Die Gesundheitsämter sind stark gefordert.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst braucht mehr Unterstützung.
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Umfrage

Sind die Gesundheitsämter für eine zweite Corona-Welle gewappnet?

Eine zweite Corona-Welle könnte drohen. Nun stellt sich die Frage, ob die Gesundheitsämter dafür gut genug gerüstet sind. Die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, fordert kurzfristige Lösungen. Der Städte- und Gemeinebund hat konkrete Vorschläge. Und es gibt eine Umfrage zur Personalsituation!

Deutschland hat die erste Corona-Welle vergleichsweise gut gemeistert. Doch wie sieht es aus, sollte es zu einer gefürchteten zweiten Welle kommen?  Bald soll wieder regelmäßig im Klassenzimmer unterrichtet werden, die Deutschen kommen aus dem Sommerurlaub zurück - und  viele haben ihren Herbsturlaub im Süden gebucht. Auf den öffentlichen Gesundheitsdienst  kommt somit eine zweite große Herausforderung zu. Entsprechend wichtig ist es, dass die Gesundheitsämter in die Lage versetzt werden, gut vorbereitet in den Herbst und Winter zu gehen.

Ute Teichert: Gesundheitsämter für zweite Corona-Welle zu knapp besetzt

Nach Ansicht von Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), sind die Gesundheitsämter für eine zweite Pandemie-Welle jedoch "viel zu knapp besetzt". Sie warnte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Mit den steigenden Infektionszahlen rollt ein riesiges Problem auf uns zu.“  Ihre drängende Botschaft: Die mehr als 400 deutschen Gesundheitsämter könnten nicht warten, bis die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Kraft träten. Nötig sei eine kurzfristige Lösung. Die Gesundheitsämter müssten im Notfall sofort Verstärkung bekommen. Die Verbandsvorsitzende schlug dafür ein bundesweites Freiwilligen-Register vor.  Also  „eine Art Jobbörse“ sein, die im Ernstfall Mitarbeiter vermittle.

Experte Uwe Lübking: Gesundheitsämter am Rand ihrer Kapazitäten

Uwe Lübking, Dezernent beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, sieht Deutschland grundsätzlich gut gerüstet, da es grundsätzlich  über ein leistungsfähiges Gesundheitssystem verfüge. Dies habe sich auch während der Corona-Pandemie gezeigt. "Gleichwohl zeigt die Pandemie auch die Schwachstellen auf, die das Gesundheitssystem schon länger belasten", betonte Lübking auf Anfrage von KOMMUNAL. Sein Fazit fällt eindeutig aus: "In der Corona Pandemie hat sich herausgestellt, dass die Gesundheitsämter vor Ort je nach epidemiologischer Lage beim schnellen Anstieg von Neuinfektionen an den Rand ihrer Kapazität kommen können." 

Gründe dafür sind die vielfach mangelnde technische und personelle Ausstattung der Gesundheitsämter. Wenn es zu einer krisenhaften Situation kam,  wie zum Beispiel in Gütersloh, mussten die Kommunen zum Beispiel auf die Bundeswehr, das Technische Hilfswerk sowie auf den Bund und die Länder zurückgreifen. "Das zeigt einmal mehr, dass wir die Gesundheitsämter ertüchtigen müssen", fordert Lübking. "Und zwar nicht nur für die jetzige Corona-Krise, sondern auch für die Zukunft. Dazu gehören zusätzliches Personal – und zwar nicht nur im ärztlichen Bereich - und eine konsequente Digitalisierung."

Der  „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“ sei  ein wichtiger, richtiger und unverzichtbarer Schritt. Der Bund ist bereit, 4 Milliarden Euro zu investieren.  "Es ist nun wichtig, dass diese zusätzlichen Maßnahmen möglichst schnell auf den Weg gebracht und umgesetzt werden", unterstreicht Lübking. Und: "Die Gesundheitsämter brauchen auch mehr Unterstützung durch die Länder, nicht nur in finanzieller Hinsicht." Nur wenige Bundesländer verfügen über ein Landesgesundheitsamt oder eigene Landeslabore.

