, weil er dort vermeintlich mehr bewegen kann, als in der Gemeindevertretung. Dem Dauerfeuer durch Beleidigungen und Beschimpfungen ist er dort auch seltener ausgeliefert.