Gewalt gegen Kommunalpolitiker
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Gewalt gegen Kommunalpolitiker

20. Juni 2019
Gewalt und Anfeindungen gegen Kommunalpolitiker sind keine Einzelfälle. Allein in letzter Zeit gab es mehrere Vorfälle. Wie die Betroffenen damit umgehen, ist unterschiedlich. Während manche von ihrem Amt zurücktreten, geben andere nicht auf und kämpfen für die eigenen Ideale. Und für die Demokratie.

Der Anschlag auf den deutschen Politiker Walter Lübcke ist kein Einzelfall. Immer mehr Kommunalpolitiker werden Opfer von Beleidigungen, Bedrohungen oder Gewalttaten. Häufig spielen rechtsextreme Motive eine Rolle.

So bekam die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker erst vor kurzem eine schriftliche Morddrohung. Das bestätigte die Polizei am Mittwochabend. Nach dem Mord an Lübcke erklärte sie, dass man sich durch die Angriffe „nicht zusammenschrecken lassen“ und „keinen Zentimeter zurückweichen“ dürfe. Reker wurde bereits im Jahr 2015 mit einem Messer angegriffen, kam nur knapp mit dem Leben davon. Reker wird seit Jahren immer wieder beschimpft, beleidigt oder bedroht. So veröffentlichte beispielsweise die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative Köln auf Facebook Zitate von Rekers Täter ("Reker muss weg!") neben Bildern und Texten von Waffenmunition und Schießtrainings.

Und auch der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, wurde immer wieder für seine liberale Flüchtlingspolitik kritisiert. Im November 2017 wurde er sogar in einem Dönerimbiss angegriffen und mit einem Messer bedroht. Er kam mit Verletzungen davon. Doch auch er erhält immer wieder Morddrohungen – zuletzt am Dienstag.

Dass Hass, Beschimpfungen und Gewalt von rechts keine Einzelfälle sind, zeigt eine aktuelle Erhebung von KOMMUNAL unter Bürgermeistern.

Und auch eine Anfrage der Grünen beim Innenministerium Ende 2017 zeigt, dass bis Ende November 516 rechte politisch motivierte Straftaten, davon elf Gewaltdelikte, registriert wurden. Im Jahr 2018 meldete das Bundeskriminalamt 517 rechte Straftaten gegen Amts- beziehungsweise Mandatsträger, darunter fünf Gewaltdelikte.

Doch damit nicht genug. Im Internet bilden sich rechtsextreme Gruppen. Es kursieren sogar (Todes-) Listen, mit Namen von Politikern, die sich angeblich für Flüchtlinge einsetzen.

Rücktritt vom Amt oder Weitermachen?

Wie die betroffenen Politiker mit der ständig lauernden Gefahr umgehen, zeigt die Bild-Zeitung in einem aktuellen Bericht.

So erklärt beispielsweise Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, dass er Polizeischutz bekommen hat und der Zugang zu seinen Büroräumen im Rathaus mit einer Schließanlage gesichert wurde. Auch er bekam schriftliche Morddrohungen, weil er sich für einen menschlicheren Umgang mit Flüchtlingen einsetzt.

Carola Veit, Hamburgs Bürgerschaftspräsidentin verrät, dass sie regelmäßig Hassmails aus der rechten Szene erhält. Es handele sich auch um Morddrohungen: „Zum Beispiel nachdem ich einen Abgeordneten (Ex-AfD) wegen wiederholter Entgleisungen von einer Sitzung ausgeschlossen hatte.“ Sie stellt jedoch klar, dass sie persönlich aber keine Angst habe.

Anders hingegen der Cottbusser Bürgermeister Holger Kelch: Er erklärt, dass er jeden Tag über seine Sicherheit nachdenkt und manchmal Angst hat.

Konsequenzen aus den Anfeindungen hat Markus Nierth, der Bürgermeister von Tröglitz gezogen. Aufgrund von Drohungen gegen ihn und seine Familie trat er sogar zurück.

Doch: Wieso nehmen Beleidigungen und Angriffe gegen Kommunalpolitiker zu?

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sieht die Gründe dafür bei der sprachlichen Ausdrucksweise der AfD. Man könne „ganz deutlich sehen, wie Entgrenzung auch von Sprache, wie Hass und Hetze, wie sie auch von der AfD und von Verantwortlichen der AfD betrieben wird, Hemmschwellen so absenkt, dass sie augenscheinlich in pure Gewalt umschlagen.

Auch andere Politiker wie Claudia Roth sehen die Gründe dafür in einer Verrohung der Sprache.

Der ehemalige CDU-Generalsekretär Peter Tauber nennt als Negativ-Beispiel die ehemalige Parteikollegin Erika Steinbach, die mehrere Jahre Präsidentin des Bundes für Vertriebene war und dann den Vorsitz der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung übernahm. „Erika Steinbach, einst eine Dame mit Bildung und Stil, demonstriert diese Selbstradikalisierung jeden Tag auf Twitter. Sie ist ebenso wie die Höckes, Ottes und Weidels durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt führt, mitschuldig am Tod Walter Lübckes.“ Sein Statement löste rege Diskussionen aus.

Steinbach hatte Anfang des Jahres auf Facebook alte Statements von Lübcke zur Flüchtlingspolitik gepostet. In den Kommentaren wurde Lübcke bedroht und angefeindet. Steinbach ließ das unkommentiert - laut eigener Aussage habe sie diese anscheinend nicht bearbeiten können, weil es zu viele waren.

Anlässlich der aktuellen Ereignisse fordert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mehr Respekt und Schutz für Kommunalpolitiker. Sie seien die Wagenzieher der Demokratie: „Sie verdienen nicht nur unser Vertrauen, sie verdienen Respekt, und sie verdienen vor allem Schutz vor jeder Form von Herabwürdigung, Hetze und roher Gewalt.“

Was muss sich in Zukunft ändern?

Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte-und Gemeindebundes plädierte bereits nach dem Messerangriff auf Andreas Hollstein dafür, solchen Taten effektiver entgegenzutreten. „Das muss schon frühzeitig bei Bedrohungen und Gewaltaufrufen geschehen, die bislang die Grenze der Strafbarkeit nicht überschreiten. Hier müssen Strafbarkeitslücken geschlossen und mit Strafschärfungen auch bei tätlichen Angriffen reagiert werden.“ So solle der geltende Stalking-Paragraf 238 Strafgesetzbuch um einen neuen Straftatbestand des „Politiker-Stalkings“ ergänzt werden.

Sollten die Hassparolen, die Drohungen und die Gewalt weiter zunehmen, werden der öffentliche Dienst sowie die Kommunalpolitik immer unattraktiver - und verstärken damit den ohnehin schon existierenden Personalmangel.