Die Grundsteuer ist laut einem Gutachten verfassungswidrig - was das für Kommunen und Bürger bedeutet
Die Grundsteuer ist laut einem Gutachten verfassungswidrig - was das für Kommunen und Bürger bedeutet
© 123rf

Rechtsgutachten

Neuer Streit um die Grundsteuer treibt Kommunen Sorgenfalten ins Gesicht

Der Steuerzahlerbund plant eine ganze Welle von Klagen gegen die Berechnung der Grundsteuer. Für Kommunen herrscht damit wieder große Unsicherheit, wie sich die wichtige Einnahmequelle Grundsteuer künftig entwickeln wird.

Die neue Grundsteuer ist in 12 der 16 Bundesländer verfassungswidrig. Das behauptet ein neues Gutachten des Steuerrechtlers Gregor Kirchhoff im Auftrag des Steuerzahlerbundes sowie des Eigentümerverbands Haus und Grund. Das Gutachten will der Verband nutzen um eine ganze Klagewelle anzuschieben. Nachdem schon Millionen Steuerzahler Einspruche gegen ihre Grundsteuerbescheide eingelegt haben, droht somit der nächste Unsicherheitsfaktor für Kommunen. Fast 2 Millionen Bürger sollen bisher Einspruch eingelegt haben, etwa ein Zehntel derjenigen, die bereits einen Bescheid erhalten haben. Wobei Juristen sich streiten, ob die Einsprüche von Bürgern wirklich sinnvoll sind. Der Chef der Steuergewerkschaft Florian Köbler etwa rät im Handelsblatt Steuerzahlern nicht dazu, Einspruch einzulegen und sagt wörtlich: "Das wäre ein sinnloser Papierkrieg". Denn egal, wie die Verfassungsgerichte urteilen, der Steuerzahler sei geschützt.

Darum ist die Grundsteuer für Kommunen so wichtig

Die Grundsteuer ist die vermutlich traditionellste Steuer der Gemeinden. Sie war schon in der Antike bekannt. Im Mittelalter war sie die Hauptsteuer und mit Beginn der Erstellung der Grundkataster im 18. Jahrhundert gewann sie weiter an Bedeutung. Unterschieden wird zwischen der Grundsteuer A (für Land- und Forstwirtschaft), der Grundsteuer B (bebaute oder unbebaute Grundstücke) und der wiedereingeführten neuen Grundsteuer B (Baulandsteuer ab dem Jahr 2025 für baureife Grundstücke). Mit 15 Milliarden Euro im Jahr macht vor allem die Grundsteuer B den wichtigsten Teil der Einnahmen der Kommunen aus der Grundsteuer aus. 

Mit dem Geld werden in Städten und Gemeinden wichtige Aufgaben und Einrichtungen vor Ort finanziert. Dazu zählen Straßen, Schulen, die Freiwillige Feuerwehr aber auch Kindergärten und Freizeiteinrichtungen. Wichtig ist auch: Hinter der Steuer steht das Äquivalenzprinzip. Das heißt Städte und Gemeinden müssen im Gegenzug für die Einnahmen Leistungen erbringen. Eine "willkürliche" Erhöhung der Steuer, etwa um Schulden einer Kommune zu tilgen, wäre also nicht rechtens. Auch als "verkappte Vermögenssteuer" eignet sich sich nicht. 

Wie der Steuerzahlerbund das Land mit Klagen überziehen will 

Das Rechtsgutachten bezieht sich vor allem auf das Bundesmodell. Es gilt in 11 Bundesländern mit Ausnahme von Bayern, Hamburg, Hessen, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Der Hauptvorwurf: Das Modell sei zu ungenau und zu ungerecht. Laut dem Gutachten wird bei vielen Gebäuden etwa nicht berücksichtigt, ob sie in einem guten oder schlechten Zustand sind und ob sie unter Denkmalschutz stehen. Zudem rechnet der Steuerzahlerbund anhand von Beispielen vor, dass Gebäude in sehr guten Lagen teils günstiger bewertet werden als in Gebieten mit größeren sozialen Problemen. Als Beispiel führt der Verband Berlin an. In guter Wohnlage in Berlin rund um den Wannsee liegt der Bodenrichtwert bei 1500 Euro, im Problemkiez Neukölln, das aber innerstädtischer ist ist der Bodenrichtwert mit 3200 Euro mehr als doppelt so hoch. 