Ärzte  und Studierende als "Reservisten" - das geht nicht ohne Vergütung

Für den Städte- und Gemeindebund steht außer Frage: "Wenn wir in Zukunft große Pandemiegeschehen haben, brauchen wir zusätzliche Kräfte. Das muss eingeübt werden", betont der Experte. "Dabei geht es nicht nur um Ärzte, sondern auch um Menschen, die Infektionsgeschehen verfolgen, die die Versorgung der Menschen in Quarantäne  sicherstellen."

Ein solches Reservistenkonzept könne aber nur mit zusätzlichen Anreizen und Geld funktionieren. Ein niedergelassener Arzt werde sich bereiterklären, aber nur wenn er nicht nur Anerkennung, sondern auch eine bestimmte Vergütung für diese Bereitschaft erhält. Auch Studierende kommen in Frage. Des Weiteren muss das Pandemiegeschehen auch eingeübt werden. Es muss also Planspiele mit konkreten Einsätzen  geben.

Auch klare Regelungen, ab wann ein lokaler Lockdown nötig ist, werden helfen, neue Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen. Inzwischen wissen wir auch, dass die zuständigen Stellen vor allem die so genannten „Superspreader“, etwa bei größeren Familienfeiern oder in Betrieben, ermitteln müssen, um große Ausbrüche einzudämmen. "Hier muss es darum gehen, die Kontaktpersonen sehr schnell zu ermitteln und gegebenenfalls unter Quarantäne zu stellen. Hier können die kommunalen Gesundheitsbehörden von den bisherigen Erfahrungen profitieren."

Die 294 Gesundheitsämter der Landkreise und die 62 von kreisfreien Städten hätten in den vergangenen Monaten nachgewiesen, dass sie die Corona-Pandemie gut bewältigen konnten. Das belegt eine gemeinsame Umfrage des Deutschen Landkreistages und des Deutschen Städtetages.

Das Ergebnis der Umfrage:

  • Bundesweit werden in den Flächenländern über 3.300 Vollzeit-Planstellen für Amtsärzte vorgehalten, das sind knapp zehn Planstellen pro Gesundheitsamt. Bei den medizinischen Fachangestellten, Hygienekontrolleuren und weiterem medizinischen wie nichtmedizinischem Personal werden darüber hinaus über 11.600 Vollzeit-Stellen bereitgestellt. Insgesamt gibt es bei den Gesundheitsämtern 14.900 Stellen.
  • Besetzt sind rund 2900 Stellen der Ärzte und damit 87 Prozent. Beim nichtärztlichen Personal sind rund 11.000 Stellen besetzt, das sind 94,5 Prozent. Insgesamt sind damit in den Gesundheitsämtern in den Flächenländern bundesweit rund 13.900 Stellen besetzt. Wegen Teilzeitbeschäftigung ist die Gesamtzahl der Beschäftigten höher als die Zahl der besetzten Stellen. Unterbesetzt ist ein Teil der Stellen zum Beispiel wegen Fluktuation oder wegen Schwierigkeiten, Fachkräfte zu gewinnen.
  • Die meisten Gesundheitsämter planen, zusätzliche Ärzte wie auch weiteres medizinisches Personal einzustellen.

Landkreistag-Präsident: "Mehr Mediziner ausbilden"

"Es besteht keinerlei Grund zu Alarmismus", betonte der Präsident des Deutschen Landkreistages und Landrat von Ostholstein, Reinhard Sager. Allerdings fordert auch er weitere Anstrengungen. "Neben der mit dem Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst vorgesehenen finanziellen Unterstützung muss für mehr Mediziner und weiteres medizinisches Personal gesorgt werden. Die Länder müssten die Kapazitäten der Medizinerausbildung erhöhen und die Ausbildung stärker auch den Bedürfnissen des öffentlichen Gesundheitsdienstes anpassen."

Städtetag-Geschäftsführer: Gesundheitsämter gefordert, aber nicht überfordert

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sieht die Kommunalen Gesundheitsämter  ebenfalls gefordert, aber nicht überfordert. "Benötigt werden jetzt zügige Entscheidungen über einen effizienten Weg, wie die Bundesmittel unmittelbar und unbürokratisch bei den kommunalen Gesundheitsämtern ankommen", sagte Dedy.