Konkret wollen die Verbände etliche Klagen parallel auf den Weg bringen: Und zwar jeweils einzeln vor den Finanzgerichten der Bundesländer. Das Kalkül: Dann könnte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe recht bald die Reißleine ziehen und das Gesetz stoppen. 

Möglich wären dann drei Szenarien: 

1. Die Gerichte halten die Steuer für verfassungsgemäß, dann würde alles weiter seinen Gang wie bisher gehen.

2. und das gilt als durchaus wahrscheinlich: Die Gerichte erklären die Grundsteuer in Teilen für verfassunsgswidrig und fordern Nachbesserungen. Dann müsste das Gesetz erneut beraten und entsprechend angepasst werden 

3. aber das gilt als unwahrscheinlich: Das Verfassungsgericht erklärt die Grundsteuer seit Anbeginn der Reform für verfassungswidrig. Dann müsste es komplett neu verhandelt und geändert werden. Der Termin im Jahr 2025 dürfte dann kaum zu halten sein. 

So berechnet sich die neue Grundsteuer 

Die Grundsteuer B muss von Eigentümern, Mietern und übrigens auch von Kommunen selbst für ihre Immobilien bezahlt werden. Sie wird nach folgender Formel berechnet: Wert des Grundstücks x Grundsteuermesszahl (0,031 Prozent bei den meisten Wohnflächen) x Hebesatz (wird von den Kommunen bestimmt, Bundesdurchschnitt: 435 %)

Im Formular muss jeder Eigentümer zunächst sein zuständiges Finanzamt eintragen (das auch bisher den Einheitswert ermittelt hat) und für jede Haustür braucht es eine komplett eigene Erklärung. Erbengemeinschaften geben für ein gemeinsames Grundstück nur eine Erklärung ab und benennen einen Bevollmächtigten, der den Bescheid für alle zugeschickt bekommt. Ehepartner gegen für ihr gemeinsames Grundstück eine gemeinsame Erklärung ab. 

16 Kommunen in Deutschland erheben keine Grundsteuer 

Vor allem in Rheinland-Pfalz und in Schleswig-Holstein gibt es aber auch Kommunen, die auf die Erhebung der Grundsteuer verzichten. Denn das Recht sowohl für die Festsetzung des Hebesatzes als auch für die Erhebung selbst liegt ausschließlich bei der Kommune. Eine Ausnahme der besonderen Art bildet die kleine Gemeinde Büsingen in Baden-Württemberg. Die 1500 Einwohner des Ortes zahlen keine Grundsteuer, weil sie sonst schon sehr hohe Kosten haben. Der Grund ist eine Besonderheit. Büsingen ist eine deutsche Gemeinde mitten in der Schweiz. Die Kommune kann es sich leisten, auf die Grundsteuer zu verzichten, da die Bürgerinnen und Bürger für alles andere schon deutlich mehr bezahlen müssen. Es werden Schweizer Produkte verkauft, zu Schweizer Preisen – aber gleichzeitig müssen die Bewohner deutsche Steuern zahlen. Der Verzicht auf die Grundsteuer in Büsingen dient also eher der Entlastung in einer teuren Gemeinde.

In den restlichen 15 Kommunen ohne Grundsteuer ist zumeist die sehr gute finanzielle Lage der Gemeinden der Grund für den Verzicht. Bergenhausen und Gornhausen in Rheinland-Pfalz mit ihren jeweils 200 Einwohnern haben ausgeglichene Haushalte und sind auf die Einnahmen nicht angewiesen. Diverse Gemeinden in Schleswig-Holstein, wie etwa Südermarsch, Strübbel oder Oesterwurth (jeweils zwischen 100 und 300 Einwohner) leben von der Windkraft. Ihre Einnahmen sind so hoch, dass es auf die Erhebung einer Grundsteuer zur Sicherung der Finanzen der Kommune schlicht nicht mehr ankommt.